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Rumänien 1999

Nach 10 Jahren erneut in die Karpaten

Ein Reisebericht von Frank Weise (Dresden)


Irgendwann Anfang 1999 fiel mir beim Aufräumen die "Einladung in die Karpaten", jene Sammlung von ca. 2 Dutzend Karten des rumänischen Karpatenbogens in die Hand. Der letzte Besuch lag 10 Jahre zurück, die (touristisch erlebbare) Welt war 10-mal so groß geworden, die Arbeitslosenzahlen liegen hierzulande zehntausendmal so hoch wie vor zehn Jahren und der Kurs des Lei war dortzulande zehntausendmal höher als heute. Und wie mag es den Leuten da ergehen? Was mag aus Gheorghe und Nikolai geworden sein? Gibt's den Zirnei-Fußball noch? Viele andere Episoden und Erlebnissen meldeten sich aus den hinteren Gedächtnisgängen wieder und irgend etwas in mir sagte, da mußt Du demnächst hin.

Nun ist es gar nicht so einfach, seine Frau davon zu überzeugen, mit den beiden Sprößlingen 3 Wochen "allein zu Haus" zu spielen. Hoffentlich ist ist "Rumänophobie" nicht erblich!:))) Andererseits fanden gerade alle Interessenten, denen ich von meinem Vorhaben erzählte, (mal wieder) einen Job und so mußte es erst August 2000 werden, um das Vorhaben zu realisieren.

Da ich nun nicht wieder "wie der Frisör" losziehen wollte, hab' ich noch einen Abstecher zum rumänischen Touristenbüro in Berlin gemacht. Hätte ich mir aber verkneifen können. Der gute Mann ist eher etwas für Pauschalreisende. Sinnvoller ist dann schon das Nachbarbüro: die Niederlassung von Tarom, aber mit dem Flugzeug von Dresden nach Sibiu dauert es genau so lange wie mit dem Zug, nur der Preis ist eben ein anderer. Aus den ursprünglichen 8 Leuten, die mitfahren wollten, waren noch ganze vier übrig, die zum geplanten "17-tägigen siebenbürgener Gebirgs- Hopping" starteten: Melanie und Henry, Carsten und ich.

So ging es dann Freitags um fünf von Dresden mit der S-Bahn bis Schöna, dort über die Grenze bis nach Dolni Zleb, wo Punkt 19.00 Uhr der Schienenbus nach Decin fährt. Die Fahrkarte über Decin nach Prag löst man im Zug oder beim freundlichen Stationschef der CD. Der Automat wollte je Fahrkarte 90 Kronen (also an der Grenze oder vorher tauschen). Zeiten und Preise unter: http://idos.datis.cdrail.cz Es gibt sogar eine Busverbindung, die noch weniger kostet. In Decin hieß es umsteigen, nicht in den EC Dresden-Prag, sondern in den vorausfahrenden Schnellzug. Der hat den Vorteil, daß er bis Hauptbahnhof fährt, man sich die Stadtquerverbindung per Straßenbahn oder S-Bahn spart und der zudem ohne Zuschlag benutzt werden kann. Kurz hinter Usti war allerdings für ca. 50 min Pause: Schienenbruch.

Nun ist man ja von Eisenbahnunternehmen so einiges gewöhnt, was wir dann erlebten, erstaunte uns aber doch: Die Zugbegleiterin ging persönlich durch die Wagen, erkundigte sich in mindestens vier Sprachen (Tschechisch, Englisch, Deutsch und Spanisch oder Italienisch) nach den Reisezielen der Fahrgäste jedes Abteils und gab sogar die Dauer des Aufenthaltes fast auf die Minute genau an (daß sie sich im Namen der CD für die Panne entschuldigte, obwohl sie ja nun weiß Gott nichts dafür konnte, versteht sich fast von selbst :)). Solchen Service erlebe ich bei Eisenbahnunternehmen, die den 5-fachen Preis verlangen, nie! So kamen wir statt 21:30 eben 22:30 an. Der Anschlußzug fuhr 23:45, allerdings nicht, wie www.bahn.de uns weismachen wollte, bis Budapest, sondern bis Bukarest. Des Rätsels Lösung: Bis Budapest heißt der Zug 375, danach R375. Warum der allerdings 8 Minuten vor der Ankunft von 375 in Budapest abfahren sollte, ist mir bis heute ein Rätsel.

