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Transsilvaniens heimliches Wappentier

ein Artikel aus dem Buch: "DIE HORA nimmt kein Ende"

von: Dr. Ernst-Otto Luthardt


Der eine muß seine Violine untern Arm klemmen, bevor er den Stall betritt. Das reicht gerade, um das Tier zu beruhigen - was zu wenig ist für eine bäuerliche Wirtschaft. Um Milch fließen zu lassen, braucht es noch einer gediegenen musikalischen Einstimmung. Dem Mann bleibt nichts anderes übrig, als mit dem Bogen über die Seiten zu streichen, während sich seine Frau, auf die erstaunliche Wirkung der Musik vertrauend, am Euter des Gezähmten zu schaffen macht.

Die beiden haben Glück, daß sich ihr Tier damit zufrieden gibt und nicht, wie anderswo verbirgt, sich auch in modische Angelegenheiten einmischt. Wird in einem Stall nur Milch geliefert, wenn die Bäuerin den Strohhut mit der roten Schärpe trägt, so ist im anderen nicht erlaubt, lange schwarze Röcke anzuziehen. Es sei denn, man verzichtet auf die Milch. Beides zusammen geht nicht. Das Tier bliebe fest, die Milch aus.

Die Rede ist vom schwarzen Hausbüffel, einem Tier mit Charakter. Da der Mensch fest davon überzeugt ist, genug von diesem zu besitzen und animalischen Existenzen jeden Anspruch darauf verweigert, ist der Konflikt unausweichlich.

Die transsilvanischen Bauern haben die Konsequenzen gezogen. Der Bestand ist seit Beginn der Mechanisierung in der Landwirtschaft drastisch zurückgegangen. Traktoren haben nach und nach ds einstige heimliche Wappentier Transsilvaniens (so häufig fand man es in dieser Landschaft) verdrängt. Diese Entwicklung hat sich zwar in den letzten Jahren verlangsamt, ist aber noch nicht aufgehalten. Was nützt es, wird argumentiert, wenn der Büffel dreimal so viel Kraft besitzt wie ein Ochse, sein Besitzer aber das Zehnfache an Überredungskraft und listigem Einfallsreichtum aufbringen muß, um das Tier von der Übereinstimmung menschlicher und eigener Interessen zu überzeugen? Zumal es töricht wäre, dem mit der Peitsche Nachdruck verleihen zu wollen.

Man muß schon ein entschiedener Traditionalist oder ein ebenso ausgeprägter Feinschmecker sein, um die Eigensinnigkeit des Büffels geringzuschätzen gegenüber seinen Vorzügen, die sogar noch umstritten sind. Mit einer Ausnahme: Unübertroffen sei, so die Kenner, die Qualität der Milch, die unter so enormen Aufwand den Tieren abgeluchst und meist zu Butter, seltener zu Käse verarbeitet wird. Es heißt, daß mit Büffelmilch zubereiteter Hanklich von besonderem Wohlgeschmack sei.

Als ich zum erstenmal eine Tasse dieser Wundermilch in die Hand gedrückt bekam, wunderte ich mich über den fast aufrecht stehenden Löffel, der sich auch beim Neigen des Gefäßes nicht rührte: Der Fettgehalt der Büffelmilch übertrifft den der Kuhmilch um das Drei- bis Vierfache. Die Mienen meiner Gastgeber waren erwartungsvoll. Ihr Hinweis auf die vorzügliche Heilwirkung der Milch bestätigte mich in meiner Zurückhaltung (je größer der Erfolg, desto bitterer die Medizin), ermöglichte aber auch einen Kompromiß. Nicht als Leckerbissen wollte ich das Getränk genießen, sondern als Medikament ertragen.

Doch dieses Hintertürchen hätte ich mir gar nicht zu öffnen brauchen. Wenn es in einer Bauernregel heißt, aus der Milch der Kuh oder der Ziege könne man herausschmecken, auf welcher Weide sie gestanden, welche Kräuter und Gräser sie gefressen haben, so scheint mir das auf den Büffel nicht übertragbar. Als ausgesprochener Vielfraß bekannt, ist er kein bisschen wählerisch. Er nimmt das zu sich, was eine Kuh verschmäht: miniderwertiges, verholztes Gras und Buschwerk.

