Bukowina, Land zwischen Orient und Okzident
Wanderfahrt im Mai - Juni 2015
Bericht:
Wolfgang Post ... wolfglobetrotter@gmx.de
Die
Bukowina ist am Ostabhang der Karpaten, zwischen dem Dnjester und der Goldenen
Bistritz gelegen.
Die
deutschen Siedler des Buchenlandes oder der Bukowina bezeichneten sich selbst
gerne als "Wiener", als "Buko-winer".
Im
Jahre 1775 entstand durch Österreich erstmals der politische Begriff "Bukowina",
bis dahin war dieser Name lediglich für kleine Waldlandschaften benutzt worden.
...
Am
Montag, d. 11. Mai 2015 ging's endlich los.
Die
Burgruine war schon von Weitem zu sehen, und der Burghüter war mehr als überrascht,
daß ich in den alten Ruinen der Burg übernachten wollte. Am Abend brachte er
mir noch eine Flasche Wein zum eindrucksvollen Sonnenuntergang. Ja, und am
Morgen gab es einen feinen Speck als Wegzehrung für meine bevorstehende
Wanderung.
Ab
Mardisch/Moardes wanderte ich ein Tal entlang, hörte die 1. Kuckucksrufe in
diesem Jahr, traf auf Schafherden, die von Schäferhunden bewacht wurden, die
wohl ihre Sache sehr Ernst nahmen.
Bei
einer Köhlerei am Kaltenbach ruhte
ich aus und verspeiste meine
deftige Wegzehrung, die argwöhnisch vom Wachhund "Ursus" (= Bär) beäugt
wurde. Dank seinem Frauchen konnte ich ungestört essen und der Arbeit des Köhlers
zuschauen.
Im
nahegelegenen Almen
/ Alma Vii fand
ich Unterkunft.
Heute
Morgen hatte ich wegen des Regenwetters Zeit um loszumarschieren.
Die
Wehrkirche ist in den letzten Jahren berühmt geworden durch die
Wiederentdeckung des "Grünen Mannes", der wohl aus dem
Keltischen Raum stammenden Kopffigur, aus dessem Mund das durch nichts zu
unterdrückende , unbezähmbare Leben nach außen dringt. Die Worte sind Blätter,
Stengel und Blüten; bei den Kelten ein Objekt besonderer Verehrung.
Bei
dem verregneten Tag blieb ich noch 1 Nacht in Scharosch an
der Großen Kokel / Sarosu pe Tarnave.
Die
Flußaue der Großen Kokel war nach dem starken Gewitter am nächsten
Morgen geheimnisvoll in
Nebel gehüllt und über Durles
/ Darlos - Kirtsch / Curciu gelangte ich nach einem langen Weg durch den Wald
nach Bogeschdorf
/ Bagaciu.
Manche
Kirchenburgen waren verfallen, einige gut restauriert. Doch die Masse der
Sachsen sind nach Deutschland ausgewandert. So
gab es auch in Bogeschdorf keine Übernachtungsmöglichkeit mehr im Pfarrhaus,
weil es einfach dem Verfall preisgegeben worden ist.
Bei
schlechter werdendem Wetter fuhr ich per Bus nördlich über Bistritz weiter,
wo ich mich am ungarischen Maifest erfreute.
Weiter
ging die Fahrt in die
Über
Kimpolung Ost wanderte ich über die Izvorul Alb an Schneeresten vorbei zum
Rarau-Gebirge hinauf.
Mit
Lipowanern verbrachte ich bei knisterndem Feuer und bei Wein, Schnaps und
Leckereien einen geselligen Abend. Der Sonnenuntergang und die Felsen
verzauberten uns. Und am Abend erhielten wir Besuch von einer Füchsin, die sich
Futter für ihre Jungen holte...
Am
frühen Morgen marschierte ich los und genoß in vollen Zügen die herrliche
Aussicht auf die hügelige Landschaft der Bukowina.
Zuvor
besuchte ich im nahen Karlsberg / Gura Putnei den Enkel des verstorbenen Kasimir
Gräff. Seit meiner ersten Fahrt ins Buchenland / Bukowina im Jahr 1991 sind
leider die ersten Kontaktpersonen verstorben.
Im
nahen Kloster Putna nächtigte
ich in einer der zur Klosteranlage gehörenden Hütten.