Nun stelle man sich einmal vor: Ein Reisender kommt um 22:30 im Dresdner Hbf an und benötigt einen internationalen Fahrschein in's übernächste Land. Was wird wohl passieren? Gar nichts, denn der letzte Schalter schließt um 22:00 Uhr. Und mit Reiseverpflegung wäre es schon eine Stunde vorher "Ritze" gewesen. Und das in einer Landeshauptstadt! Nicht so in Prag. Auf unsere am Infostand in englisch vorgebrachte Frage nach Fahrkarten nach Arad wurde uns deutsch der Weg in's Untergeschoß gewiesen (unser englisch war wohl doch zu "deutsch"). Dort hatte natürlich nicht nur eine Kasse auf, die mit einer (postsozialistischen) Wartegemeinschaft bestückt war, nein, zwei Schalter bedienten die Reisenden flott und freundlich. Daß wir hier mit DM, Dollar oder Kreditkarte hätten bezahlen können, sei nur am Rande erwähnt. Für die Fahrt nach Arad löhnten wir dann ca. 1800 Kronen, etwa 105 DM. Zeit zum Auffrischen (im wahrsten Sinne des
Wortes) der Reiseverpflegung blieb auch noch. Das Thermometer zeigte 32 Grad.

Der Zug war gut belegt, für uns fand sich jedoch noch ein leeres 4-er Abteil. Bis auf die störenden Besuche diverser wichtiger Amtspersonen ging die Fahrt glatt, wenn man davon absieht, daß die Temperatur scheinbar je 100 km südlicher um ein Grad stieg. Ab Budapest (36 Grad) hab' ich dann aus Berufsneugier am Fenster gestanden: die Eisenbahnanlagen waren nicht neu, aber sauber und technisch o.k., soweit man das augenscheinlich erfassen kann. Bis Lököshaza. Dahinter dehnt sich ein vielleicht 10-15 km breiter Maisgürtel (der hier noch den Namen verdiente), der nur durch einen parallel zur Grenze verlaufenden staubigen Fahrweg unterbrochen wird. An dessen Kreuzung mit der Eisenbahntrasse saßen zwei Armeeangehörige, die sich notdürftig einen Unterstand/Sonnenschutz in das neben dem Weg wuchernde doppeltmannshohe Brombeergestrüpp getreten hatten. Ob die schon wußten, daß der kalte Krieg aus war?

Das nächste, was ich dann zu sehen bekam, war Curtici. Verfallene und zerschlagene Wachposten der Armee oder Grenztruppen, leere, verrostete Tankanlagen, ein riesiges Gleisgewirr (die Zollanlage), vollgestellt mit leeren, zur Verschrottung anstehenden Waggons aller Klassen und das alles überspannt mit 25 kV! "The day after" ließ grüßen! Die Waggons sollen jetzt wohl verschwunden sein. Und wo stehen sie nun? Am Bahnhof dann das (von früher) gewohnte Bild, Militär umstellt den Zug, solange der Zoll kontrolliert. Nur fehlte neuerdings die Kalschnikoff. Dafür hing jedem die Makarov am Gürtel. Wir hielten das "Eintrittsgeld" bereit, allerdings wollte es keiner. Später erfuhren wir, daß es eine "Ausreisegebühr" ist.

