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Das Fágáras-Gebirge ein viertes Mal - mit "Vorspiel" und mehr Zeit!

von: Wilhelm Scherz


Manche Dinge wiederholen sich im Leben und sind dennoch immer ein bisschen anders zugleich. So war es auch im 93er Jahr, als ich mir ganz bewusst vornahm, dass es diesmal anders werde. Würde es nun so werden, wurde es anders, oder kam es ganz anders als es anders geplant war? Der Leser wird nicht umhin kommen, diesen Zeilen bis zum Schluss zu folgen, da ihm eine vollständige Antwort darauf sonst wohl nicht gegeben ist :-))) !

Bereits dreimal zuvor hatte ich ja schon "Tuchfühlung" mit diesem mächtigen alpinen Gebirge der Südkarpaten genommen, teils allein und teils in Begleitung. Diesmal aber sollte es wieder allein geschehen, ganz ohne Abhängigkeiten, ganz ohne Zeitdruck, ganz ohne etwas, was auch immer plötzlich zwischen mir und den Bergen stehen könnte. Nur der Ausgangspunkt der Wanderung stand schon fest und auch, dass ich nicht immer bedingungslos dem Kammwanderweg ergeben sein wollte. Nein, diesmal wollte ich eher ein "Rotkäppchen" sein, statt niemals von der Wegmarkierung -rotes Band- abzuweichen. Ganz im Gegenteil, denn ein Tal südlich vom Hauptkamm gelegen, lockte mich schon lange Zeit. Die Geschicke des "Bösen Wolfes" wären wohl kein passender Vergleich, um die starken Triebe zumindest dieses einen "Abweges" zu erklären. Es war ein ganz banaler Blick auf die Topographie der Wanderkarte im heimischen Stübchen, der mich darauf so unversessen neugierig machte. Ob die darin "geborenen" Erwartungen auch ihre Erfüllung fanden, auch dazu muss der Leser hier ein weites Stück vordringen :-) !


1986 überredete mich André, mit ihm im Sommer nach Rumänien zu reisen, nichts ahnend, was dies in mir auslösen würde. André lernte ich im Krankenpflege-Fernstudium kennen. Beide waren wir recht ironische Witzbolde und hatten zugleich bei schriftlichen Prüfungsarbeiten eine unglaubliche Gabe entwickelt, unsere Sehorgane betreffend. Dabei schaute das dem Nachbarn abseitige Auge auf´s Papier und das ihm nahe Auge blickte konzentriert auf das, was der jeweils andere wohl zu dem anderen Papier bringen würde. So fielen unsere Arbeiten manches Mal recht gleich aus, aber es gelang uns auch immer, des Lehrers Verdächtigungen im Nachhinein auszulöschen. Eine solch bewährte Partnerschaft konnte für einen Rumänienausflug ja nur ein Ideal sein.

André wollte in der Hauptsache alte Freunde in Valea Viilor (Wurmloch) besuchen und er stellte mir - als Anreiz sozusagen - den zweiten Teil der Reise zur Auswahl frei. Natürlich schaute ich daheim in meinem jugendlichen Ungestüm in den alten Schulatlas ... schnüffel schnüffel ... aha, hier ist Rumänien ... die Karpaten ... und dort schienen die höchsten Berge zu sein ... wie heisst das Gebirge dort ? .... Faaagaaaraasch. Und damit begann eigentlich all das, was kein Ende zu finden scheint. Nun, wie auch immer, alles kam wie es kommen musste und wir starteten von Avrig aus ins Fágáras-Gebirge, hinauf nach Cabana Barcaciu, weiter zur Cabana Negoi, über den Negoi-Gipfel und weiter zum Bâlea-See, wo wir nach einigen Tagen wieder über Bâlea Cascada abstiegen. Mit leichten Stoffturnschuhen bewältigten wir wie junge Gemsen selbst das Geröllfeld zum Negoi hinauf. Das Wetter bescherte uns beste Aussichten und Enttäuschungen jeglicher Art blieben vollständig aus. Das also war Rumänien und ein Stück vom Fágáras. Mit solch Stückwerk verhält es sich ähnlich mit jenem einer deftigen Torte. Man will mehr davon und so stand das 88er Jahr im Zeichen eines weiteren Stückchens der "Fágáras-Torte". Diesmal war´s geplant, von Zárnesti aus einzusteigen. Dazu aber später noch einige Episoden.

Derweil sind einige Jahre vergangen, in denen ich mich anderen Regionen der rumänischen Karpaten zugewandt hatte. Dennoch, ging es mir nicht aus dem Hinterkopf, das Fágáras erneut zu bewandern. Auch deswegen, weil auf der 88er Tour manches anders kam als geplant :-) ! Aber ich wusste natürlich, dass die damaligen Veränderungen unmittelbar mit meinem neuen Wanderkumpan in Verbindung standen. Darum also wollte ich die neue Fágáras-Tour in jedem Falle solo machen. Freilich, hätte André Zeit gehabt, dann wären wir sicher zu zweit des Wegs gegangen, aber bei ihm ging es aus familiären Gründen nicht und ein Risiko mit einer anderen Person wollte ich nicht eingehen. Überhaupt hatte es sich in den zurückliegenden Jahren erwiesen, dass es durchaus von Vorteil ist, Rumänien allein zu bereisen. Man nimmt alles viel intensiver wahr.

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Die Anreise und "aclimatizare"

09.08.-10.08.1993

Es war ein Monatg, aber der Tag selbst wurde erst auf seinen letzten Minuten bedeutungsvoll, denn um 23:52 Uhr startete mein Zug von Berlin-Lichtenberg in Richtung România. Das Abteil teilte ich mit einem Rumänen, vom Alter her war er so um die Fünfziger. Er hatte seinen Sohn in Hamburg besucht, welcher dort seit drei Jahren mit einer deutschen Frau verheiratet ist.

Mein Abteilmitbewohner führte mehrere grosse Taschen, einen Koffer und einen riesigen Karton mit sich. Einmal wurde es hektisch in der Kabine, als der rumänische Freund seine Zigaretten nicht fand. Dabei hätte er doch genug davon im Gepäck, aber wo??? Nach etwa 10 Minuten war der Fund vollbracht und ich muss gestehen, dass ich selbst zur Osterzeit niemals hab ein Kind so emsig nach etwas suchen sehen.

Kurz vor Mitternacht erreichten wir pünktlich den Bahnhof in Deva. Würde mein Freund Dorin am Bahnhof sein? Er war da, zusammen mit Herrn Stanciu und auch Dorins Schwager, der Sergio aus Deva war dabei, was bedeutete, dass es keine sofortige Weiterfahrt nach Pui gibt, sondern einen kulinarischen Verbleib in Deva. Sergios Frau hatte dann auch schon kräftig aufgetischt.

11.08.1993

Wir befanden uns immer noch am nahtlosen Übergang vom Vortag, als gegen 2 Uhr in der Frühe das Telefon klingelte. Es war Stancius Frau in Pui, die wissen wollte, wann wir zum Abendessen eintreffen werden. In Pui angekommen, erwartete mich eine weitere Überraschung: Der Robert, mein Freund aus Cluj, ist momentan bei Dorin zu Gast. Robert, der ja in der Mineralogie der Universität Cluj-Napoca arbeitet, war hier mit einer deutschen Gaststudentin aus der Gegend um Tübingen. Die Unterkunft beim Dorin bot sich an, weil die Geologen Gesteinsproben aus dem Retezat holen wollten. Na ja, jedenfalls dauerte meine Bettruhe dann von 4 - 11 Uhr an.

Schliesslich hiess es Mittagessen bei Stanciu´s und anschliessend Rundgang durch Pui und schaun, wer wo warum mit wem in welcher Kaffeebar sitzt. Zum Abend traf bei Dorin weiterer Besuch ein. Noch ein Geologe aus Cluj-Napoca und ein weiterer Gaststudent namens Franz. Irgendwie traf auch Herr Staciu ein, ein weiterer Frend aus Petrosani und eine Bekannte aus Ohaba Ponor. Das Resultat, gewürzt mit einem 4-Liter-Plastikbehälter eines allseits bekannten Getränks, incl. bester Verpflegung, für welche Dorins Frau sorgte, durfte sich sehen lassen - eine Party bis 4 Uhr in der Frühe des nächsten Tages.

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Das "Vorspiel"

12.08.-13.08.1993

Robert und Daniela wollten ja heute einen Tagesausflug ins Retezat-Gebirge machen. Nun, für mich, der ja die nächsten Tage ins Fágáras aufbrechen wollte, war es eine nur zu passende Gelegenheit, mich damit einzustimmen, in dem ich mich den beiden anschloss. Also ging es gegen 11 Uhr mit Robert´s Auto auf nach Cârnic. Dann hiess es zu Fuss zu gehen, zunächst weiter hinauf zur Cabana Pietrele.

Nach einer kleinen Pause bei der Cabana machten wir uns wieder auf den Weg, vorbei an den Wasserfällen des Valea Stânisoara bis hinauf zum Lacul Stânisoara. Das Wetter war einfach klasse, blauer Himmel und gute Fernsicht, nur die Zeit war schon etwas vorangeschritten. Dennoch waren wir so begeistert und entschlossen uns den Vf. Retezat zu besteigen. Wir blieben lange auf dem Gipfel. Derweil war es schon kurz vor 20 Uhr. Aus Zeitgründen nahmen wir dann nicht den längeren Rückweg, sondern stiegen an einer Stelle des Gipfels über sehr steiles Geröll ab zum sich fortsetzenden Kammverlauf der Muchia Lolaia. . Allerdings führt hier der Weg nur über blosses Bruchgestein und ich machte dabei die Erfahrung, dass eine angehende deutsche Geologin nicht in allen Fällen Steine mag. Danielas Unruhe war freilich nicht unbegründet und wir schafften es nicht mehr, vor Einbruch der Dunkelheit die Baumgrenze nach Pietrele zu durchschreiten. Freilich aber hatten wir einen unglaublich schönen Sonnenuntergang. Wer sonst hat jemals um diese Zeit hier oben einen Sonnenuntergang erlebt.

Robert wollte erst oben auf dem Kamm die Nacht verbringen, aber nun waren wir eh am Waldrand angelangt, in der Hoffnung, diesen noch bis Cabana Pietrele zu duchschreiten. Zu spät, nichts ging mehr. Der Wald erschien vor unseren Augen nur noch als eine schwarze Wand und so schlugen dort unser Lager auf das keines war. Robert und Daniela hatten nicht einmal eine lange Hose dabei und auch sonst verfügten wir weder über eine Taschenlampe, noch etwas zu Essen, ... Nur ein Feuerzeug hatte Robert zu allem Glück dabei. Das Essen war weniger ein Problem für uns, denn wir waren ja noch von Pui her beinahe übersättigt. Es hätte wohl an die zwei Wochen gebraucht, bis wir verhungert wären.

Mittlerweile war es vollends dunkel, bei klarem Sternenhimmel und Robert hatte uns schon etwas Bedeutendes angekündigt, nämlich viele viele Sternschuppen für diese Nacht. So kam es auch. Neben den Himmelslichtern war uns aber auch danach, mit dem verfügbaren Feuerzeug ein wärmendes Feuerchen zu entfachen. Aber da suche mal einer in völliger Dunkelheit Brennholz. Mit ausgestreckten Armen tasteten wir den Boden ab. In den Wald hinein, konnten wir nicht riskieren. Die Gefahr, sich dabei ein Auge auszupieksen wäre wohl zu gross.

Der Morgen nahte und allmählich traten die Kontraste des Waldes hervor und auch das viele Brennholz, welches sich um uns befand! Egal, immerhin hatten wir ein ganz kleines Feuerchen für ein Stündchen zustandegebracht und auch etwa eine Stunde hatte ich wohl geschlafen. Wichtige Hoffnungsparameter waren somit erfüllt :-) ! Nun konnten wir endlich nach Cabana Pietrele absteigen und weiter nach Cârnic.

In Pui angekommen, tischte Ani uns erst einmal ein deftiges Frühstück auf. Anschliessend schliefen wir bis zum Mittag. Am Nachmittag bin ich dann mit Dorin zum Strei-Fluss gegangen und hab ihm beim Angeln zugesehen. Der Abend stand im Zeichen erfolgreicher Problembewältigung. Kurz nach meiner Ankunft in Rumänien brach bei der rumänischen Bahngesellschaft CFR ein Generalstreik aus, der noch immer anhielt. Bis auf die internationalen Züge, verkehrte nun schon einige Tage kein einziger Zug mehr im gesamten Land. Herr Stanciu hatte derweil an mich gedacht und sich bereitgefunden, mich mit dem Auto nach Turnu Rosu zu fahren.