Einen
angeblichen Fußweg nach Moldawitza fand ich nicht, der Regen hatte den Boden
stark aufgeweicht, und so fuhr ich
bequem mit dem Bus über Radautz zum Kloster nach Suczawitza
/ Sucevita weiter.
Bis
zum Kloster Moldawitza war es nicht mehr weit. In dem mir vertrauten Ort Moldawitza verbrachte
ich das Pfingstwochenende vom 22. bis 25. Mai 2015 wieder bei der nun in
die Jahre gekommenen guten Maria Tamas.
Moldawitza
ist durch ein Eiermuseum bereichert
worden und wegen der fein bemalten Ostereier sehenswert. Hier im Buchenland ist
es Brauch, den Fremden so ein bemaltes Osterei als Geschenk mitzugeben.
Der
Höhepunkt meines Aufenthaltes galt aber der alten Waldbahn. Die bereits
stillgelegte Waldbahn ist für 12 km bis Argel wieder für Touristen eröffnet
worden. Diese Waldbahn fährt neben der Landstraße
und führt durch die Ortschaften. Erwachsene und Kinder winken dabei freundlich
den Passagieren zu - meine Lieblingsbahn in
Rumänien.
Die
Abende verbrachte ich in der Kneipe bei Eduard, dessen Frau mich kullinarisch
verköstigte.
Am
Pfingstmontag, d. 25. Mai, fuhr ich mit dem Bus nach Suceava, wo in der
deutschen evangelischen Gemeinde der Pfingstgottesdienst gehalten wurde. Pfarrer
Kraus aus Bistritz erklärte stolz, das prozentual auf die Gemeindemitglieder
bezogen in Deutschland nicht so viele Gläubige in die Kirchen kommen
...
Um
die Mittagszeit fuhr ein Bus in den ukrainischen Teil der Bukowina in Richtung
Tschernowitz.
Wie
hatte sich dieser Ort seit meinem letzten Besuch im Jahr 1992 verändert!
Im
Zuge des "Hitler-Stalin-Paktes" war in einem Geheimabkommen
beschlossen worden, das die deutsche Bevölkerung auf dem Gebiet der
Nordbukowina und Bessarabien ausgesiedelt werden sollte.
Die
deutsche Bevölkerung hatte ein
Vierteljahr Zeit sich für die Umsiedlung zu entscheiden. Aufgrund der Maßnahmen
der Sowjets gegen Rumänen und andere Minderheiten entschlossen sich fast alle
Deutsche zur Umsiedlung.
Aufgrund
der Kriegswirren hatte diese Familie eine Odyssee hinter sich und die 3 Söhne
kamen jeder in einem anderen Land zur Welt.
Noch
im Jahr 1930 hielt der Tschernowitzer "Wandervogel" einen Spielabend
in Molodia ab.
Zwischenzeitlich
hatte ich mir aus dem Heimatbuch den alten
Ortsplan mit den Hausnummern der Familien besorgt. Doch das Haus mit der Nummer
180 der Familie Flegel gab es trotz emsiger Hilfestellung der Familie Fialkowski
nicht mehr...
Einige
Kilometer entfernt pulsierte das städtische Leben in Tschernowitz.
"Czernowitz,
auf halbem
Weg zwischen Kiew und Bukarest, Krakau und Odessa,
war
die heimliche Hauptstadt Europas, wo die Bürgersteige mit Rosensträussen
gefegt
wurden und es mehr Buchhandlungen gab als Bäckereien."
Bei
anhaltenden Regen setzte ich mich in den Bus bis Theresiental / Teresva um
wieder die Waldkarpathen zu besuchen.
Dieses
Gebiet trägt verschiedene Bezeichnungen:
Noch
am Abend erreichte ich Deutsch
Mokra / Komsomolsk.
Die
meisten Deutschstämmigen hatten zwischenzeitlich den Ort verlassen. Margareta,
bei der ich noch im Jahr 1999 übernachtet hatte, hatte aber wohlweislich
Vorsorge bei ihrer Tante getroffen.
Durch
den vielen Regen waren die
Waldwege im Mokrankatal arg in Mitleidenschaft gezogen worden, vor allem durch
die schwer mit den Holzstämmen beladenen Militärlaster.
Wie
schon im Jahr 1999 war es mein Wunsch die Alm am Stanjak zu besuchen. Aufgrund
des Wetters verzichtete ich auch diesmal auf einen Besuch, zumal die
Temperaturen am Morgen mit minus 5 Grad Celsius gemeldet wurden.