Die Entfernung nach Arad ist auf der Karte ein Katzensprung, mit 30 km/h dauerte er aber dennoch ca. 100 min. Dort angekommen, ging es ans Tauschen: "Leg' 100 DM auf den Tresen und Du bist Millionär!" Ist das nicht ein flotter Werbespruch? Hier wird er Wirklichkeit. Die anderen drei verzogen sich in die leidlich kühle "Schiene" und bestellten dort sicher die letzte "Ciorba de burte" ihres Lebens. Ich eß' ja schrecklich gern Flecke und Kutteln, doch für Henry, Melanie und Carsten galt: ".. und sie wußten nicht, was sie tun". Dafür gingen vorerst nur 2 der drei Löffel wieder zurück. Der Dritte leistete Henry die nächsten drei Wochen wertvolle Dienste und landetet erst kurz vor der Ausreise wieder im Lokal. Das Gesicht der Kassiererin sprach Bände ("Bahnhof")!

Ich hab' unterdessen die Versorgung mit Benzin sichergestellt (Bahnhofsvorplatz überqueren, links bis an's Ende der Häuserzeile (Internetcafe), dann rechts 500 m. Auf dem Rückweg noch für jeden ein Eis (vom Feinsten und das überall!) für zwei Groschen (!) mitgenommen. Nun hieß es, Fahrkarten zu erstehen. Das übliche Prozedere: Herausfinden, 1. wann der Zug über welche Route in die richtige Richtung fährt, 2. welcher Schalter dafür zuständig ist, 3. ab wann der Schalter öffnet. Die "Information" wußte Bescheid, und das in leicht verständlichem Englisch. Ich war sprachlos! Die erste Verbindung nach Sibiu sollte 25 DM kosten, die zweite 16. So warteten wir noch eine Stunde länger (und waren trotzdem eher da). Wirklich überrascht war ich, daß das ganze Land, zumindest aber die "Offiziellen", scheinbar einen Englischkurs absolviert hat. Die Jugend sowieso.

Im Nachbarabteil saß eine Truppe "Yuppies", die genau so handyvernarrt waren wie ihresgleichen bei uns. Man fuhr von Arad "über's Wochenende an's Meer". Uns fuhr der Zug an der Mures entlang. Die Hitze ließ am Abend etwas nach, die Felder wurden immer vertrockneter, in der Nähe von Deva dachte ich an Schilf im November, aber nicht an Mais im August. Kurz vor Mitternacht kamen wir in Sibiu an. Der Anschluß in Richtung Olttal war leider planmäßig weg. Aber zum Glück erwacht das Leben in rumänischen Bahnhöfen erst in der Dunkelheit. Vermutlich reist der "Normalo" hier nachts, ansonsten würde die CFR die Masse ihre Züge doch tagsüber fahren und nicht erst in der Dunkelheit. Uns war es recht, kamen wir doch kurz vor Mitternacht noch nach Talmanciu. Talmanciu ist ein kleines Dorf am Olt, kurz bevor er auf seinem Weg die Karpaten durchbricht. Für unsere Schlafansprüche ideal. Aus dem Dorf 'raus auf's nächste Feld und rein in die Schlafsäcke.

Wäre am nächsten Morgen um Sieben eine Kamera mitgelaufen, hätte sie bizarre Bilder einfangen können: Auf dem grasbestandenen Fahrweg zwischen zwei Maisfeldern mit Kürbis-"Einsprengseln" liegen in Sichtweite des Paului vier gefüllte taubeperlte Schlafsäcke, deren Inhalte durch einen GPS-synchronisierten Wecker aus dem Schlaf gerissen werden. Schnell waren die Siebensachen verstaut und ab gings zum Bahnhof, diesmal (Hinterhof-)feldein.