Die Milch ist aber hochwertig. Ihren Geschmack zu beschreiben, ginge nicht ohne Vergleich - es sei denn, der Gesprächspartner kennt sich aus. Doch dann hätte er von der Milch genug und brauchte keine umständliche Beschreibung, die ihm den Genuß womöglich noch vergällen würde. Ich selber hätte Bedenken, sie irgendeinem anderen Getränk oder Gericht auch nur annähernd gleichzusetzen.

Die Milch der Ziege, die die Großeltern hielten und an die ich mich nur noch erinnern kann, weil ihren Nachkommen die ersten Wochen nach der Geburt in einer hölzernen Kiste unter dem gleichen Tisch standen, an dem ich saß (die Geißlein sollten in der warmen Küche den Winter überstehen und so wachsen, daß sie als Osterbraten eine fünfköpfige Familie nähren konnten), diese Ziegenmilch schmeckte für mich nach Nüssen.

Die Großmutter, die Oma genannt werden wollte, hatte mich darauf gebracht, und die Frauen, die jeden Morgen um sieben Uhr mit ihren blechernen Henkeltöpfen in das Haus mit der flchen Vorder- und der hohen Hinterfront (es war direkt an den Berg gebaut) kamen, wo sich die Zentrifuge befand, und sich ihre Milch in Mager- und Vollmilch schleudern ließen, vergaßen nie, den Nußgeschmack zu rühmen.

Es gab für mich keinen Anlaß, ihnen zu mißtrauen. Ich schmeckte wirklich die Nüsse heraus, und ich habe meinen Kindern, die Ziegenmilch nicht kennen, davon erzählt. Ein Nußbaum stand jedoch weder im felsigen Garten hinter unserem Haus, noch hat Großmutter etwa von anderswo Blätter besorgt und zugefüttert. Der erwähnten Regel nach hätte die Milch eher nach Spitzwegerich und krautigem Grasverschnitt schmecken müssen. ... Die Maus zu entdecken sei schwieriger als sie zu fangen, hörte ich in Rumänien - und bekam es zu Hause als Kammerjäger zu spüren. So etwa mag es sich mit unseren Gewohnheiten, Vorurteilen und überlieferten Anschauungen verhalten, wenn es darum geht, sie zu erkennen.

Als die Büffel langsam, aber ihres Weges sicher auf den roten "Dacia" zuhielten, dessen Fahrer die Verwegenheit, vielleicht auch Ahnungslosigkeit besaß, mit Hupsignalen die stallwärts trottenden Tiere zur Seite zwingen zu wollen, sah ich Hinterlist und Tücke in den großen, runden, mit Blut unterlaufenen Augen. Die Hälse waren weit nach vorn geschoben, die Schwänze peitschten wild. Niemals hätten die drei Schuljungen mit ihren dünnen Weidengerten die Tiere halten können, wären die erst einmal zum Angriff übergegangen.

Während der Vater - gemächlichen Schrittes - hinzukam, besann sich der Fahrer des Rückwärtsganges. Die Situation war entschärft. Sie hätten den Wagen nur in ihre Mitte genommen, witer nichts, wurde mir von dem freundlichen Mann versichert. Ein paar Schrammen vielleicht, von den Hörnern, die sie an allem und nichts stießen, möglicherweise auch an Karosserien. Unterscheidungen dieser Art können man den Tieren ja beim besten Willen nicht abverlangen. Im übrigen seien seine Büffel anhänglich, treu und verläßlich wie nichts auf dieser Welt. ... Und sie schienen seinen Worten Recht zu geben. So, als ob es nicht beinahe zu einem Malheur gekommen wäre, schritten sie, sich schiebend und stoßen, an uns vorbei, und ihren großen Augen glotzen unschuldig und vorwurfsvoll.

Ein Vorurteil also, die angebliche Tücke und Angriffslust der Büffel? Vielleicht. Ich habe nie die Probe aufs Exempel gemacht - was nicht heißen soll, daß ich ihnen aus dem Weg gegangen bin. Immerhin ließ ich mich mit einem aus ihrer Sippschaft in ungewohnter Vertraulichkeit fotografieren; mein rechter Arm lag - locker - auf dem massigen haupt meines Partners.