Am
Freitag, d. 29. Mai zog ich nach Königsfeld / Ust-Corna weiter. Die Kinder
waren in Landestracht gekleidet, da heute Schulabschluß gefeiert wurde. Das
ging ein wenig militärisch von statten und hatte den Hauch von Einschwörung
der Schüler auf den ukrainischen Staat. Für mich waren die Veranstaltungen
unterhaltsam. Selbst
die stolzen Mütter traf ich bei einer Runde im Gasthof an und erhielt gute
Informationen.
Darauf
hin zeigte mir eine der Mütter die Bäckerei von Josef. Und tatsächlich gab
dieser mir einen Schlüssel seiner Almhütte auf der Königsfelder
Alm / Krasna Alm.
Eine
Almwirtschaft wie zu deutschen Zeiten gibt es bei den Ukrainern nicht mehr.
In
dem Buch über Deutsch-Mokra und Königsfeld wird hierüber eindrucksvoll
berichet:
"
Kamen Fremde zum ersten Male auf die Alm, dann wurden sie "gepritscht":
in der Mitte des Schlafraumes wurde eine lange Bank aufgestellt und auf das
Kopfende ein Kissen gelegt. Der Gast mußte sich nun bäuchlings auf die Bank
legen. Die Sennerinnen traten in Reih und Glied an; die Obersennerin hatte eine
Pritsche in der Hand. Sie schlug damit dem Gast dreimal auf das Gesäß und
sagte dabei: "Das erste für den Jungherrn, das zweite zur Ehr und das
dritte zur Gesundheit".
Da
ich ungeschoren davon kam, genoß ich in vollen Zügen die Aussicht auf die
Waldkarpathen mit dem Sonnenuntergang und fühlte mich wie weiland vor fast 90
Jahren die deutsche Jugendgruppe auf der
Stenjak-Alm, über dem Tal von Mokra. Vor vielen Jahren hatte ich in einem alten
Buch das Foto gesehen - und da wollte ich dann unbedingt auch hin...
"Wenn
der Schnee von der Olma wegga geht
und
in Frohjohr olles grüen aufsteht,
also
treib i meini Kuahln und die Kolm
ja
wohl wiedrum auf die houhe Olm. - Jodler.
Kas
und Butter kriagt ma bei den Sendlerinnen gnua(g)
und
an Rahmstrudl kriagt ma a dazu.
Wenn
ma nochfrogt weng am Nochtquortier:
Du
bist mei lustiga Bua, du schlofst bei mir. - Jodler.
Wann
da Gamsbock iber d'Stiegl springt,
und
die Sendlerin dann olli Liada singt.
Und
da schwarz Joidl springt die route Kuah,
a
so, a so, mei liaba Bua. - Jodler.
In
der Almhütte hatte ich den Ofen gehörig eingeheizt und vergnügt stieg ich am
Morgen wieder ins Tal. Ich bedankte mich herzlichst bei Josef für den Schlüssel
und nahm ein Frühstück im Cafe. Nachdem ich einen zerrissenen Riemen des
Rucksackes notdürftig geflickt hatte, führte mein Weg über die Grenzbrücke
des Flusses Theiß nach Sighet in die rumänische Maramuresch.
Noch
am Abend traf ich in Oberwischau
/ Viseu de Sus ein.
Die
Zipserei ist bekannt für ihr Wassertal, wo noch eine der letzten Waldbahnen
Europas fährt.
Für
die Besucher wird heutzutage eigens ein Touristenzug mit der Haltestation Paltin,
Museum und Waldlehrpfad bereitgestellt. Mit viel Brimborium und Verköstigung ähnelt
die Fahrt einer Gaudiveranstaltung, hat aber nichts mit dem eigentlichen Leben
der Holzfäller zu tun.
Dieses
Wochenende wurde in Rumänien das Pfingstfest gefeiert und ich nutzte die
Gelegenheit, das Schradenthal/Valea Scradei zu besuchen.
Eine
besondere Freude war die Nächtigung bei George Andreica. Er wohnte hoch droben
im Schradenthal,
und sein Haus war nur über Pfade und schließlich über eine Wiese zu
erreichen.
Aus
dem Fernsehfilm "Winter in der Maramures" von Titus Faschina
ist er mir bekannt, und er freute sich über meinen Besuch, zumal seine Frau
verstorben war und wir so über diesen Film sprechen konnten. So saßen wir auf
der Holzbank im Freien, blickten auf das kleine Kloster herunter und prosteten
mit Schnaps auf diese einmalige Landschaft.