Auch hier galt: Die Bahn kommt. Nur weiß keiner, wann. Für den sagenhaften Preis von 1,10 DM beförderte uns das schnaufende Dieselroß dann in knapp zwei Stunden die vielleicht 45 km durch's Olttal bis kurz vor dessen Ausgang: Pausa. Der eigentliche Ort liegt jenseits der Staumauer. Als wir auf der standen, war uns klar, weshalb das ganze Olttal eine einzige (nun verlassene) Baustelle einer Wasserkaskade ist: Wasser war zwar jetzt Mangelware, zur Schneeschmelze aber sicher überreichlich vorhanden. Das Wehr war vielleicht noch zu 20 % gefüllt und total grün-braun, was aber selbst 5-jährige (oder zumindest so große) Kinder nicht davon abhielt, hineinzuspringen. Ich hätte es nicht draufgehabt, schließlich lag der Absprungplatz etwa 8-9 m über der Wasseroberfläche und die Mauer war leicht geneigt! Hut ab!

Uns lag jedenfalls erst einmal mehr an Magenfüllung denn an Vergnügen. Im Kurort öffnete gerade die ersten "Pizzeria". Das Wort "Salami" scheint aber im Rumänischen aber eher mit "Bockwurst" übersetzt zu werden. Danach, weder satt noch froh, fanden wir dann DIE rumänische Leckerei, eine Art Blätterteigröllchen, in die verschiedene Füllungen gerollt wurden. Mein Favorit war eindeutig die Apfelfüllung (schmeckt wie Wiener Apfelstrudel, leckerst!!!!), die anderen standen mehr auf Käse diverser Sorten oder Pudding.

Gegenüber an der Straße ein Kino mit 47 (!) Plätzen. Gezeigt wurde u.a. gerade Bram Stoker's "Dracula"! Ob der hier trotz der rumänischen Untertitel als Heimatfilm durchging? Am Ortsanfang stand das (überall) anzutreffende "Magazin Mixt", in dem es gut geräucherten Speck und gelben Kaschkaval gab. Vor der Tür bettelte ein Mütterchen, die sich wie ein Schneekönig freute, als ich Ihr zweimal 900 Lei in die Hand drückte. Das waren 18
Pfennig. Jeder Bettler bei uns hätte dies als Beleidigung aufgefaßt. Neben dem Apfelstrudelstand lud gerade ein LKW Melonen ab. Und so kam Henry zu 5 kg "Übergewicht".

Dann fiel der Startschuß. In der größten Mittagshitze (12:00) aus 260 m Höhe steiler Aufstieg durch dichte Buchwälder, in denen sich kein Lüftchen regt, dafür um so mehr Fliegen, steigen wir in's Cozia-Massiv ein. Sämtliche am Wegesrand vermuteten oder gewesenen Bäche sind ausgetrocknet. Unser Ziel ist das Cozia-Kloster. Dort muß es irgendwo Wasser geben, schließlich baut keiner ein Kloster, um die Mönche verdursten zu lassen. Gegen halb drei sind wir dort. Das Wasser reicht gerade so zum Waschen und Wasserfassen. Nach dem Mittagessen schauen wir uns in der erbetenen züchtigen Kleidung das Kloster an. Wir sind die einzigen "Touries", ansonsten nur Menschen, die "das Kloster leben lassen".

Wir wollen das Gelände gerade verlassen, da kommt einer der Popen mit einer Plasteschale voller Kornäpfel und einem Schwarzbrot, frisch duftend aus der Klosterbäckerei, auf uns zu. Wir sind von soviel Gastfreundschaft regelrecht beschämt. Die Äpfel munden vorzüglich, das Brot ist fast noch besser. Nachdem wir uns mit einem Pfund "Krönung" revanchiert haben, geht's weiter. Doch schon kurz hinter dem Kloster, der Weg wird gerade gepflastert, naschen wir schon wieder von den Früchten des Klostergartens: diesmal sind es zuckersüß-saftige Mirabellen, die uns regelrecht über die Mauer in den Mund wachsen. Daß man bei soviel Labsal nicht weit kommt, ist eigentlich klar. Auf einer kleinen grasüberzogenenen Felsnase gegenüber den "Scherenspitzen" ist dann auch Schluß für heute. Die Sonne taucht das Olttal tief unter uns rotes, milchiges Licht. Im Wald das Summen, nein Rauschen von abertausenden geflügelter Waldbewohner. Dazu in der Abenddämmerung das Knacken der Zweige der mit der Nahrungssuche beschäftigten Vierbeiner im Unterholz.