Stan, ein alter Bekannter, wollte mich partout von der Sanftmut seines "Bubalus" überzeugen. Zu ängstigen brauche ich mich kein Bißchen, da er und das Tier nicht nur die gleiche dunkle Bräune, sondern auch ein gemeinsames exotisches Herkunftsland, nämlich Indien, besäßen und als alte Bekannte friedlichen Umgang miteinander pflegten, nachdem man sich hier, in Transsilvanien, wieder getroffen habe.

Der Koloß habe gerade ein Bad genommen, wurde mir versichert, und sei besonders wohlgestimmt. - Jetzt, im August, führte die Târnava wenig Wasser. Kinder und Büffel teilen sich die Kieswannen, und es bedurfte einer wahren Büffelhaut, um bei all dem Getobe und Herumtollen die Ruhe zu bewahren und nicht die Geduld zu verlieren.

Ein Unglück? Nein, das habe es noch nie gegeben. Wieso auch ... Ich kam ihm mit den Geschichten, die ich über die Büffel gehört hatte. Geschichten von aufgespießten und durch die Luft geschleuderten Männern, von niedergetrampelten Zäunen und demolierten Ställen. Das sei übertrieben, lächelte Stan, und zumeist von denjenigen in die Welt gesetzt, die keine solchen Tiere besäßen. Wenn wirklich einmal etwas passiere, dann nur, weil der Besitzer, nicht aber der Büffel, die Nerven verlöre.

Ich sah wieder den Exotenzug jenes zweimastigen Wanderzirkus vor mir, der auf dem großen Marktplatz sein kleines Zelt aufgeschlagen hatte: zwei Dromedare, eine Antilope, ein zottiger Yak, ein müder Esel und ein halbwüchsigerBüffel mit einem goldglänzenden Ring in der Nase. Da eines der Dromedare vorfristig die Manege verließ, trieb der Dompteur auch die anderen Tiere heraus und beendete die Vorführung. Während er sich verbeugte, lief der Büffel noch immer. Wahrscheinlich, weil es ihm so beigebracht worden war und er kein Verständnis für die überraschende Kürzung aufbrachte. Der Dompteur riß ihn wütend am Nasenring und brüllte, wie er es vier Nummern zuvor mit seinen alten, schwerhörigen Löwen getan hatte.

Verstehe, grinste Stan und drehte den verstümmelten Daumen seiner linken Hand nach unten. Nein, so schlimm nicht. Der Büffel stand mit den Vorderbeinen in einer Loge, der Dompteur lag im Sägemehl.

Bevor ich nach Transsilvanien gekommen bin, stand für mich fest, daß der schwarze Hausbüffel voller Hinterlist und ihm mit Vorsicht zu begegnen war. Heute sehe ich ihn als Tier mit Charakter. Er hat seine Gewohnheiten und Rituale, von denen er nicht abweicht. Das Wissen darum verhindert Mißverständnisse - ähnlich denen, die ich einst im Zirkus erlebt hatte. Versuche, die Natur des Tieres zu unterlaufen, endeten allsamt kläglich.

Ich habe Büffel aus Wasserläufen beziehungsweise auch aus hölzernen Tränken trinken gesehen, nie aber aus Vorrichtungen der Art, wie sie als mobiles Gefährt auf unseren Kuhweiden (und auch auf den rumämnischen) stehen. Versuche, ihnen das zuzumuten, gipfelten stets in einem Höhenflug der Anlage.

Ingenieur Tasch, Direktor der Forschungsstation für Büffelzucht, so las ich in der deutschsprachigen rumänischen Presse, hält es dennoch für möglich, die Tiere sogar an eine Melkanlage zu gewöhnen. Allerdings müsse man gleich nach dem Abkalben damit beginnen, sonst sei es zu spät. Die Idee ist nicht schlecht, die Rechnung einleuchtend: Eine gute Büffelkuh liefert zwar nur knapp achthundert Liter Milch pro Jahr, erreicht aber ein höheres Lebensalter und kann auch durchschnittlich fünf Jahre länger gemolken werden als eine Kuh. Hinzu kommt die sprichwörtliche Bescheidenheit hinsichtlich des Futters, die sich besonders im Winter bezahlt macht. Die Büffel fressen Stroh und Maisstengel, auch Weizenspreu mit Rübenschnitzeln. Sie fressen das, was sonst auf den Feldern und Wiesen und den Kühen im Magen, auch wenn der noch so vielfach gegliedert ist, liegenbliebe.