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Es naht das Fágáras-Gebirge ...

14.08.1993

Gegen 9 Uhr bin ich erwacht. Robert und Daniela fuhren heute nach Cluj-Napoca zurück. Gegen 15 Uhr kam Ani von der Arbeit und natürlich durfte auch ich nicht eher die Abreise antreten, bis ich gut gegessen hätte!!! Gegen 16 Uhr starteten dann Herr Stanciu, Dorin und ich in Richtung Muntii Fágáras. Wir fuhren über Hateg - Simeria - Sebes - Sibiu. In Sibiu kam plötzlich eine grosse Polizeieskorte an und alle Autos mussten am Strassenrand halten. In einer Staatskarosse konnte ich einen hohen kirchlichen Würdenträger ausmachen. Herr Stanciu meinte, dass dieser wohl zwischen dem Staat und den streikenden Eisenbahnern vermitteln wolle.

Zum Abend durchfuhren wir dann den Ort Turnu Rosu. Über eine Nebenstrasse fuhren wir dann in den Wald hinein. Viele Zigeuner wohnten hier in Turnu Rosu und das Leben auf der Dorfstrasse pulsierte gleich einer Einkaufsmeile in Berlin zur Hauptgeschäftszeit. Nach einem weiteren Stück des Weges kamen wir an einem Forsthaus vorbei und gelangten wenig später an eine Waldlichtung. Diese Nacht wollten wir ja alle zusammen hier campieren. Ein Feuer brauchten wir nicht zu machen, das hatten schon zwei Rumänen bereitet, die hier das Wochenende zusammen mit ihren 5 Hunden verbrachten. Wir gesellten uns dazu und so ergab sich daraus eine recht illustre Runde. Es fehlte nicht an gutem Essen und auch nicht am Verdauungstropfen - auch ausserhalb der Essenszeit!

  Karte: Muntii Fágáras (Fogarascher Gebirge) und Umland (718 KB)

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Der Tag des Aufstiegs ...

15.08.1993

Punkt 10 Uhr war das Säckerl geschnürt und auch Dorin und Herr Stanciu hatten das Auto für die Rückreise klar gemacht. Nun blieb uns nur noch ein herzlicher Abschied, wenn auch nicht von Dauer. Am Abend zuvor nämlich meinte Herr Stanciu, wenn ich so lange im Fágáras verbliebe, dann könne das nicht sein, ohne dass ich zwischenversorgt würde, mit neuem Speck und neuem Schnaps aus Comuna Pui. So überlegten wir, wo in etwa ich zwei Wochen später sein würde und einigten uns auf Cabana Sâmbetei. Das war mir ganz lieb, denn so gab es einen Grund, zwischendurch in ein weiteres Tal ein Stück abzusteigen.

Ich begann nun endlich mit dem Aufstieg ins Gebirge. Die Forststrasse endete nach ca. einer Stunde und ein Hirtenpfad (Markierung rotes Kreuz) stieg steil an. Mit meinen 30 kg auf dem Buckel hatte ich für den heutigen Tag etwa 1100 Höhenmeter zu überwinden und ging die Tour genüsslich an. Nach etwa eineinhalb Stunden hatte ich zu meinem Erstaunen hier bereits die Baumgrenze überschritten und befand mich fortan in übersichtlichem Gelände. Es war strahlend blauer Himmel und kein einziger Wanderer kam mir entgegen. Nur einen Hirten traf ich, der ebenfalls allein ins Tal abstieg. Ein Stück höher wäre die Stâna und ich könnte dort übernachten. Aber ich wollte an diesem Tag doch noch ein Stück weiter, bis kurz unterhalb des Vf. Suru. An dem Punkt, wo vom Kammweg (rotes Band) der absteigende Pfad zur Cabana Suru (rotes Dreieck) abzweigte, machte ich eine weitere Pause und hielt Ausschau nach einer Quelle. Nur wenige hundert Meter weiter, direkt nahe dem Abhang des Vf. Suru, wurde ich auch fündig und baute auf leicht abschüsssigem Gelände mein Zelt auf.

Zum späten Nachmittag bereitete ich mir einen Kaffee und beobachtete eine Schafherde, wie diese den steilen Hang des Suru zu mir hinabstieg. Mit einem der Hirten machte ich noch ein kurzes Pläuschchen und er erzählte mir, dass während der Zeit des Eisenbahnerstreiks kaum Wanderer im Gebirge sind. In der Tat hatte ich davon am heutigen Tag keinen einzigen gesehen. Das Fágáras im Monat August für mich allein, dass war schon etwas Einzigartiges, was möglicherweise die nächsten Jahrzehnte sich nicht mehr wiederholen würde. Noroc, und ich nahm einen ersten wohlverdienten Schluck aus der "Medizinflasche".

Die abendliche Sicht von meinem einsamen Zeltplatz aus war irre schön und reichte bei dem klaren Wetter bis weit in die Tiefebene hinab und ich dachte zurück an das 89er Jahr, wo ich hier mit dem Frank aus Thüringen nach Sebesu de Sus abgestiegen bin. Ein erhabendes Gefühl war das, zu wissen, dass diesmal hier nichts enden wird, denn eher beginnt. Oh wie war ich rundum zufrieden!

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Heute nur ein kurzes Stück und auch am nächsten Tag.

16.08.1993

Viel zu kurz sind der Frank und ich 1989 einst hier am Avrig-See verweilt und so war es für mich unumgänglich, dass ich diesmal dort das Zelt aufschlagen würde. Das bedeutete eine kurze Tagestour von nicht mehr als drei Stunden Laufzeit. Ich ging erst spät los und erreichte gegen 14 Uhr den Lacul Avrig. Nahe der Saua Avricului schaute ich auf den verlassenen Bergsee, an dem sich sonst zu dieser Jahreszeit viele Zelte befinden würden. Wo also wäre wohl das schönste Plätzchen für mich? Klar, direkt am vorderen Auslauf vom See, nahe des steilen grasbewachsenen Abhangs. Der Blick von hier war in alle Richtungen ergiebig und schnell war das Zelt errichtet.

Nach ausgiebiger Kaffeepause machte ich mich noch einmal auf eine kleine Tour hinauf zum 2427 Meter hohen Ciortea-Gipfel und genoss die Aussicht. Ein paar Wolken zogen auf und ich ging zurück zum Zelt.

17.08.1993

Gegen 10 Uhr bin ich nach einem ergiebigen Frühstück mit Sonnenschein und schöner Aussicht samt Gepäck aufgebrochen. Nahe Piscul Gârbovei machte ích noch einmal eine kleine Pause und genoss den herrlichen Ausblick auf den fernen Lacul Avrig. Der Weg führte weiter über den Scara-Gipfel (2306 m) und bei Saua Scárii nahm ich dann den Abzweig nach links ins Tal der Serbota (Markierung: blaues Kreuz) und wenig später war das Tagesziel, die Cabana Negoi gegen 14 Uhr erreicht. Die malerisch gelegene Cabana befindet sich auf einem kleinen Bergvorsprung und bietet schöne Ausblicke auf den Negoi-Gipfel. Und wieder war ich mehr als erstaunt, auch hier nur wenige Wanderer anzutreffen. Ich quartierte mich zunächst ein.

Unter den wenigen Gästen befand sich auch ein Deutscher aus dem diplomatischen Dienst in Bukarest, welcher hier mit zwei Freunden auf Wanderschaft war. Der eine, ein Rumäne aus Sibiu und der andere, ein weiterer Deutscher aus Hessen. Zum Abend unterhielten wir uns dann ausgiebig über dies und das, Rumänien betreffend. Den Nachmittag aber nutzte ich zuvor noch für einen kleinen Ausflug ohne Gepäck ins obere Valea Sárátii und kraxelte ein wenig nahe dem dortigen Wasserfall umher. Der Blick aus dem oberen Tal hier ist recht beeindruckend, fast 1000 Meter Gestein des Vf. Negoi baut sich hier vor einem auf. Der Kontrast zu dem hier oben auslaufenden Bergwald bereichert die Aussicht zusätzlich.

Zum Abendbrot ging ich gegen 20:30 Uhr in den Speisesaal der Cabana und gönnte mir einen Tee, eine Suppe und Rinderbraten für zusammen exakt 1000 Lei. Das Bier kostete hier derzeit zwischen 700-800 Lei und der Preis für eine Übernachtung belief sich auf 4000 Lei. Später unterhielt ich mich noch etwas mit den drei anderen Wanderfreunden. Der Rumäne unter ihnen war einige Jahre in der hiesigen Salvamont-Gruppe aktiv. Er erzählte, wie eines zurückliegenden Winters bei Strunga Dracului ein Ehepaar durch eine abgehende Lawine mitgerissen wurde. Der Mann blieb verschollen und die Frau gelangte nach drei Tagen mit erfrorenen Fingern zur Cabana Negoi. Erst im Krankenhaus in Sibiu erfuhr eine Krankenschwester davon, dass der Mann der Verletzten noch irgendwo liegen müsse. Die Salvamontgruppe zog erneut los und fand den Mann erfroren oberhalb des Lacul Calzun - "steif wie ein Brett"!

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"Sus sus sus la Munte sus" - nun alle Tage!

18.08.1993

Die heutige Tagesetappe war nicht sonderlich lang, aber es gab zunächst 1000 Höhenmeter zu überwinden. Gegen 9:30 Uhr machte ich mich auf den Weg. Ab dem kleinen Wasserfall im oberen Valea Sárátii ging es dann kontinuierlich über grosses Bruchgestein steil bergan. Nach drei Stunden hatte ich den Gipfel des 2535 Meter hohen Vf. Negoi erreicht. Keine Menschenseele hier oben. Über eine Stunde genoss ich den Ausblick auf die umgebenen Gipfel. Die Sicht war nicht sonderlich klar, aber auf den nahen Cálzun-See hatte ich einen schönen Blick.

Der anschliessende Abstieg durch die "Stunga Dracului" verlief beinahe mühelos und machte wieder einmal richtig Spass. Unten angekommen, muss man in Richtung Lacul Cálzun steil abfallenden Fels überqueren. Teils befand sich auch hier ein Drahtseil zum Festhalten. Dennoch rutschte ich aus und verdrehte mir dabei das rechte Bein. Das Gelände hier ist durch die hohe Frequentierung sehr speckig und glatt. Nach kurzer Pause, der ich des Schmerzes gedachte, setzte ich den Fussmarsch aber fort und erreichte wenig später den Cálzun-Bergsee. An seiner rechten Seite steigt eine steile Felswand des Vf. Cálzun empor. Ein beeindruckender Ort, aber auch einer der kältesten, wie es mir auch schon auf zwei Touren der Jahre 1986 und 1989 aufgefallen war. Auch diesmal stiegen kalte Winde aus dem Tal hier empor. Kaffee gab´s somit im schützenden Zelt.

Nahe meines Platzes zeltete noch eine Gruppe Rumänen. Zum Nachmittag machte ich noch eine kleine Tour talwärts und als ich zurückkam waren die Rumänen am Packen. Ein Wanderer der von Bâlea Lac kam, erzählte ihnen, dass es einen Wetterumschwung geben sollte und so wollten sie am heutigen Tage noch schnell hinüber zur schützenden Cabana bei Bâlea Lac. Auch hier gab es ja eine tonnenförmige Wellblechhütte, die mit den Jahren aber sehr zerfallen war. Auch gab es hier wie in den Jahren zuvor keine dauerhaft anwesende Salvamontgruppe mehr. Das war eigentlich schade, denn die Leute vom Bergrettungsdienst hatten hier früher auch sehr auf Sauberkeit geachtet - mit grossem Erfolg.

Ich richtete mich indes wieder in meinem Zelt ein und hatte keine Sorge diesen Ort heute verlassen zu müssen. Auf mein Zelt war Verlass und auch sonst hatte ich hier fliessend Wasser und Lebensmittel, die zur Not gut zwei Wochen langten. Aber selbst bei schlechtem Wetter ist der Weg hinüber nach Bâlea Lac nicht unbedingt beschwerlich und lang. Zum Abend schwebten dichte Wolken in das obere Tal und mit der Sicht war es für diesen Tag wohl vorbei. Mein Blickfeld war aber eh für diese Tageszeit auf den Kochtopf gerichtet! Es brutzelte und duftete nach Knoblauch und in meinem kleinen Weltempfänger spielte rumänische Folklore, während am Zelt die Fallwinde zupften.