Der nächste Morgen war nicht viel kühler. Der Weg windet sich immer höher, wird immer schmaler und steiniger, teilweise führt er auf glitschigen Baumstämmen über 20 m tiefer liegende, derzeit nur noch feuchte, sonst aber bestimmt schäumende Gebirgsbäche, teilweise an Ketten enge Schründe empor, teilweise unter märchenwaldverdächtigen Nadelbäumen entlang. Nach der letzten Scharte steht man plötzlich auf dem Ausläufer eines Plateaus, der Wind weht sanft (herrlich!) und kaum 100 m höher liegt der (noch nicht einsehbare) Gipfel, den ein Sendemast für alle möglichen Verwendungen krönt. Daneben steht ein knastähnlicher Bau, der militärisch bewacht wird. Der diensthabende Bewacher schaut uns genau so mißtrauisch an, wie wir ihn. Auf der anderen Seite des Hügels liegt dann die Cabana Cozia.

Es war Montag Morgen. Aus der auf der Terasse aufgestellten selbstgebauten riesigen Box dröhnten die Hits des vorigen Jahrzehnts. Das Bier war zum Glück genau so kalt wie die Luft hier oben im Schatten der Baude. Ich hab' mir dann noch ein bißchen Zeit genommen, die Zimmer zu inspizieren (6 DM p.P). Schiefe Pappwände mit Wärmedämmfaktor 0, die Türen noch einklinkbar. In jedem Zimmer (total durchgetretene Fußböden) ein windschiefer Kachelofen, der jedes Jahr bestimmt 2 mal ausgebessert wird. Dazu 2-8 Betten. Kleine Fenster mit je zwei Einfachflügeln. Wer hier im Winter nicht frieren will, braucht viel Holz! Neben dem Hauptgebäude stehen kleine "Hundehütten" im "Stâna-Stil", ganz aus Holz mit je zwei blau-weiß bezogenen Bettchen (niedlich!) und einem Stuhl. (Der Erfinder dieser Dinger hieß übrigens "Spartanus":))). Gegenüber der Berghütte standen die Ferienbehausungen derer, die früher Geld hatten (die mit dem dunklen Holz) und derer, die heute das Geld haben (die mit dem hellen Holz).

Nachdem unserem Bierchen noch ein Capucino folgte, machten wir uns an den Abstieg. Diesmal sollte uns der Weg am Omul (ich weiß gar nicht, wieviele Hügel diesen Namen tragen) vorbei in die Lovistei-Senke führen. Bis zum Omul ging auch alles glatt (allerdings jammerte es uns, daß wir die herrlichen Pilze stehen lassen mußten), dann war aber der Weg plötzlich zu Ende. Nach einer Stunde hatten wir ihn wieder, jedoch führte er in eine gänzlich andere Richtung, als gedacht. Und "Weg" war geschmeichelt! Keine 10 Meter ohne umgestürzten Baum, teilweise übersteigbar, teilweise nur umgehbar. Spätestens an dieser Stelle reifte in mir der Gedanke, ob der DAV (oder wer auch immer) nicht eine Partnerschaft mit dem rumänischen Bergsteiger-und Wanderverband in's Leben rufen könnte und vielleicht als Projekt Wegemarkierungen (auch Ketten/Seile) erneuern kann. Wenn die EU Gelder hat, im überlaufenen Bran eine Wander- und Werbetafel für Wandertouren am Ausstiegsplatz der Tourie-Busse aufzustellen, deren Fahrgäste definitiv keine 10 km "überstehen", ohne halbtot umzufallen, dann müßte das doch wirklich zu machen sein. Für ein Land wie Rumänien ist der sanfte Tourismus nun einmal eine ausbaufähige Einnahmequelle. Vielleicht liest das jemand, der den Gedanken verfolgen kann.