Der wirtschaftliche Anreiz, die aufmüpfigen Tiere wirklich stallfromm zu machen, ihnen die Flausen abzugewöhnen und sie durch züchterische Eingriffe der Friedfertigkeit zu verpflichten, ist jedenfalls groß. Doch des Büffels Widerstand mindestens ebenso. Ich bin mir eigentlich sicher über den Ausgang dieses Unternehmens. Seit Jahrhunderten versucht man vergeblich, die Tiere menschlichen Bedürfnissen entsprechend zu disziplinieren. Schon die Türken, die sie auf ihren Kriegszügen mit Munition und Beute beluden und so für ihre Verbreitung auf dem Balkan sorgten, waren da wenig erfolgreich. Die Büffel haben Trott und Trotz beibehalten. Wenn "Büffeln" heute mit verbissenem, angestrengtem Lernen gleichgesetzt wird, hinkt dieser Bezug - zumindest mit Blick auf den transsilvanischen Hausbüffel.

Als der Gouverneur Samuel von Brukenthal acht besondere, weiße Tiere dem damaligen neapolitanischen König zum Geschenk machen wollte, mußte der, wohl oder übel, lange auf die Büffel warten. Selbst die Verlockung einer königlichen Audienz konnte sie nicht aus der Ruhe bringen und zu schärferer Gangart veranlassen. Fünf Monate brauchten sie auf ihrem Trott von Hermannstadt (Sibiu) nach Neapel.

Ingmar Weise hat diese und andere "Siebenbürgische Büffelkuriositäten" ans Licht geholt und auch darauf aufmerksam gemacht, daß vor knapp hundert Jahren die philosophische Fakultät der Hallenser Universität tatsächlich einen einen richtigen Doktorhut für eine Untersuchung "Über die wirtschaftliche Bedeutung des gemeinen Büffels" vergeben hat.

Als mich Stan zum erstenmal auf die "Büffelklaviere" aufmerksam machte, glaubte ich mich zu verhören, beziehungsweise seine Worte falsch zu übersetzen. ... Es hatte seine Richtigkeit. ... Wer Transsilvanien kennenlernen will, und das nicht nur aus der Sicht des Autofahrers, kann daran nicht vorbeigehen: an den Trittspuren der Büffelherden. Auf dem Weg zur Tränke oder in den Stall prägen sie jeden Tag mit gleicher, unerschütterlicher Gelassenheit dem Boden ihr Charakterbild ein. Die Eindrücke sind scharf und präzise; so, als setze jedes Tier jeden Huf immer an die gleiche Stelle. Mit psychologischen Begriffen erklärt - der Büffel ist ein stoischer Individualist mit ausgesprochenem Sinn für Beständigkeit. Demjenigen aber, der ihm dabei in die Quere kommt, begegnet er als Choleriker. Dieses Tier kann sein Temperament dosieren, und man könnte es darum beneiden.

Als ich im Winter über die hartgefrorenen Weiden lief, den Spuren der Büffel folgend, knisterte im Ried das Eis unter meinen Füßen, und das Schilf schnitt mir in die Hände. Gelb leuchtete das Gras unter der dünnen Schneehaut. ... Wo sie durchgezogen waren, leckte lehmiges Wasser den Schnee. Der Kontrast hätte nicht größer sein können. In den welligen Hügeln sah ich die Tastatur des Klaviers, das elfenbeinweiße und ebenholzschwarze Nebeneinander von Helle und Schwärze, Höhen und Tiefen. Ich hörte Töne und Halbtöne.

Die schwarzen Büffel, in deren Fell sich Dezemberlicht hing, wendeten nicht einmal die Köpfe. Sie fraßen Mais, der liegengeblieben war, und ihre Leiber dampften braun in den Himmel.

Ein Artikel aus dem Buch "DIE HORA nimmt kein Ende" ... von Dr. Ernst-Otto Luthardt ... Greifenverlag zu Rudolstadt / 1987 ... ISBN 3-7352-0060-5

Ein herzliches Dankeschön an Dr. Ernst-Otto Luthardt für die Nutzungsrechte dieses Artikels auf den Karpatenwilli-Seiten!


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