George
führte mich am Morgen auf verschlungenen Pfaden wieder ins Wassertal, wo ich
meine eigentliche Waldbahnfahrt zu den Holzfällern fortsetzte. Zu diesen
Zwecken wird ein Produktionszug eingesetzt, der am heutigen Tag bis Kleinkoman
/ Coman (km 43,5) fuhr.
Nach
den Feiertagen waren die Holzfäller noch etwas müde, doch beladen mit dem wöchentlichen
Proviant und ihren Arbeitsgeräten ging es an die Einsatzorte.
In
den nächsten Tagen wanderte ich auf dem Schienenstrang zurück ins Tal, wobei
ich jeweils in Holzfällerunterkünften nächtigte.
Nicht
nur die Arbeit der Holzfäller, auch die Landschaft im Wassertal ist sehenswert:
in Mierasch /Mirai befindet sich ein deutscher Soldatenfriedhof aus dem 1.
Weltkrieg, in Feinen / Faina lohnt der Besuch der deutschen Elisabethkapelle im
Wald und in der Touristenstation Paltin wird die geschichtliche Entwicklung und
Bau der Wassertalbahn veranschaulicht. Wie gefährlich war damals das Holzfällen
und die harte Arbeit der Flößer.
Unterwegs
habe ich immer gehofft, wildlebende Tiere zu beobachten. Ja, und als es dann so
weit war, hab' ich's nicht glauben können. Nach dem ich den 1. Tunnel
durchschritten hatte und wieder zurück ging, blickte ich noch einmal auf den
Tunneleingang zurück. Da Tiere nicht durch den Tunnel laufen, kam doch tatsächlich
ein junger Schäferhund vom Ufer auf die Gleise... Seit wann gibt es hier
junge Schäferhunde? Seit über 20 Jahren besuche ich das Wassertal und habe
noch nie Schäferhunde gesehen. Bis ich begriff und den Fotoapparat zückte, war
der junge Wolf entschwunden ....
Am
Freitag, d. 5. Juni, verließ ich die Maramuresch und fuhr über Klausenburg /
Cluj nach
Über
Groß Lasseln / Laslea - Felsendorf / Floresti besuchte ich das mir lieb
gewordene Malmkrog /
Malincrav, wo ich verschiedene Bekannte besuchte.
Zwischenzeitlich
hatte man neue Wanderwege angelegt, und nach dem sonntäglichen Gottesdienst in
Malmkrog versuchte ich wieder mein Wanderglück. Der neue Weg führte in
Richtung Probstdorf / Stejarisu.
Ein
Stück talwärts standen prächtige alte Eichen. Das war ein Plätzchen zum
Verweilen, von dem aus man eine gute Sicht hatte und den Sonnenntergang
beobachten konnte. Ein Schäfer zog mit seiner Herde vorbei, und ich dachte beim
Einschlafen unter
einer Eiche an
den Gedichtsband von Nikolaus Lenau, den mir zuvor ein Freund überlassen hatte.
"Das
Posthorn"
Still
ist schon das ganze Dorf,
alles
schlafen gangen,
auch
die Vöglein im Gezweig,
die
so lieblich sangen.
Dort
in seiner Einsamkeit
kommt
der Mond nun wieder,
und
er lächelt still und bleich
seinen
Gruß hernieder, ...
Im
Frühtau sprang ich auf und zog alsbald in Probstdorf zum Frühstück ein.
Über
Agnetheln / Agnita erreichte ich Reichesdorf
/ Richis, wo ich gerne
im Gästehaus übernachtete.
Die
Tage wurden nun heiß, der Mohn blühte und ich genoß es jedes
Mal, wenn mich ein Pferdefuhrwerk ein Stück des Weges mitnahm.
Ich
blieb noch eine Nacht in dem nicht mehr bewirtschafteten Pfarrhaus der
Kirchenburg in
Zeitig
ging es über Mediasch mit dem Bus zurück nach Hermannstadt, wo ich Zeit hatte,
einige Museen zu besuchen und mich am rumänischen Bier auf dem Großen Ring zu
laben. Der abendliche Flug in einen herrlichen Sonnenuntergang brachte mich dann
über München nach Frankfurt/Main.
Kurz
nach Mitternacht, am 11. Juni 2015, erreichte ich nach vielen schönen
Erlebnissen mein zu Hause in Herborn.