Wir überstanden den Parcour jedenfalls halbwegs unbeschadet. Nach einem Abstieg durch einen jungen Buchenbestand, in dem sich der Weg dann restlos verlief, erreichten wir die Stâna Perisani: keine Schafe, also auch kein Wasser. Und so war's dann auch. Die Quelle bestand aus "schafgedüngtem" Schlamm. Die weiteren 500 Höhenmeter talwärts ging es recht steil durch Buchenwälder mit riesigen Bäumen. Auf dem steinhart ausgetrockneten Boden bildeten sich schon Risse. Die Weiden in Dorfnähe waren verlassen, nirgendwo Wasser.

Im Tal dann die Erlösung: Der Dorfbach führte noch Wasser, sonst allerdings 2 m tief, jetzt 1 m breit. Baden war also nicht. Für eine Wäsche hat es trotzdem gereicht. Frisch zurechtgemacht liefen wir die Dorfstraße entlang. Sofort gingen die Fenster auf! Wie in High noon! Nur anders herum! Als wir am Ortsausgang direkt auf dem (eigentlich gar nicht vorhandenen) Fußweg ein Wasserrohr mit Hahn sahen und im nächsten Haus fragten, ob wir uns bedienen dürfen, war sofort der Bann gebrochen. Stürmisch wurden wir von Kindern umringt. Nach ein bißchen Smalltalk woher/wohin (in Schulenglisch!) entließ man uns.

Von Pripoare wollten wir eigentlich durch die Lovistei-Senke bis zu den südlichen Ausläufern des Fagarasch laufen. Doch nach dem Besuch des "Magazin Mixt" (..die Butter neben dem Kamm..) haben wir uns einfach für den Weg bergab statt bergan entschieden. Kurz hinter dem Abweig in's Olttal hatten die Frühjahrshochwasser einen Bachmäander mit feinem Sand bedeckt, so daß sich auf der nun grasbestandenen
Fläche herrlich zelten ließ.

Es dunkelte schon, als es an's Abendessenbereiten ging. Wasser plätscherte in der Nähe (das aus dem Dorfbach war nicht zu gebrauchen), so daß ich einfach nur dem Geräuch nachging. Welch Erstaunen dann: Mitten in der Wildnis, 2 km von den nächsten menschlichen Behausungen entfernt, steckt ein 3/4-Zoll-Wasserrohr in der Erde, aus dem Wasser läuft! Zuerst denkt man natürlich an "Versteckte Kamera". Aber Irrtum, die gab's ja nur 941 km nördlich (sagte zumindestens das GPS)! Das Wasser war absulut klar, schmeckte neutral, roch allerdings genau so schweflig wie Geysirwasser in Island. Wir haben's genommen. Bleibende Schäden sind bisher nicht bekannt. Kaum stand das Wasser auf der Barthel-Bombe, tauchte die jüngere Dorfjugend plötzlich wieder auf. Wie gut, wenn man mehr mithat, als man eigentlich braucht. Besonders begehrt: Kaubonbons.

Bei Tageslicht haben wir uns die lustige "Quelle" dann näher angesehen. Sie schien tatsächlich durch das Wasser jenes Stollens gespeist zu werden, auf den uns die vorabendlichen Gäste aufmerksam machten: Ca. 180 m lang, 2x2 m Querschnitt, leicht ansteigend mit zwei Quergängen, teilweise massiv abgestützt. Was darin gesucht worden war, haben wir allerdings nicht in Erfahrung bringen können. Trotzdem sind wir etwa 2 Stunden in der herrlichen Kühle unterwegs gewesen. Draußen umfingen uns dann wieder die gewohnten knapp 40 Grad. So trotteten wir die staubige Straße dem Olttal entgegen. Im nächsten Dorf wollten wir unser Leergut vom vorherigen Abend abgeben. Die Besitzerin des Magazin Mixt sah mich mit Augen an, als ob auf meiner Stirn "E.T." gestanden hätte. Wir waren wohl die ersten, die den Unrat nicht einfach in die Gegend warfen oder hinter'm Haus verbuddelten. Das Problem der Abfallentsorgung scheint im ganzen Land äußerst gravierend. Die Logistik der Abfallentsorgung hat mit der Zunahme des materiellen Wohlstandes (und damit der Wegwerfmentalität, hier allerdings eher auf Verpackungen aller Coleur bezogen), kein bißchen mithalten können.