19.08.1993

Ich erwachte bei schönem Wetter und ging den Tag gemächlich an. Für den Weg hinüber nach Bâlea Lac braucht man nur etwa drei Stunden. Gegen Mittag erst brach ich dann auf. Oben bei den prägnanten Bergzacken, wo man in das Tal des Bâlea Lac einsehen kann, verblieb ich noch etwa eine Stunde, bis Wolken in das Tal zogen. Gegen 16:30 Uhr war ich am Ziel, der Cabana Bâlea Lac. Ich meldete mich für eine Nacht an und bezog Quartiert in Zimmer 5. Gegen 18:30 Uhr füllte sich die Cabana langsam und ich kam in der Kantine mit anderen Wanderern ins Gespräch.

Schliesslich machte ich noch einen kleinen Spaziergang und setzte mich danach erneut in die Kantine zu drei weiteren Wanderern. Zwei von ihnen waren Rumänen und einer kam gar aus Neuseeland. Ja Neuseeland, dass hatte mich auch schon interessiert. Hatte mir auch einige Reiseführer zugelegt und liebäugelte schon etwas mit dem Land. Nach dem fleissigen Studium der verfügbaren Literatur kam in mir dann aber eher eine Enttäuschung auf darüber, wie sehr das Land schon vermarktet ist. Im Vergleich zu Island schien dort kaum eine vulkanische Hochthermalzone betretbar zu sein, ohne Eintrittsgebühr und mit einigen bekannten Höhlen dort verhielt es sich nicht anders. Sicher, die Landschaften dort sind sehr schön, aber das sind sie halt auch woanders. Ich erzählte dem Neuseeländer was mein Empfinden über sein Land sei und er antwortete mir dahingehend: "Was denkst Du warum ich hier bin!" Nun, so waren wir uns beide darüber im Klaren, an der richtigen Stelle auf dieser Erde zu sein und stiessen darauf mit einem Tuicá aus meinem Privatbestand an - Noroc! Dabei blieb es aber nicht und zwei Flaschen Wein folgten hinterher.

20.08.1993

Um 9:30 Uhr verabschiedete ich mich von meinen gestrigen Freunden und augenblicklich begann die Tour mit steilem Aufstieg direkt zum Gemsensee (L. Capra). Der See liegt in einer Höhe von 2300 Meter und ist mit seiner Oberfläche von 18340 m² zugleich der grösste Bergsee der Südabhänge des Fágáras. Während des Aufstiegs zum See, gönnte ich mir noch einmal eine Pause und schaute hinunter zu der traumhaft gelegenen Cabana Bâlea Lac.

Auf dem Weitermarsch vom Caprasee in Richtung Vf. Arpasu Mic, kam ein Hirte mit einem prächtigen Schafbock auf mich zugelaufen und bat mich, ein Foto von ihm und dem Schaf zu machen. Keine Frage, ich hab den Herrn Ion Ungurianu natürlich gern aufgenommen, zumal er in seinem Gesicht unglaublich gütig daherblickte. Dem Schafbock gefiel das alles nicht so sehr und so hatten wir betreffs eines gemeinschaftlichen Fotos doch alle Mühe.

Während ich mich noch mit Ion unterhielt, kamen zwei weitere Wanderer des Wegs, es waren die Corina Berkesy und ihr Mann, welche hinüber nach Cabana Podragu wanderten. Nun, so hatten wir ein und dasselbe Tagesziel und setzten die Tour gemeinsam fort. Die beiden stammen aus Bistrita und machen hier einen Kurzurlaub. Während der Wanderung unterhielten wir uns über die verschiedenen Bergregionen der rumänischen Karpaten und immer wieder bei solchen Gesprächen, fällt einem dabei die grosse Verbundenheit der Menschen hier zu ihrer Natur auf.

Am "Fereastra Zmeilor" (dem Drachenfenster), machten wir eine kleine Fotopause und schliesslich eröffnete sich im weiteren Verlauf der Wanderung der Blick auf den prägnanten Gipfel des Vf. Moldoveanu. Aber dieser sollte noch nicht das Ziel des heutigen Tages sein. Gegen 15 Uhr stiegen wir vom Kamm hinunter zur Cabana Podragu, welche auf einer Höhe von 2136 m liegt. Beim Abstieg kamen wir an einem kleinen Bergsee vorbei, an dem sich einige alpine Feuchtgewächse gerade in schönster Blüte befanden. Weiter unten , nahe der Cabana, liegen die beiden Bergseen Podragu und Podragu Mic, inmitten eines zerklüfteten Bergkessels. Die Oberfläche des Podragu-Sees beträgt 28550 m² und seine Tiefe beläuft sich auf beträchtliche -15,5 m. Interessantes findet sich übrigens am Südufer vom Podragu-See, an dem der Fels zum Hauptkamm emporsteigt. Eine hier endende Felsrinne hat einen kleinen Erdwall im See angehäuft, in dem sich ein ganz kleines abgegrenztes Gewässer bildete. Wahrscheinlich entstand dies durch angehäufte Eismassen, die gleich einem Gletscher, den Gesteinsschutt in den See vorgetrieben haben, wobei nach Abschmelzen des Eises eine Vertiefung unterhalb des Wasserpegels übrig blieb.

Es war kalt hier oben bei Cabana Podragu und hereinziehende Wolken verdrängten zunehmend die Sonne. Wir quartierten uns in der Cabana ein. Bei der dunklen Dachstube mit ca. 10 Schlafplätzen wäre mir mein Zelt beinahe lieber gewesen, aber egal, nun war ich einmal hier. Ich erkundete anschliessend noch ein wenig die Umgebung und beobachtete eine heraufkommende Eselkarawane, welche Nachschub für die Cabana transportierte. Vorrangig handelte es sich dabei um Lebensmittel, aber auch zwei Bierkästen, Weinkisten und Gasflaschen konnte ich ausmachen. Es war schon ein witziger Anblick, dieser Transport. Ob wohl alle Wanderer wissen, wie mühsam hier alles hinaufgelangt?

Zum Abend fanden sich viele Wanderer im Gastraum ein und auch der Neuseeländer war wieder dabei. Zudem gesellten sich zwei Schweizer hinzu, die aus Richtung Iezer-Pápusa-Gebirge kamen. Sie wirkten irgendwie sehr bieder und steif, waren in ihrer Art aber sehr zugänglich und sicher neigt man schnell dazu, solche Menschen sehr zu unterschätzen. Das äusserst ausgeglichene Gemüt der beiden war mir sehr sympatisch. In diesem Jahr fällt es mir besonders auf, dass sich allmählich mehr Menschen aus Westeuropa für die rumänische Bergwelt interessieren. Hier gibt es zwar nicht den Standard westlicher Infrastruktur, dafür aber gibt´s mal eine Einladung in eine Hirtenhütte und viel mehr Urtümlichkeiten jeglicher Art. Ein Tausch der in jedem Falle lohnt, will man wenigstens im Urlaub einmal Abstand von den ganzjährigen Lebensgewohnheiten nehmen!

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Heut soll´s der Höchste sein und noch ein neues Ziel!

21.08.1993

Gegen 10 Uhr startete ich von Cabana Podragu und verweilte zum Fotografieren noch einmal an dem kleinen versumpften Bergsee mit den schönen Blumen. Der Kammweg war schnell erreicht und ich setzte die Tour bei schönem Wetter fort. Die Fernsicht war prima wie auf keiner der Touren auf diesem Abschnitt je zuvor. Voller Ehrfurcht verblieb ich kurze Zeit vor dem eisernen Kreuz des einst hier verstorbenen Marian Ciornei und dachte darüber nach, durch was er hier wohl zu Tode gekommen sei. Möglicherweise ist er von einem Blitz getroffen worden, oder auf einer Wintertour hier erfroren.

Der Kammweg war in seinem weiteren Verlauf mit eher sanften An.- und Abstiegen versehen. Der Gipfel vor dem Vf. Moldoveanu war sehr beeindruckend wegen seiner nach Norden steil abfallenden Wand. Hier umgeht man den Gipfel rechtsseits. Ein Stück vor mir wanderte eine ziemlich grosse Gruppe junger Leute aus Bukarest, welche von Cabana Podragul aus mit kleinem Gepäck zum höchsten Gipfel des Fágáras wollte. Ich hatte sie schnell überholt und vor dem eigentlichen steilen Anstieg bei Saua Orzanelei (2305 m) machte ich eine kleine Pause. Von hier geht es dann sehr steil hinauf zur Vistea Mare (2527 m). Während ich eine Pause einlegte, hatten mich die ersten zwei Burschen der Jugendgruppe wieder ein und sie schienen voller Schaffenskraft. Sie klopften mir freundlich auf den Rücken und gaben mir etwas zu Trinken. Dann aber schienen sie in Eile und stiegen eilig empor, während die anderen jungen Leute ebenfalls eine Pause machten.

Ich hatte mein grosses Gepäck wieder über und machte mich nun auch mit konstantem Schritt auf den steilen Weg. Auf halber Höhe hatte ich die beiden Heissblüter wieder ein, klopfte ihnen ebenso freundlich auf den Rücken, wünschte ihnen ein "drum bun" (guten Weg) und setzte den Weg fort. Oben auf der Vistea Mare (2527 m) angekommen, trennten mich nur wenige Meter vom höchsten Punkt, dem Vf. Moldoveanu mit seinen 2544 Metern. Über eine kleine Kletterpassage gelangte ich schnell dorthin und verblieb lange Zeit auf dem höchsten Gipfel Rumäniens. Von den jungen Leuten erfuhr ich, dass der Generalstreik der rumänischen Eisenbahner nun zu einem Ende gekommen sei.

Während meiner ausgiebigen Pause auf dem Moldoveanu genoss ich den Weitblick in alle Richtungen. Besonders der ferne Cálzun-Gipfel schaute von hier aus recht imposant aus. Blickt man aber in südliche Richtung, dann ist man beinahe etwas enttäuscht, denn der sich hier fortsetzende sanfte und grasbewachsene Bergkamm in Richtung des 2485 Meter hohen Vf. Piscul Rosu war alles andere als imposant, trotz grossartiger Fernsicht. Aber hier entlang sollte es in meine "Traumwelt" gehen, eine Landschaft, die ich mir lange Zeit auf der Landkarte daheim zurechtgedacht hatte an Hand der Topografie ... und nun??? Egal, zu oft hat mich das in Gedanken bewegt und ich machte mich also auf den Weg, fernab der Touristenpfade des Fágáras.

Hinter dem Vf. Piscul Rosu setzte sich ein sanft absteigender Kamm fort. Ein Stück weiter zweigte ein Kammausläufer nach links ab. Dort könnte doch eigentlich noch nicht der Gipfel des 2412 Meter hohen Vf. Galbena sein, schliesslich müsste dann ja auch links des Gipfels der Galbena-See zu sehen sein. Eine Schafherde näherte sich mir und wie all so oft lernte ich erst einmal die Hunde kennen. Fünf an der Zahl umgaben mich, und ich lief einfach ruhig weiter in Richtung des Hirten. Dabei lies ich die Arme hängen und wenig später schnupperte einer der Hunde auch schon an meiner Hand. Das war ein gutes Zeichen!

Bei dem Hirten erkundigte ich mich nach dem Galbena-See. Dieser schien merklich erfreut, dass ich dort mein Nachtquartier aufschlagen will und merkte an, dass auch er dort seine kleine Hütte hat. Ich musste nun nur noch über die eine Erhebung geradezu und dann wäre das Tagesziel erreicht. Sima Gheorghe verabschiedete sich von mir und ging mit den Schafen in die entgegengesetzte Richtung, aber zum Abend würde er zurücksein und eine schöne Mámáliga machen. Wenig später stand ich auf der Erhebung und war überwältigt. Der sanft aufragende Vf. Galbena geradezu, links davon ein riesiges Kar mit dem Galbena-Bergsee. Die Hirtenhütte sah ich zunächst gar nicht. Die Sonne brannte und ich stieg schnell hinab zum See und baute nahe dem Ufer gegen 16 Uhr mein Zelt auf. Die ganz kleine Hirtenhütte stand nur etwa 50 Meter von meinem Zelt entfernt. Am Seeufer standen viele Lupinen in voller Blüte.

Endlich Kaffeepause mit den Beinen im kühlen Wasser des Lacul Galbena. Eine unglaubliche Ruhe lag über der Landschaft und trotz des beendeten Generalstreiks der Eisenbahner hatte ich einen menschenleeren Ort zum Verweilen. Vorerst jedenfalls, denn gegen 18 Uhr kam Sima mit den Schafen zurück. Die Hunde hatten mich als "Mitbewohner" längst akzeptiert und kümmerten sich nicht mehr um mich. Sima wollte wissen wie spät es sei, denn er wartete noch auf seinen Partner, der früh ins Tal abgestiegen ist.