Je näher der Olt kam, desto breiter wurde das Tal, bald tauchten die ersten Ferienhäuser auf. An der Brücke über den Olt entschieden wir uns (leider) für die rechte Seite in Richtung Calinestii. Links wäre es kürzer zum nächsten Bahnhof gewesen. Zum Glück hatte ich mir auf der Hinreise die Strecke etwas angesehen. Nie und nimmer wäre ich sonst auf den Gedanken gekommen, daß der weiße Würfelbau am Gleis das ehemalige Bahnhofshäuschen war! Da keine Reisenden zu sehen waren (Fahrpläne auch nicht, das ist DIE rumänische Marktlücke), die Sonne heiß vom wolkenlosen Himmel brannte und Mittag grad vorbei war, stellten wir unsere Rucksäcke in den Schatten des weißen Baus, schnappen uns die Badesachen und rannten über die ausgedehnten, staubtrockenen Vorfluterwiesen zum Wasser. Der Pegel reichte allemal zum schwimmen. Die anwesende Dorfjugend staunte zwar nicht schlecht, daß ich dabei die Schuhe anließ, mir war's jedoch sicherer. Nach zwei Stunden waren wir wieder zurück, von Reisenden immer noch keine Spur. Die Rucksäcke hatten auch keinen interessiert.

Die Ortschaft besaß zwar eine Kirche, aber die war zu. Die Läden auch. Kein Mensch zu sehen. Immer noch Siesta-Zeit. Gegen vier kam dann etwas Leben in's Dorf und gegen fünf die ersten Leute auf den "Bahnsteig", darunter eine Frau mit zwei Kindern, der Große etwa so groß wie mein Vierjähriger daheim. Nur war der hier doppelt so alt. Überhaupt scheinen die Kinder die neuen Verhältnisse nicht besser zu vertragen als die vor 15 Jahren. Mit Händen und Füßen, rumänischen, spanischen, deutschen und englischen Brocken haben wir uns dann doch recht nett unterhalten. Irgendwann kam auch der Zug, nur war der schon krachend voll. Ich hab' also den Achtjährigen in den Zug begleitet, Melanie, Henry und Carsten sind in eine andere Tür eingestiegen.

Im Zug hab' ich dann einen Zettel mit dem Namen des Aussteigebahnhofs durchgegeben, zu meinen drei Mitstreitern zu gelangen, war unmöglich. Nun gibt es im Rumänischen aber zwei Schreibweisen für unser Ziel: Ciinenii und Cainenii. Auf meinem Zettel stand die Eine, am Bahnhof die Andere. Es kam, was kommen mußte: Ich stand draußen, die anderen drinnen. Und nun? Was würden die anderen jetzt anstellen, wie würden sie denken, was ich tue? Die Karte steckte bei mir im Rucksack! Daheim zückt man's Handy und die Sache ist geritzt. Hier gab's zum Glück einen Bahnhofsvorsteher. Und da der eine Amtsperson ist, hat er auch ein Telefon. Irgendwann hat der gute Mann dann auch verstanden, was ich wollte und er fragte an der nächsten Station nach, ob dort drei "Touries" 'rumstehen wie bestellt und nicht abgeholt. Standen sie natürlich nicht. Dort, wo sie standen, war die Straße und das, was sie wollten, war trampen. Da man aber doch sehr gutmütige und vertrauensseelige Fahrer (und vor allem robuste Autos!) braucht, um zu dritt mit Rucksack mitgenommen zu werden, standen sie auch noch, als ich mit dem nächsten Zug ankam! Was für ein grandioser Fahrplan: erst mindestens 6 Stunden gar kein Zug und dann im Abstand von 24 Minuten zwei Züge! Der zweite war allerdings mein Privatzug, außer dem Lokführer und dem Schaffner war ich der einzige Fahrgast! Daß der Zug überhaupt noch rollte, war schon erstaunlich, schließlich waren Lok und Wagen bestimmt schon lange im Rentenalter! Und wie es der gute rumänische Fahrplan wollte, fuhr sogar eine halbe Stunde später der Zug in die Gegenrichtung! In Rumänien klappt eben alles, nur eben nicht so, wie man es gewohnt ist.