Plötzlich schlugen die Hunde los. Aus der Ferne sah man ein Männlein emporsteigen und die Hunde wetzten dem entgegen. Ich sah wie das Männlein den schnellsten Hund mit der Jacke verjagen wollte und sah auch wie es keine einzige Sekunde dauerte, bis der Rest der Meute den armen Kerl zu Boden gerissen hatte. Oh heidewitzka, war das ein Gebell, eine Aufregung und Hektik mitten hinein in die bisher so ruhige Szenerie. Sima ist währenddessen mit dem Hirtenstock seinem Partner zur Hilfe gekommen und hat die Meute auseinandergetrieben. So etwas hatte ich noch nie erlebt, dass ein Hirte von den eigenen Hunden daniedergemacht wird. Später erfuhr ich, dass alle Hunde Sima gehörten und wie es schien: Wohl auch nur auf ihn hörten :-))) ! Nichts desto trotz hat Belu - so der Name des zweiten Hirten - keinen Zweifel aufkommen lassen, dass er hier das Sagen hat und keiner der Hunde wagte sich anschliessend auch nur in die Nähe der Hütte. Auch hatte Belu bis auf einen Dreiangel in der Jacke, die Rangelei recht unbeschadet überstanden. Nach einem gemeinsamen Schnäpperchen mussten wir dann auch schon darüber lachen - besser gesagt, er musste und ich konnte endlich :-)) !

Sima sprach kurz mit seinem Kollegen und machte sich dann noch einmal allein auf den Weg. Wo wollte er hin? Nach einer Stunde kam er zurück, mit einem Schaf auf dem Rücken. Es muss irgendwo abgestürzt sein und hatte sich wohl so etwas wie einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen. Die beiden Hirten schauten besorgt und deuteten an, dass man dem armen Schaf leider nicht mehr helfen könne. Belu zog sich die dicke Jacke aus und holte ein Taschenmesser aus der Hütte. Dann ging alles sehr schnell: Kehle durchgeschnitten, Schaf kurz zappel zappel, dann machte der Hirte an einem Bein des Schafes einen kleinen Schnitt und bliess dort Luft hinein, damit sich das Fell anschliessend besser lösen lässt und auch das geschah dann blitzschnell. Danach wurden die Innereien entfernt. Anschliessend löste der Hirte die Knochen aus, selbst die einzelnen Rippen wurden entfernt, das Fell anschliessend von der Innenseite her mit Salz eingestrichen und auch das Fleisch. Das alles geschah in exakt 15 Minuten!!! Ich war überwältigt. Einige Innereien stehen dem Hirten zu und so gab es neben der schon angekündigten Mámáliga nun auch noch einen deftigen Schafbraten. Sima hatte dazu noch Knoblauch in Essig zerrieben. LECKER!!! Auch ich stand nicht mit leeren Händen da und spendierte dazu noch einen deftigen Selbstgebrannten und Zigaretten und draussen über dem Galbena-See hängt ein praller Sternenhimmel. Das waren schon vorab erfüllte Träume - auch ohne jegliche Topografie :-))) ! Zu später Stunde wurde der "Rest" vom noch grossen Mámáligakuchen in fünf Teile zerschnitten und nun bekamen auch die fünf Raubauken noch ihre späte Tagesration.

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Heut gehn auch "topografische" Träume in Erfüllung!

22.08.1993

Den heutigen Sonntag ging ich in aller Gemütlichkeit an. Frühstück im Sonnenschein am Bergsee in aller Stille, denn die Hirten waren mit den Schafen schon früh wieder aufgebrochen. Gegen 11 Uhr stieg ich dann erst einmal zum nahe gelegenen Vf. Galbena auf und verschaffte mir einen regionalen Überblick. Dann wieder hinunter in das grosse Kar zum Galbena-See, wo ich dem dort entspringenden Bach talwärts folgte. In diesem Kar und einer etwas tiefer liegenden Terrassierung liegen noch mehrere kleine Bergseen. An einem hielten sich frei umherlaufende Pferde auf. Ich brauchte einige Zeit, mich ihnen zu nähern, dann aber liessen sich sich sogar von mir streicheln.

An einem Punkt fällt der Wasserfall über eine Kaskade in die Tiefe, wobei man diesen Punkt rechts umgehen kann. Ich stieg weiter ab, bis kurz oberhalb der Baumgrenze. Von hier aus hatte ich einen wunderschönen Einblick in das Endtal des Valea Rea - meinem Traumziel! Zu allen Seiten fallen die Bergflanken steil ab, vereinzelt ragen kräftige alte Zirbelkiefern aus den Baumzonen heraus und auch das Felsgestein leuchtete hier in ganz verschiedenen Farben. Ich wanderte weiter zum unteren Punkt der Kaskade und stieg ein Stück rechts daneben in einer steilen grasbewachsenen Rinne wieder empor. Hier sind scheinbar nie die Schafe hingekommen und so fand ich eine unglaubliche Artenvielfalt an Pflanzen vor, von denen ein Grossteil in der Blüte stand. Ich hielt mich an diesem Steilanstieg ewig auf und versuchte bei kräftig aufsteigenden Winden hier und da die verschiedenen Arten zu fotografieren.

Als ich über die Rinne emporgestiegen bin und an einem kleinen Plateau angelangte, traute ich meinen Augen nicht: Blaubeeren in Massen! Es war so die klassische Kaffeezeit und so haute ich richtig rein. Gegen 16 Uhr war ich wieder am Zelt. Alles war noch verlassen, nur einige Esel fristeten hier ein sorgloses Leben. Wem soll man danken für diese Schöpfung der Landschaft hier??? Klar, der Mutter Natur - NOROC!

Zum Abendbrot gab es heute auch wieder Mámáliga, aber in einer weit verfeinerten Form. Nachdem der Maisbrei fertig war, wurden daraus grosse Klösse geformt, mit Käse gefüllt und ab ging´s damit für kurze Zeit nochmals in die Glut des Feuers.

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Auch ein Abstieg ist ein lohnend Ziel!

23.08.1993

Gegen 9 Uhr hatte ich alles zusammengepackt und ging zu den Hirten auf ein letztes Frühstück hier oben. Noch einmal gab es Schafbraten mit Kartoffeln und Mámáliga hinterher. Eh das alles verputzt war, dauerte es bis gegen 11 Uhr und die Schafe sind mit den Wochentagen heut sicher etwas durcheinander gekommen. Nun aber hiess es abzusteigen ins Endtal des Valea Rea um auch die letzten Geheimnisse dieses Örtchens zu lüften. Ich folgte wieder dem Bach, welcher beim Galbena-See entspringt und stieg hinab bis zur Waldzone. Hier gab es zwei Möglichkeiten, entweder nach links ausweichen um über einen grossen Halbkreis ins Tal zu gelangen, oder aber den Hirtenpfad zu finden, welcher direkt durch den urigen Gebirgswald ins Tal führt. Ich fand den Pfad schliesslich und stieg steil hinab durch einen wahren Märchenwald. Dabei hörte ich im unteren Teil immer ein kräftiges Rauschen, welches von einem grossen Wasserfall herkam.

Im Tal angekommen, war ich ziemlich ausgelaugt, setzte den Rucksack ab und atmete zunächst tief durch. Sogleich erwartete mich auch eine kleine Überraschung. Ganz in der Nähe lag ein langer Felsklotz, welcher bis in den Bach hineinlangte. Die Ausmasse des Gesteins waren ca. 5 x 2 Meter. Das Gestein bestand aus verschiedenen Schichten, und es schaute aus, als hätte es ein Riese versucht zusammenzudrücken. Dabei sind die weicheren Gesteinsschichten an Oberfläche regelrecht hervorgequollen. Ich wusste ja schon aus der Literatur, dass hier in der Zone kristalliner Schiefer vorherrscht, aber dieser Stein ist damit nicht identisch und muss aus einer höher gelegenen Zone gebrochen und zu Tal gerollt sein. Es schaute in jedem Falle sehr interessant aus und sicher hat der Riese irgendwo hervorgelugt und sich eins gefeixt über meine Verwunderung.

Während der ausgedehnten Trinkpause kam ich so richtig zur Besinnung und dann wurde mir klar, was für ein unglaublich schönes Paradies mir hier zu Füssen lag. Links sah ich, nicht weit entfernt, eine wunderschöne grosse Hirtenhütte mit malerischem Hintergrund steil aufragender Felswände. Überall leuchtete das Rot der reifen Vogelbeerbaumfrüchte. All meine Erwartungen über dieses Tal, die ich mir in zurückliegenden Träumen so ausgemalt hatte, schienen schon jetzt erfüllt. Aber was so schön ausschaut, kann nur noch schöner werden und ich ging zunächst zur Stâna. Ein alter Herr trat heraus und wir begrüssten uns. Dann baute ich mein Zelt nahe der Hütte auf, unweit jener Kaskade, deren Rauschen ich schon beim Abstieg ins Tal vernommen hatte. Dann besuchte ich den Alten erneut in der Hütte. Ich spendierte eine Runde Kaffee und von dem Alten bekam ich ein grosses Stück Käse und Brot gereicht. Milch würde es erst zum Abend wieder geben.

Die Zeit verging wie im Fluge, der Abend nahte, mit ihm die anderen Hirten und alle Schafe, welche nun zum Melken ins Gatter getrieben wurden. Ich bot mich an zu helfen und die Schafe hinten im Gatter nachzutreiben. Als ich nach hinten ging, schnappte plötzlich einer der grossen Hunde kurz nach meiner linken Wade, allerdings so zart, dass nur eine kleine Rötung später verblieb. Sicher gehört dieser Hund zu jenen Profis, die auch unbeschadet ein rohes Ei zwischen den Zähnen halten können :-))). Ich drehte mich um und musste zweimal hinschauen, denn der Hirtenhund lag wie eine kleine Puppe vor mir auf dem Boden und blinzelte mich verschmitzt an. Da ich mir nicht vollends sicher war, ob der nur spielen wollte oder aber mir den Zugang zu den Schafen nicht gönnte, rief ich sicherheitshalber einen der Hirten herbei. Der Hund wusste in diesem Moment, dass es besser war zu gehen und ich kletterte nun hinten ins Gatter und trieb die Schafe vor. Nach knapp einer Stunde waren alle 400 Schafe gemolken und wir gingen in die sehr geräumige Hirtenhütte. Nun kam ich auch zu meiner frischen Milch!!!

Zum Abendbrot war ich natürlich eingeladen und erzählte dabei meine Erlebnisse der zwei Vortage, die mich oben bei der kleinen Stâna am Galbena-See so beeindruckt hatten. Als ich das mit dem Schaf erzählte, was da geschlachtet wurde, in sagenhaften 15 Minuten, da brach der älteste der Hirten in Gelächter aus und meinte nur - das schaffe er in 10 Minuten :-))) ! Ich glaubte ihm das auf´s Wort. Ich erfuhr auch, dass die Schäferhütten vom Lacul Galbena und jene hier unten zusammengehörten. Während sich oben am See nur die jungen Schafe bis zum zweiten Lebensjahr befinden, werden hier unten die Altschafe gehütet. Eine weitere Herde mit Jungschafen befindet sich oben im Kar unterhalb des Moldoveanu. Die meisten der Hirten hier kommen aus der Comuna Brádulet.

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Ein ganzer Tag im Rea-Tal!

24.08.1993

Beinahe Punkt 8 Uhr hat mich der kleinste der hiesigen 7 Hunde mit zartem Gebell geweckt. Anschliessend haben wir gemeinsam am Zelt gefrühstückt. Der älteste der Hirten, Petre, sass auch vor der Hütte und reparierte gerade eine der Tragetaschen, welche die Hirten hier für die Pferde verwenden. Nach dem Frühstück winkte mich Petre in die Hütte, denn nun wurde Käse zubereitet. Nach dem morgendlichen Melken der Schafe wurde die Milch mit der vom Vorabend zusammengeschüttet und dann über einem Feuer erwärmt. Ich fotografierte die ganze Prozedur von Beginn an. Als die Milch eine bestimmte Temperatur erreicht hatte, wurde eine gerinnungsauslösende Chemikalie hinzugegeben. Etwas später schöpften die Hirten mit einem Leinentuch die geronnene Masse aus der verbliebenen Flüssigkeit ab. Besonders gefiel mir die Vorrichtung, in der der Käse verdichtet wurde, um möglichst viel Wasser aus ihm noch herauszubekommen. Der in Leinen gefasste Käse kam in eine Holzwanne, welche an der Wand angebracht war. Darauf kam ein Holzdeckel und darüber wurde ein langer Holzhebel angesetzt, an dessen Ende ein schwerer Stein gehangen wurde. Nach einer Weile wurde der Käse nochmals per Hand zerkleinert und kam erneut in die Presse.

Es war bereits nach 10 Uhr und ich machte mich auf den Weg mit leichtem Gepäck, das obere Endtal zu erkunden. Dort nämlich fallen vom Kar unterhalb des Moldoveanu-Gipfels an dessen Ende über eine Steilstufe insgesamt drei Wasserfälle bis ins Endtal des Valea Rea. Die unterere Kaskade war unglaublich schön, weil hier das Wasser die Strukturen des kristallinen Schiefer in geschwungenen Formen herausgewaschen hat. Die Kaskade hier ist etwa 4-5 Meter hoch. Klettert man hier einfach geadezu etwas höher, so gelangt man zur zweiten Kaskade, welche etwa 7-8 Meter in die Tiefe fällt. Die einfallenden Sonnenstrahlen erzeugten dazu einen schönen kleinen Regenbogen. Die dritte Kaskade befindet sich knapp unterhalb vom Kar. Auch ein schmaler, in Serpentinen steil ansteigender Pfad führt hier hinauf. Das aber sollte mein Weg für den kommenden Tag erst sein.

Den Nachmittag nutzte ich für einen Spaziergang talwärts des Valea Rea. An einer Stelle weitete sich der Talgrund, welcher von riesigen Geröllbänken gekennzeichnet ist. Man bekommt einen schönen Eindruck darüber, was für Wassermengen hier zu Zeiten der Schneeschmelze abgehen. Eine einsame Holzhütte mitten im Tal, mit Blumen im Fenster. Geht man dort nach links, so gelangt man zu einer kleinen Schlucht. Ich watete ein Stück durch den Bach in die dunkle Schlucht hinein.

Der Nachmittag war noch nicht weit vorangeschritten und so entschied ich mich weiter talwärts zu wandern. Das bewaldete Tal wird wieder enger und man kommt auf einem Forstweg zügig voran. Gegen 16 Uhr stiess ich auf mehrere Baracken und Container und blieb dort hängen. Es waren Geologen, die hier im Rea-Tal Vermessungen machten, begleitet von weiterem Personal. Urgemütlich ging es hier zur Sache. Über einem Feuer wurden gerade leckere Speisen zubereitet und man betonte, dass mein Erscheinen die Rettung für alle Anwesenden wäre, weil man sonst das viel Essen nicht weg bekomme. Wer mich kennt weiss, dass ich in der Tat ein guter Gehilfe in solchen Dingen bin :-))) ! Gegen 19 Uhr verabschiedete ich mich von meinen neuen Freunden, um noch vor Einbruch der Dunkelheit am Zelt zu sein.

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Es schliesst der Kreis der Neugierde sich!

25.08.1993

Ich hatte Zeit, denn heute wollte ich sozusagen ja nur "Umziehen". Geradezu die steile Serpentine hinauf zum Moldoveanu-Kar mit Sack und Pack, das war das kurze Tagesziel. Ich schlief mich aus, da in der Nacht an Tiefschlaf nicht zu denken war, denn die Hunde hatten wohl alle Hände voll zu tun. Es kläffte aus wechselnden Richtungen und wer weiss, ob Bär oder Wolf es waren, die da für Aufregung sorgten.

Punkt 14 Uhr hatten ich den Bergsee im Kar erreicht und baute mein Zelt auf. Ein kleinerer Hirtenhund gesellte sich zu mir. Die Sonne schien gnadenlos und der arme Kerl hatte wohl alle Mühe damit. Von Zeit zu Zeit legte er sich in eine der nahen Wasserlachen. Ich genoss den Nachmittag hier oben in vollen Zügen und dachte zurück an das 88er Jahr, wo an selbiger Stelle eine meiner anstrengendsten Tagestouren begann:

Eigentlich sendete uns der Fágáraser Wettergott schon am Vortag ein Zeichen und ich weiss nicht mehr so ganz präzis, war es der 5. oder 6. Juli 1988. Wir befanden uns gerade auf dem Hochmarsch von Curmátura Zârnei in Richtung Vf. Leaota als in sprichwörtlicher Windeseile eine pechschwarze riesige Wolke uns entgegenkam. Man brauchte über keinerlei Erfahrung zu verfügen um zu wissen, dass da gleich was abgeht. In Rekordzeit hatten wir provisorisch das Zelt auf der völlig schutzlosen Hochweidefläche errichtet´, sind hinein und schon tat es einen Bums der uns regelrecht die Schuhe auszog. Dem folgte ein heftiger Hagelschlag und nach 10 Minuten war dem Spuk ein Ende. Wir packten das Zelt provisorisch zusammen und liefen noch bis zu einem der Bergseen unterhalb des Vf. Dara (2500 m). Zum Abend wurde das Wetter dann wieder richtig schlecht.

Den nächsten Tag wanderten wir weiter, bis zum Kar unterhalb des Moldoveanu-Gipfels. Grosse Kammbereiche waren noch schneebedeckt. Eine Wetterkurzbeschreibung des Tages: erst zum Nachmittag hin etwas Sicht, Kälte, Nässe, Regen, Sturm. Die alte runde Schutzhütte im Kar unterhalb des Vf. Moldoveanu war in dem Schnee kaum auszumachen. Erst als wir dort etwas abstiegen sahen wir einzelne Eisenträger im Schnee. Die Hütte muss von den winterlichen Schneemassen vollständig zerdrückt worden sein. Also bauten wir unser einwandiges Sommerzelt vom Typ "Fichtelberg / Alubeschichtet" dort im Schnee auf. Lausige Kälte, bedingt auch durch die hohe Luftfeuchtigkeit.

Noch immer aber waren wir guten Mutes und lobten den Kauf unserer dicken Plastik-Regenpelerinen. Zum Abend kam man kaum aus dem Zelt. Die Nacht wurde noch ungemütlicher und starke Fallwinde zu kontinuierlichem Schneeregen bewegten uns stets darüber nachzudenken, welches Glück wir hatten, dass beim letzten Windstoss das Zelt noch stand. Also dachten und dachten wir immer und immer dasselbe bis wir vor Erschöpfung und seelischer Zerrüttung einschliefen.

Den kommenden Morgen erwachten wir mit Füssen im Wasser. Die Fallwinde hatten den Regen in der Waagerechten durch die Lüftungsschlitze geblasen. Es gab keinen Zweifel, hier wollten wir nicht bleiben und packten. Wer wird als Erster ins "Orbit" steigen??? In jedem Falle nur mit der übergezogenen Plastik-Regenpelerine! Das gab uns einen mentalen Auftrieb, während mein Kollege noch nicht so ganz die rechte Anzugsordnung gefunden hatte. Er war am Sommer orientiert und hatte auch nicht einmal nur ein Bein einer langen Unterhose dabei. Da seine Jeans etwas weit waren, und auch der Wollpulli, kam die rettende Idee: ... Auch ein Wollpulli taugt als lange Unterhose!!! Dennoch, unter den gleichen Plastik-Regenpelerinen sah man uns diesen unterschiedlichen Bekleidungsstandard nicht an.

Dann ging es los, und alle Wetter die es gibt, ausser der Sonne, verschwendete der Fágáraser Wettergott an uns. Es regnete, hagelte, stürmte, schneite, ... Die Sicht war teils 0 und teils 0,5 und so sahen wir nicht einmal den Abzweig zur Cabana Podragul, die eh nicht in unserem Wissen vorkam :-))) ! Bâlea Lac war unser Ziel und zwei Männer mit so am Körper sich peitschenden Plastik-Regenpelerinen waren schliesslich nicht kleinzukriegen. Das liess den fágáraser Wettergott nur um so mehr erzürnen und nun blies er wohl gemeinsam mit seiner Göttergattin uns einen ein. Die Grate konnten wir nur in der Hocke überqueren und dann hat es uns auf einen Schlag so richtig umgehaun. Ich musste lachen, mein Freund nicht, beide standen wir wieder auf und gingen weiter. Ein Gewitter "heizte" uns ein und wir froren dabei und dann kam ein zweiter Bläserschlag und wir schlugen erneut zu Boden. Ich lachte wieder, mein Freund nicht. Aber immerhin, er sprach einige Worte: Wenn Du noch eenmal lachst, denn hau ick dir eene in de Fresse! Ich lachte nicht mehr und sprach auch nicht mehr, aber wir liefen weiter. Ich dann lieber vorweg, damit es ausgeschlossen werden konnte, dass mein Freund mich lachen sieht.

Unbeirrt haben wir uns vorwärts gekämpft und auch den Abschnitt "La trei pasi de moarte" (drei Schritte des Todes) lebend überwunden. Nach meinen heutigen Kenntnissen müssen wir uns bereits am Fusse der Creasta Arpáselului-Steilwand befunden haben, der sich als ein steiler Schotterhang nach unten hin fortsetzt. Wir sahen nur eine steil abschüssige Schneefläche mit nicht mehr so ganz intakten Plastik-Regenpelerinen. Mein Wanderkumpan holte die Wanderkarte aus meiner Rucksackseitentasche.

Es war irre windig, aber wir wollten schon gern wissen wo wir in etwa sind. Also wurde mit grösster Vorsicht die Karte im Stehen entfaltet und jetzt begegnete uns der Fágáraser Wettergott mit seiner schäbigsten Tat. Er sendete flugs in diesem Moment einen verheerenden Windstoss an uns. Wir kamen beide zu Fall und rutschten superfein auf unseren glatten Plastik-Regenpelerinen auf einer Schneepiste durch den Nebel in die Tiefe. Es war einfach unglaublich, wir rutschten nebeneinander und unterhielten uns sogar dabei. Es ging um Wichtiges, denn man wusste ja nicht, wo der Hang enden würde. Wir entschieden uns zu verschiedenen Bremstechniken und irgendwie klappte das auch. Da lagen wir nun im Schnee. Ich schnallte zunächst meinen Rucksack ab und kroch den Hang hinauf, um meine verlorengegangene Wanderkarte zu finden. Ein einziges Faltquadrat lag noch im Schnee, der Rest musste wohl schon in irgend einem anderen Gebirge daniedergegangen sein. Das gefundene Faltquadrat war natürlich nicht jenes, was wichtig gewesen wäre.

Wir hatten zuvor eine nach links absteigende Markierung gesehen und entschieden uns, zu dieser zurückzulaufen. Schafften wir auch und stiegen dort ab. Egal, hauptsächlich erst einmal zu Tal. Schliesslich kamen wir direkt auf der Transfágárasan, oberhalb der Cabana Capra heraus. Das Wetter war unverändert lausig, aber die Sicht hatte sich hier gebessert. Wir fassten wieder Mut, doch noch die Cabana Bâlea Lac zu erreichen. Also marschierten wir dort hinauf. An einer Stelle lag ein Stein auf der Strasse von der Grösse eines Fichtelbergzeltes. Ich verspürte einen Bonus und durfte ein wenig lachen darüber und unser unsägliches Glück beteuern. Wir liefen nicht weit, da kam von oben ein weiterer Stein kurz vor uns zu Fall - mehr von der Grösse eines 17er Monitor´s. Schreck bekommen! Hier verspürte ich keinen Bonus zu haben und lief wieder voraus.

Manchmal hab ich die innere Eingebung einen anderen Menschen etwas aufbauen zu müssen und so war es auch in diesem Moment. Kurz vor Erreichen des Tunnels bescheinigte ich, dass wir die Cabana auf der anderen Seite des Tunnels bald erreichen würden. Bald, nur eben noch ein bisser´l laufen. Kurz vor dem Tunneleingang sahen wir im Dunkel des Tunnels ein Lichtlein flackern. Es kam näher und näher und entpuppte sich als ein Thüringer Radfahrer in kurzen Hosen, der bei der Hochfahrt auf der anderen Seite so viel Wärme angestaut hatte, wie uns wohl auf heutiger Tour zusammen verloren gegangen war. Dann stand das Thüringer Radfahrermännlein vor uns und seine Frage an uns war: "Sogt mol Jungs wo ist denn die Cobono Bâlea Lac?" Ei war das ulkig und ich suchte erneut die Rückenposition zu meinem Kollegen. Also wurde ein Gespräch eröffnet und ich sagte (mehr der seelischen Stütze meines Freundes wegen, statt der Informationspflicht meines Gegenüber): "Eiii, die Cabana Bâlea Lac iss uff de andere Seete von det Tunnel". Doch mein Gegenüber verstand nicht alles, um hier angemessen zu antworten und sagte: "Nei, do iss nix, nua Schnee und Nebel, olles weeeiss." Mein Wanderfreund musste jetzt wohl alles in sich selbst ausgetragen haben, aber einen Zweifel an meiner Zuversicht liess er dann doch durchblicken. Ich also: Kurze Wegbeschreibung an den Radler und das er bei dem Nebel natürlich genau hinschauen müsse. Der Radler fuhr uns voraus und ich hoffte, dass er nicht erneut zurückkommen möge.

Im Tunnel, so dachten wir, wäre alles geschützter, kein Regen, kein Wind und so. Regen? Richtig, war keiner. Wind? Falsch, denn hier liefen wir regelrecht gegen einen Sturm an, wie zwei Fliegen im Staubsaugeransaugrohr, die wieder hinaus wollen. Womöglich waren die Flattergeräusche unserer Plastik-Regenpelerinen noch um ein Vielfaches stärker, als es allein ein Sturm vermocht hätte. Dann aber war´s geschafft, und wir standen auf der Seite von Bâlea Lac. Der Radler kam auch nicht zurück, so dass klar war: Wir sind gerettet!!!

Wir betraten den Gastraum der Cabana und der Wirt fing an zu lachen. Wie ungerecht, ich durfte die ganze Zeit nicht - jedenfalls offiziell! Da standen wir nun, wassertriefend, und noch immer stolz auf unsere Plastik-Regenpelerinen. Aber mit der Sorglosigkeit kam auch der Blick für die Realitäten in uns zurück und nun erkannten wir auch warum der Wirt so lachte. Bis in Hüfthöhe bestanden unsere Plastik-Regenpelerinen nur noch aus Streifen und so schauten wir drein wie zwei Hulahula-Mädchen :-))) !

Ich weiss nicht mehr, wie wir hinauf in unsere Stube gelangt sind und die Rucksäcke herunterbekommen haben, aber was ich weiss ist, wie wir nach kurzer Reanimationsphase wieder in den Gastraum zurück sind und uns eine deftige warme Ciorba bestellten. Nach kurzer Zeit servierte uns der Wirt die Suppe - er lächelte dabei - und ich versuchte es auch langsam wieder. Dann wünschten wir uns einen "Guten Appetit" und es blieb zunächst allein bei diesem Wunsch. Unsere Muskulatur war so extrem verspannt, dass wir die Arme nicht mehr hoch bekamen. Irgendwie löffelten wir dann nur mit dem Handgelenk und inhalierten mehr, als wir assen. Immerhin, in meinem Gegenüber ist ebenfalls das Lachen zurückgekehrt, auch weil wir wussten, dass so eine Tour man ein Leben lang nicht mehr vergessen wird! Vergessen konnten wir nur unsere Plastik-Regenpelerinen!

Am nächsten Tag erstrahlte die Sonne bei Bâlea Lac, aber mein Wanderfreund hatte trotz des wiederkehrenden Lachens von diesem Gebirge genug und bestand auf einen Abstieg. Somit endete der 88er Fágáras-Ausflug abrupt und noch während der Fahrt mit dem Zug nach Sibiu, wo am Horizont die Gipfelkette des Fágáras sich deutlich abzeichnete, war mir klar, dass ich zurückkommen würde. Dann aber allein! Wir verlebten anschliessend noch einige schöne Tage in Cisnádioara (Michelsberg) bis zum Ende des Urlaubs.

Nun ja, so war das damals und ich liege nun hier am kleinen See im Kar bei schönstem Sonnenschein. Womöglich würde sich so etwas nie mehr wiederholen, aber wer weiss das schon, schliesslich ist meine Fágárastour ja noch nicht am Ende.

Der Abend nahte und heute wartete ja noch ein Höhepunkt auf mich. Ich machte mich auf den Weg zum Moldoveanu-Gipfel, um wenigstens einmal im Leben vielleicht bei guter Sicht, die Abendstimmung auf Rumäniens höchstem Gipfel zu erleben. Mit noch sieben anderen Rumänen genoss ich dann die Stimmung. Ein ruhiger und schöner Tag ging seinem Ende entgegen.

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Simultan-Sonntag!

26.08.1993

Eigentlich ist´s ein Donnerstag, aber ich hatte einfach das Gefühl hier noch einen Tag bleiben zu müssen um einen simultanen Sonntag auszuleben. Einfach mal nur ein bisschen rumliegen und lesen. Gut war´s mit der Planung, denn bereits in der Nacht begann es zu regnen und stürmen bis in den Vormittag hinein. Dieses berieselnde Geräusch der Regentropfen, die da auf das Zeltdach platschen, hat mir wirklich gefehlt. Obwohl Schlechtwetter ja auch immer das Untätigsein fordert, so hat es auch etwas unglaublich Gemütliches an sich.

Am Nachmittag gesellten sich zwei weitere Zelte hinzu. Die Leute kamen von Curmátura Zârnei und hatten auf dem Weg ähnliches Wetter wie ich im 88er Jahr :-))). Sollte dies etwas zu bedeuten haben? In einer regenfreien Stunde des Abends hielten wir alle zusammen einen Plausch am Bergsee, bis der Regen uns erneut in die Zelt trieb. Aber es war ja eh Kochenszeit und somit viel zu tun!

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Aufbruch nach Sâmbetei!

27.08.1993

Die Nacht hatte es wieder in sich, noch heftigere Stürme und Regenschauer als die Nacht zuvor. Gegen 10 Uhr stellte sich unverhofft eine Wetterbesserung ein und ich packte schnell alles zusammen. Um 10:40 Uhr bin ich dann aufgebrochen in Richtung Sâmbetei. Nahe dem Vf. Gálásescu Mare traf ich auf eine grössere Gruppe zumeist junger Damen - allesamt angehende Chemielaborantinnen in der Lebensmittelbranche. Die Wanderung hier war sozusagen ihr Studienabschlusstreffen. Wir gingen gemeinsam weiter bis Cabana Sâmbetei, wo ich Punkt 16 Uhr mein Zelt errichtete. Der Abstieg hinunter zur Cabana ab der Fereastra Mare (2188 m) schlauchte etwas an den Kräften. Die Tagestour bot verhältnismässig gute Weitsicht und wurde zusätzlich angereichert mit schönen Wolkenformationen.

Zum ersten Kaffee genoss ich das Treiben der Leute bei Cabana Sâmbetei. Heute zum Freitag sind auch viele Wochenendtouristen hier hinauf gekommen. Schliesslich machte ich noch einen Kurzausflug zu der nahen Einsiedlerkapelle, welche an einem steilen bewaldeten Felshang in den Stein getrieben wurde. Nur über einen glitschigen steilen Fusspfad gelangt man hierher und nach vorhergehenden Regenfällen hangelt man sich eher wohl von Baum zu Baum, als das man läuft. Der Pfad beginnt nahe der Cabana und man benötigt für den Aufstieg etwa 20 Minuten.

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Das ganz alltägliche Leben bei Sâmbetei!

28.08.1993

Erneut Sturm und Regen die gesamte Nacht über, aber gegen 9 Uhr schien dann für einige Zeit die Sonne. Zum gestrigen Abend gesellten sich weitere drei Zelte hinzu, von denen bereits zwei vor meinem Erwachen wieder verschwunden waren. Das Wetter war einfach zu lausig. Ein Pärchen aber harrte aus, sicher auch deswegen, weil die beiden am gestrigen Tage sich sehr schwer taten mit dem Zeltaufbau, welcher sich über zwei Stunden hinzog. Das Hauptproblem war die insbesondere dem jungen Mann überlassene Arbeit, die Zeltheringe in den Boden zu bringen. Natürlich hat man hier unter der Grasnarbe einen felsigen Untergrund, doch dies ignorierend stemmte sich der arme Kerl vehement mit ganzer Kraft auf die kleinen zarten Heringe. Nachdem dies nicht zum Erfolg führte ging er zu einer anderen Technik über und versuchte nun die Heringe mit Hilfe eines Steines in den Boden zu rammen. Infolge mangelnder Treffsicherheit holte sich der junge Mann einen Hammer aus der nahen Cabana und versuchte es nun beinahe "standesgemäss". Es pochte und pochte und ich verfolgte die Installationsarbeit mit grossem Interesse. Dann aber ging ich doch hinüber und zeigte ihm, dass man bei solch einem Gelände nur mit Feingefühl zur Sache gehen kann. Den Hering ein Stück nach links und rechts und schon fand sich eine Fuge im Fels und gut war´s. Die beiden nahmen das mit viel Humor und einem edlen Tropfen hinterher. Die viele Arbeit hatte aber in jedem Falle gelohnt, denn nach der stürmischen Nacht stand es immerhin noch.

Die zwei erzählten mir früh, dass bei einem der zwei anderen Zelte nachts der Reissverschluss vom Zelteingang gerissen war. Bei dem anderen Zelt brach die Querstütze. Die Leute sind bereits wieder abgestiegen, denn die Cabana war wegen des schlechten Wetters eh voll. Kurz vor der Mittagszeit entschloss sich das noch verbliebene Pärchen ebenfalls für den Abbruch des Wochenendausfluges. Von der Tiefebene her kamen bereits dicke schwarze Wolken dem Sâmbetei-Tal entgegen. Dessen ungeachtet lagerten die Zwei alles erst einmal ausserhalb des Zeltes in loser Form. Das ergab einen ziemlichen Haufen. Als sie damit begonnen hatten das Zelt abzubauen, war derweil auch die Wolke heran und schien mit einem Mal aus allen Nähten zu platzen. So ging ein wahrer Platzregen auf das lose Gepäck der zwei Armen hernieder und nun war alles vollends durchnässt. Hätten sie erst im Zelt die Rucksäcke gepackt, dann hätte man diese schnell in der Cabana hinterlegen können, so aber .... Wie auch immer, in jedem Falle hatten die beiden alles so gemacht wie man es nicht machen sollte und viel gelernt dabei. Ihre nächste Tour dürfte sicher viel weniger "Schulgeld" kosten.

Zum Nachmittag stellte sich wieder eine kleine Wetterbesserung ein. Ich nutze die Gelegenheit für eine kleine Visite der nahen Umgebung. Ganz witzig war das trockene Bachbett im Tal, in welchem stets nach einem heftigen Regenfall ein Bach floss und wenig später alles wieder versiegt war. Abends am Zelt meldeten sich zwei Rumänen bei mir und übermittelten eine Botschaft von Dorin und Stanciu, welche unten im Valea Sâmbetei angelangt sind. Sie erwarten mich morgen zum frühen Vormittag des kommenden Tages. Zum Abend ging ich noch für einige Zeit in die Cabana, denn da war richtig Stimmung eingekehrt. Einige junge Rumänen hatten ihre Gitarren mit hinaufgebracht und legten sich schwer ins Zeug damit.

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Ein Wiedersehen mit den Freunden aus Pui.

29.08.1993

Bereits gegen 7:40 Uhr machte ich mich auf den Weg hinunter zu meinen Freunden aus Pui. Nun lernte ich bei dieser Gelegenheit auch die tieferen Zonen des Valea Sâmbetei kennen. Gegen 9:20 Uhr hatte ich mein Ziel erreicht. Auf einer kleinen Lichtung am Bach, neben dem Forstweg hatten Dorin und Herr Stanciu ihr Nachtquartier aufgeschlagen. Die beiden waren gerade mit einer Radmontage beschäftigt, denn unterwegs hatten sie sich zwei Platte eingefahren. Nach einer Stunde war auch diese Arbeit erledigt und dann machten wir uns daran an einem Lagerfeuer ein deftiges Essen zu bereiten. Ich übergab mein bisheriges Fotomaterial Herrn Stanciu und er hatte den versprochenen Nachschub an leeren Filmen, Speck, Brot, Knoblauch, Zwiebeln und Tuicá an mich übergeben. Zur Mittagszeit verabschiedeten wir uns voneinander, denn die zwei hatten ja noch einen weiten Rückweg bis Pui und wer weiss, wie viel Platte ihnen da noch widerfahren würden.

Ich wanderte also wieder hinauf. An der Stelle wo der Forstweg endet, geht es über einen schmalen Wanderpfad durch schöne alte Bergwälder. An einigen Stellen kommt man nah an den Sâmbetei-Bach vorbei und es ist schon beeindruckend, welche Mengen von Bruchholz hier gelegentlich mitgespült werden. Eine Herde Schafe stieg mit Sack und Pack ins Tal. Für diese Hirten hat die Saison im Hochgebirge ihr Ende gefunden. Trotz meines Gepäcks machte ich bei dieser Gelegenheit noch einen Abzweig hinauf zur Piatra Caprei. Eine Waldschneise reicht hier bis hinunter und man hat vom Tal aus einen direkten Blick auf den imposanten Kalkfelsen, der ausschaut, als hätte er zwei Hörner auf.

Zum Abend traf ich in der Cabana noch ein Pärchen aus Dresden. Sie kamen aus dem Iezer-Pápusa-Gebirge und sind nach reichlich Regen zur Cabana Sâmbetei abgestiegen. Sie waren ein erstes Mal in Rumänien und wir hatten viel auszutauschen. Die beiden beabsichtigen in ein anderes Gebirge einzusteigen, in der Hoffnung auf besseres Wetter. Die Kollegen der hiesigen Salvamont-Gruppe sagten ebenfalls keine Wetterbesserung voraus.

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Ein Schlechtwettertag!

30.08.1993

Gegen 10 Uhr bin ich aus dem Schlafsack gekrochen. Nieselregen rieselt unentwegt auf´s Zeltdach nieder. Mein Tag bestand heute nur aus Essen, Lesen, mit Leuten plaudern, Schlafen, Essen, Lesen, ... Es braucht solcher Tage, damit man das gute Wetter wieder zu schätzen weiss und so setzte ich natürlich darauf, dass das für den folgenden Tag auch zutreffen möge.

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Es geht weiter, trotz zweifelhafter Wetterprognose.

31.08.1993

Bereits um 8 Uhr bin ich aufgestanden. Es war blauer Himmel, doch die Sonne scheint erst gegen 9 Uhr voll ins Tal hinein. Nach einem ausführlichen Frühstück hab ich gepackt und bin um 10:15 Uhr in Richtung Fereastra Mare (2188 m) aufgebrochen. Beim grossen Kreuz "La Cruce" machte ich eine Verschnaufpause, derweil über mich eine schwarze Wolke heraufzog. Das Wetter schien teils recht bedrohlich auf meinem einsamen Weg bis Curmátura Zârnei, jedoch regnete es nicht ein einziges Mal. Gegen 15:15 Uhr war ich bei Curmátura Zârnei angelangt und baute nahe der kleinen Biwakschachtel mein Zelt auf. Die kleine Notunterkunft war sehr runtergekommen und bot vor Regenschauern sicher keinen ausreichenden Schutz mehr. Auch hier fand sich kein einziger Wanderer mehr ein - so als hätte der Streik der Eisenbahner wieder eingesetzt :-))) ! Ein Hirte kam mit seinen Schafen und Hunden vorbei und zeigte mir eine nahe Wasserstelle, die ich wohl zumindest nicht auf Anhieb gefunden hätte. Einen der Hunde, so ein schwarzer, den hatte ich augenblicklich ins Herz geschlossen und den Hirten hat´s amüsiert. Der Schwarze blieb noch eine ganze Weile an meinem Zelt, während die Schafe längst weitergezogen sind. Ich hatte noch Speckschwarte aufgehoben und verfütterte diese.

Ich genoss die Stille des Nachmittags nach dem Trubel bei Cabana Sâmbetei. Hier war ich wieder mit der Bergwelt allein und zum Kaffee überlegte ich mir, wie es mit der Tour denn weitergehen könnte. Bei Wetterbesserung würde ich schon noch sehr gerne das Iezer-Pápusa-Gebirge mitnehmen. Aber nach den letzten Tagen machte ich mir vorsorglich keine Hoffnung. Was wollte ich auch mehr, die alpinsten Hauptabschnitte und auf meiner ganz persönlichen "Königsrunde" hatte sich das Fágáras von seiner besten Seite gezeigt. NOROC!

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Auch ohne Prognose alle Wetter!!!

01.09.1993

Tack tack ... tack tack ... tupfte da laufend etwas auf´s Zelt, wovon ich schliesslich gegen 9 Uhr erwachte. Ein Bär war´s sicher nicht, soviel Feingefühl kann man ihm nicht zuschreiben :-) ! Als ich aus dem Zelt schaute wurde ich zweifach überrascht. Es war der Scharze in Begleitung von zwei weiteren Hirtenhunden, der da auf mein Vorzelt mit der Pfote klopfte. Na er wird sicher das Leckerli von gestern nicht vergessen haben und so spendierte ich allen Dreien ein Speckchen. Die zweite Überraschung: ... es lag Schnee auf den Gipfeln der Berge. Ab einer Höhe von etwa 2100 Meter waren die Gipfel noch weiss vom nächtlich gefallenen Neuschnee. Es war ein beeindruckendes Wetter, Sonnenschein und dunkle Wolken vermischten sich mit dem weiss der Gipfel und dem grün-bräunlichen Ton der tieferen Hochweideflächen. Die Hunde hatten mich nach dem Speckchen verlassen.

Als ich gegen 10:30 Uhr aufbrach war noch schönes Wetter, doch eine dreiviertel Stunde später war alles dicht. Die Sicht reichte keine 20 Meter weit. Ich entschloss mich, dass Iezer-Pápusa zu streichen und wanderte weiter bis zum Vf. Berevoiescu, wo ich nahe der alten Wellblech-Schutzhütte mein Zelt aufschlug. Im Vergleich zum 89er Jahr war auch diese Hütte sehr zerfallen.

Mittlerweile hatte sich hier zum späten Nachmittag das Wetter gebessert und wieder kreuzte ein Hirte mit seinen Schafen meinen "Weg". Beinahe wie 1989 an gleicher Stelle unterhielt ich mich mit dem Hirten ein wenig über dies und das und er lud mich zum Abendessen in der nahe gelegenen Stâna ein. Also ging ich gegen 18 Uhr hinüber und traf den Hirten mit seinen Schafen an. Ein zweiter Hirte war zugegen und schaute aus wie der finsterste Räuber aller Zeiten, was wohl seinem extrem starken Bartwuchs zu verdanken war. Marian, jener Hirte, den ich am Zelt schon kennenlernte, wollte mir etwas ganz besonderes zeigen und ging in die Hütte. Es quietschte plötzlich und Marian kam mit zwei ganz kleinen Hunden heraus, die erst Tage zuvor hier das Licht der Welt erblickt haben. Alle Hunde hier gehörten Marian, während Robu sich damit zufrieden gab, dass auch auf ihn alle Hunde hörten :-) ! Nun aber war es Zeit für´s Abendbrot ... na ja, ich will die Abläufe nicht immer und immer wieder schildern, in jedem Falle brennen sie sich tief in das Gedächtnis eines einsamen Wanderers ein und sind ihm ein Leben lang ein grosser Schatz. Es war mit der Zeit die Dunkelheit hereingebrochen und gegen 21 Uhr trat ich den Rückmarsch zum Zelt an. Würde ich die 500 Meter ohne Taschenlampe zum Zelt wohl bewältigen??? Alles klappte gut und für den kommenden Morgen war ich auch schon wieder zum Frühstück geladen.

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Nur weiss vor Augen ...

02.09.1993

Beinahe pünktlich zur Geisterstunde ging hier oben bei Berevoescu die "Post" ab. Ein Heidensturm rüttelte an meinem Zelt und liess fortan nicht mehr nach. Es war der heftigste Sturm, den ich bisher überhaupt in den Karpaten erlebte und das in völlig ungeschütztem Gelände auf 2200 Meter. Dank meines Zeltes (HOUGAN von "Vau De") war ich aber äusserst beruhigt, schliesslich hatte ich dieses ein Jahr zuvor auf meiner 6-wöchentlichen Radtour durch Island reichlich testen dürfen und es erwies sich dort bei noch heftigeren Stürmen als sehr zuverlässig. Ich bemühte mich also erst gar nicht aus den Schlafsack und schlummerte so gut es ging weiter.

Gegen 8 Uhr bin ich erwacht und der Sturm hielt nach wie vor an. Ich machte den Reissverschluss zum Vorzelt auf und schaute nicht schlecht, da war Schnee im Häusle. Daraufhin wagte ich einen Blick nach draussen und ich sah nur weiss vor Augen. Es war ein Schneesturm erster Güte. Nun gut, zum Kaffeekochen brauchte ich nun nicht zum Wasserholen aus dem Zelt, hatte ja reichlich Schnee zum Einschmelzen. Mein kleiner Gaskocher hatte so seine Anlaufprobleme, aber es ging so. Mit steigender Temperatur, während der Kocher sein Geschäft tat, kam sogar wohlige Wärme auf und ich machte mir ein gemütliches Frühstück. Was sonst sollte man in so einer Situation auch machen.

Draussen lagen etwa 30 cm Neuschnee und am Aussengestänge meines Zeltes hingen ca. 15 cm lange Eisfahnen in der Wagerechten. Das war ein witzig anzuschauendes Bild. Nach megakurzem Gassi bin ich wieder flugs ins Zelt und machte mich ans Packen. Nachdem alles verstaut war, ging ich nochmals hinaus. Die Sicht reichte keine 2-3 Meter. Ich überlegte mir, wo in etwa sich die alte Blechhütte befand, die ca. 150 m vom Zelt entfernt steht und ging ohne Gepäck zunächst in die entsprechende Richtung. Bingo, nach dem ersten Versuch schon gefunden!!! Also in den Spuren schnell wieder zurück und zunächst den Rucksack geholt, um diesen in der Hütte abzulegen. Dann wieder zurück, Abspannungen vom Zelt gelöst, alles gepackt und zurück zur Hütte. Darin konnte ich dann halbwegs windgeschützt auch das Zelt ordentlich zusammenpacken.

Unweit der Hütte, an einem südwestlichen Abhang (wo auch die kleine Quelle sich befindet), zieht sich eine Hochweidefläche bis weit hinunter ins Tal des Valea Vladului. Dort unten befindet sich eine Forststrasse und so sah ich darin eine günstige Gelegenheit, die Schneezone zu verlassen. Hier brauchte es keiner allzugrossen Orientierung, denn das Gelände war mir von den Aussichten her bekannt. Nach einer kurzen Verschnaufpause in der Hütte begab ich mich dann mit allem Gepäck wieder in das stürmische Weiss und stieg zunächst südwestlich und wenig später südwärts zu Tal. Den Forstweg erreichte ich problemlos.

Wieder befand ich mich in neuem Terrain und war gespannt, wohin mich der Weg dieses Tages noch führen würde. Ich befand mich ja hier sozusagen zwischen den Höhen des Fágáras zu einen und jenen des Iezer-Pápusa zur anderen Seite. Wenig später sah ich mehrere Waldhütten und eine Stâna und da kamen auch schon meine gestrigen Freunde mit den Schafen an. Sie sind sofort nach dem hereinbrechenden Schneesturm in der Dunkelheit mit allen Schafen abgestiegen und verweilen nun noch wenige Tage hier bei ihren Kollegen.

Ich setzte den Weg fort. Das Tal wurde immer uriger und grosse alte Baumbestände prägten die Region. Nach ca. 7 km gelangte ich in ein neues Tal. Hier fliesst der Vladului-Bach in den Boarcásu-Bach. Nach weiteren Zuflüssen auf den folgenden zwei Kilometern ist das dann der Ursprung der Dâmovita, welche zunächst in den folgenden Pecineagu-Staudamm fliesst. Ich lief noch etwa einen Kilometer an dem beginnenden Staudamm entlang, als ich an einem Forsthaus einen LKW stehen sah. Also nix wie hin. Die Leute staunten nicht schlecht, wo ich da so allein daherkam. Ich erkundigte mich, ob der LKW denn heute noch zu Tal fahren würde und man bejahte dies. Ich könnte auch mitfahren, aber nun gäbe es gerade Mittagbrot und ich wurde dazu geladen.

Ein Ehepaar hatte den LKW bestellt, um Brennholz zu holen. Der LKW war schon fertig beladen, so dass wir nach dem Essen sogleich starteten. Ich erkundigte mich erst einmal in welche Richtung wir denn hier fahren. "Nach Rucár". Das war mir nur lückenhaft ein Begriff. Während der Fahrt entlang des Stausee´s wurden wir dreimal von Forstbeamten angehalten, welche Ladung und Papiere kontrollierten. Da staunte ich nicht schlecht. Es ging die Fahrt durch schöne Schluchten: "Cheile Rádutu", "Cheile Pietrimanului" und zu guterletzt die "Dâmbovica-Schlucht". Da sass ich dicht gedrängt zwischen den Leuten in der Fahrerkabine und drückte mir die Nase an der Frontscheibe platt. Der Fahrer des ROMAN erzählte mir, dass es hier viele Schluchten gäbe und empfahl mir, die Reise in Richtung Dâmbovicioara fortzusetzen. Also verliess ich in Podu Dâmbovitei den LKW und wanderte zunächst durch den Ort. Schöne Häuser in lieblicher Landschaft. Wenig später befand ich mich am Schluchteneingang der Cheile Dâmbovicioara. Oh wie war ich begeistert!!! Ein anderer LKW kam des Wegs, ... ich winkte und er hielt. Ich erkundigte mich beim Fahrer nach einer Cabana. ja, da sei ich richtig und sollte einsteigen. In Dâmbovicioara endete die Fahrt und nun hatte ich noch ca. 5 km bis zur Cabana Brusturet zu laufen.

Die Landschaft war ohne Ende einfach super und ich war glücklich, so viele verschiedene Eindrücke an einem einzigen Tag gesammelt zu haben. Aber der Tag war ja noch nicht zu Ende. Kurz hinter Dâmbovicioara gelangte ich zur Dâmbovicioara-Höhle. Das schien hier ein touristischer Anlaufpunkt zu sein. Zwei Frauen sassen an der Strasse. Ob ich die Höhle sehen wollte? Klar wollte ich. Kleines Eintrittsgeld und los ging es. Die Höhle hat nicht viele Formationen, und nach einigen hundert Metern war dann Schluss. Na ja, nicht ganz, eine kleine vergitterte Pforte liess mich spekulieren. Aber meine Führerin verneinte ein Weitergehen. Für dieses Jahr wollte ich das annehmen :-))) und schliesslich war ich ja noch nicht am Ziel des Tages.

Nach einer dreiviertel Stunde hatte ich dann endlich gegen 17 Uhr die Cabana Brusturet errreicht. Ich mietete mich ein und hatte ein Zweibett-Zimmer für mich allein. Nur wenige Besucher waren hier. Nach einem deftigen Essen in der überaus kuriosen Gaststätte, welche vollständig mit Baumrinde ausgekleidet ist, machte ich noch einen Abendspaziergang. Ich muss es einfach wiederholen, die Gegend hier ist unglaublich schön. Zu später Stunde wurde noch das Kartenmaterial studiert und so war meine morgige Tour schnell abgesteckt.

  Karte: Die Schluchten bei Dâmbovicioara, Podu Dâmbovitei, Rucár (223 KB)

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Entlang am Fusse der Piatra Craiului ...

03.09.1993

Am heutigen Tage hatte ich Zeit, wollte ja nur bis zum mittleren Fusse der Piatra Craiului zur Schutzhütte Refugiu Grind. Gegen 11 Uhr ging ich dann nach einem ausgedehnten Frühstück wieder auf Wanderschaft. Gleich hinter der Cabana setzte sich die schluchtenartige Landschaft fort und ich folgte dem zerstörten Forstweg durch die "Cheia Váii Seaca Pietrelor". Wahrscheinlich zu Zeiten der Schneeschmelze müssen hier grosse Wassermassen teils die gesamte Forststrasse weggerissen haben.

Nach etwa eineinhalb Stunden Wegzeit weitete sich das Tal etwas und ich traf auf zwei Hirten die mit ihren Pferden daherkamen. Nach Refugiu Grind wiesen sie mir einen Weg, der wenig später nach links abzweigt. Ich also dort entlang und wenig später stand ich vor einer riesigen Wiese mit einer schönen Stâna und dem dahinter prächtig aufragenden Königsteinmassiv, der Piatra Craiului. An der Hütte war noch ein Hirte zugegen. Ich legte meinen Rucksack ab und machte eine Pause. Bis zum Refugiu war es nun nicht mehr weit.

Etwa gegen 14 Uhr war ich dann an der Schutzhütte, hinter der das waldlose steinige Bergland zum höchsten Gipfel der Piatra Craiului, dem Vf. Piatra Craiului, oder auch "La Om" (2238 m) genannt, emporsteigt. Leider gab es hier kein Wasser und so verblieb ich etwa eine halbe Stunde und genoss die schönen Ausblicke. Beim Abstieg vom Refugiu Grind in Richtung "La Table" gelangte ich dann auch an eine im Wald gelegenen Wasserstelle. Wenig später war "La Table" erreicht, eine plateauartige riesige Hochweidefläche unterhalb der steil aufragenden Wände der Piatra Craiului. Dort gab es eine Viehtränke und auch sauberes Trinkwasser. Über eine unterirdisch verlegte Leitung wird das Wasser hierher geleitet.

Ich war neugierig geworden auf diese Landschaft und somit noch keinesfalls gewillt, hier das Zelt aufzuschlagen. Ich schaute auf meine einfache Karte und folgte einem absteigenden Waldweg, wo ich einen Pferdewagen einholte. Der alte Bauer transportierte Brennholz. Wir liefen fortan gemeinsam des Wegs und ich erkundigte mich ein wenig nach den hiesigen Gegebenheiten. Dabei erfuhr ich auch, dass einer der nächsten Orte hier "Pestera" heisst. "Pestera???" Hmmm, klingt wie "Höhle". Ja klar, meinte der Alte, die gibt es da auch. Das stachelte mich natürlich an und bedeutete mir ein lohnend Tagesziel. Am ersten Haus hielten wir und der Alte meinte, hier könne ich kleine Einkäufe tätigen. Es war "Casa Folea" und dies sogar auf meiner schlichten Karte aus "Invitatie în Carpati" eingezeichnet. Die Familie des Hauses betrieb hier so eine Art kleinen Kiosk. Ich erkundigte mich bei den Leuten, ob ich hier zelten könnte. Wenig später befand ich mich in der besten Stube des Hauses und hatte auch schon ein richtiges Privatquartier beinahe befohlen bekommen :-))) ! Nun, bei rumänischen Familien ist es immer interessant und so blieb ich ohne zu murren.

Aber nach einem Bierchen war mein Körper noch immer rastlos und von etwas getrieben. Klar, die Höhle! Meine Gastgeber beschrieben mir den Weg durchs Dorf, vorbei an der Kirche und dann bei einer kleinen absteigenden Kurve sollte ich einen schmalen Pfad nach links nehmen. So gesagt, lief ich also los. Vorbei an der Kirche, noch ein Stück talwärts und dann bei der kleinen Kurve nach links. Der schmale Pfad führt wieder in die entgegengesetzte Richtung. Wenig später stand ich vor einer Grotte und noch ein kleines Stück weiter dann das etwa 2 Meter hohe Höhlenportal der Fledermaushöhle (Pestera cu Lilieci). Genaueres wusste ich ja nicht über die Höhle und auch eine richtige Taschenlampe hatte ich nicht dabei, einzigst eine Dynamotaschenlampe. Ich "drückte" mich also in den ersten Höhlensaal vor und folgte einem hinten sich fortsetzenden Gang noch ein kleines Stück. Aber das Licht der Lampe war zu spärlich, als dass ich viel ausmachen konnte. Also wieder "zurückgedrückt" :-))). Wenig später hatte ich einen leichten Krampf in meiner "Dynamotaschenlampenhand" und musste schon ein wenig schmunzeln darüber.

Auf dem Rückweg durchs obere Dorf traf ich auf einen Alten der mit seiner Kuh daherkam und erkundigte mich nochmals nach der Höhle. Der zog die Augenbrauen hoch und tat unglaublich wichtig. "Ooohhh, Pestera mare, ....." und dann erzählte er mir, dass sich die Höhle bis unter das Königsteinmassiv hinziehen würde. Oioioi, mein Herz schlug augenblicklich höher. Aber ich wusste auch, dass an solchen Erzählungen nicht immer alles wahr sein muss. Wenig später in einem Magazin Mixt sprach ich das Thema bei den dort anwesenden Einwohnern erneut an. Dort relativierte sich das etwas und die Angaben schwankten von einigen Metern bis über einen Kilometer.

Es war an der Zeit das Haus meiner Gastfamilie aufzusuchen. In der Ferne ragten die steilen weissen Abgründe der Westbucegi empor und weiter rechts schloss sich dem das Leaota-Gebirge an. Zur anderen Seite erhob sich die Piatra Craiului und mitten drin, beinahe eingekesselt von hohen Gebirgszügen, dieses sanft-bergige bäuerlich bewirtschaftete Land. Ganz selten geht es mir im Kopf umher, hier oder dort ein kleines Grundstück besitzen zu wollen. Hier, genau in dieser Gegend, war das auch so. Ich war schlichtweg entzückt. Die wunderschönen Bauernhäuser sind von sehr abwechslungsreicher Architektur und ich gehe jede Wette ein, dass es in dieser Gegend kein einziges Haus gibt, das einem anderen gleich ist.

Bei meinen Gastgebern wurde mir ein unglaublich reichliches Essen serviert. Alles zumeist Produkte aus eigenem Hause. Wo sollte ich das jemals hinessen. Aber da sich eh schon Leute bei mir genau diese Frage gestellt hatten - im Sinne des Tätigseins - so verliess ich mich auf diese meine unerklärlichen Fähigkeiten :-))) !

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Abschied vom Land der Lieblichkeiten

04.09.1993

Gegen 8 Uhr bin ich erwacht und die Frau des Hauses war schon wieder emsig bei der Arbeit. Als sie mich sah wurde sofort das Frühstück bereitet und dann sass ich da, "umrahmt" von frisch gebratenen Eiern, Brânse, Speck, Brot, frischer Milch, ... . Es schien mir, als sei dieser Morgen eine Fortsetzung des gestrigen Abends und ich kaute mich genüsslich in den Tag hinein. Dann aber tat Bewegung Not und ich machte noch einmal einen kleinen fotografischen Ausflug in die nahe Umgebung.

Zum Abschied gab ich meiner Wirtin 20,-DM für die nette Unterkunft und alle Bewirtung. Doch das war wohl ein Fehler. Meine liebe Gastgeberin deutete an, ich solle noch warten und kam wenig später mit vielerlei Essbarem zurück, dass nun also noch in meinen Rucksack hinein musste. Ich hatte anschliessend eher das Gefühl mit einer Wanderung zu beginnen, als dass diese ihrem Ende entgegen ginge. Na ja, in der Hauptsache ging es ja nach Zárnesti bergab und gegen Mittag war ich bereits am Ziel bei Cabana Gura Râului angelangt. Die Haus war beinahe leer und ich bezog Quartier. Dann hatte ich mich ein wenig für die Zivilisation zurecht gemacht und ging zum Nachmittag in die Stadt.

Zuerst ging ich direkt zum Bahnhof, um meine morgige Abfahrzeit zu recherchieren. Dann nutzte ich den Rückweg für einen ausgiebigen Stadtbummel. In einer Kaffeebar zog ich pünktlich zur Kaffeezeit ein und gönnte mir einige schöne Cremetörtchen und mehrere dieser kleinen Kaffeeportionen. Plötzlich ging das Aggregat des grossen Kühlschranks an und ich erschrak regelrecht. Es war lauter als auf einer Baustelle, aber dennoch die Atmosphäre weiterhin sehr lieblich. Witzig auch die Blumenvasen auf den Tischen. Und nur wenn man von oben in die Vasen hineinschaute, dann konnte man die kleinen, darin befindlichen Blumen entdecken. Draussen auf der Strasse pulsierte das Leben und ich wurde mir noch einmal bewusst, wie schön es sein kann, Zeit zu haben. Dennoch, auch dies war mir nicht für ewig vergönnt, denn am folgenden Tag fuhr ich zurück zu meinen Freunden nach Pui.

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Abschied vom Land der Träume so nach und nach ...

05.09.1993

Zum Abend traf ich in Pui ein. Bei Familie Stanciu sassen wir dann beisammen und alle lauschten neugierig meinen Erlebnissen. Der Abend dauerte noch lange an, wie immer wenn es heisst Abschied zu nehmen, vom Land der Träume so nach und nach. Das gröbste hatte ich schon in meinem Rucksack verstaut, denn morgen geht´s wieder heim. SEUFZZZ!

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Fotos zur Tour:

  Muntii Fagaras - Teil 1 / Von Turnu Rosu bis Vf. Moldoveanu (1,21 MB)
  Muntii Fagaras - Teil 2 / Karpatenwillis "Fágáraser Königsrunde" (1,35 MB)
  Muntii Fagaras - Teil 3 / Moldoveanu, Sâmbetei und der "Fágáraser Wettergott" (945 KB)

Kartentipp:

 

Muntii Fagarasului / 1:75000 / 32-seitiges Guidebook in Englisch (Gebietsbeschreibung und 55 Wanderrouten), Karte 6-farbig mit Legende in Rumänisch, Englisch, Deutsch / BelAlpin, ISBN 973 9871 63 1

Zu kaufen direkt in Deutschland: HIER


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