So waren wir dann um neun wieder in Ciinenii. Die Straße über der großen Staumauer war der Treffpunkt der Abendspaziergänger des Ortes, die Hauptkreuzung des Dorfes erinnerte eher an den Zocalo einer mittelamerikanische Kleinstadt: Scheinbar waren alle Einwohner plauschend, spazierend, musizierend und trinkend im Sonntagsstaat gekommen, um den Montagabend zu genießen. Da mußte unsere Viererkette, bepackt mit 20-Kilo-Rucksäcken einfach auffallen! Im "Mixt" wurden noch einmal die "guten" Carpati-Zigaretten für die Hirten und Wein für uns (im Plastekanister!) geholt, dann gings im Abendlicht bis an die wirklich letzte Stelle, an der man noch zwei Zelte hätte aufstellen können: Auf einer Schwemmsandinsel im Bach! Der Blick zu den Sternen versprach eine trockene Nacht, und er hielt.

Der nächste Tag führte uns im Tal bis zu einer größeren Lichtung mit den Grundmauern verfallener Hütten, an deren oberen Ende etwas versteckt rechts bergan ein Weg abzweigt, der den steilen Cotii-Rücken erklimmt. Oben angekommen, bietet sich einem der Blick auf das halbe Fagarasch, dazu steht die erste Stâna, allerdings von der bescheidenen Sorte, vor der Nase. Weiter führt der Weg durch immer lichter werdende Laub- und Nadelwälder, bis die Baumgrenze bei etwa 1800 m erreicht ist. Hier machten wir erst einmal ein verspätetes Mittagsschläfchen, da unser Wasser knapp geworden war und die Sonne immer noch heiß vom Himmel brannte. Wären wir nur 700 m weiter gelaufen, hätten wir ganze Bergbäche leertrinken können. Im Licht der untergehenden Sonne und merklich auffrischendem Wind wurde das Nachtlager kurz vor dem Suru-Sattel aufgeschlagen.

In der Nacht fing es an zu regnen, was mich einerseits freute, war doch damit das Wasserproblem entschärft, andererseits zeigte sich das Wetter am nächsten Tag so schlecht, daß wir außer einem Abstecher auf die Suruspitze nur im Zelt hockten. Auf dem Rückweg hab' ich zwei Australier zur Suru-Hütte geschickt (ich wußte ja noch nicht, daß die abgebrannt war). Eine Gruppe unverzagter Ungarn (mit einer Ausrüstung, die allerdings besser in den Thüringer Wald gepasst hätte), stapfte auch noch durch den grauen Tag in Richtung Bilea-Lac.

Der Morgen darauf schickte eine Schafherde als Weckkommando. Die Sonne lachte die letzten Wolken weg. Der Abend am Avrig-See war dann recht windig. Melanie hatte sich wohl etwas übernommen: Überlastungs-Fieber. Carstens Weisheitszahn hatte sich auch noch entzündet. Fängt ja gut an!

Der nächste Tag führte uns über das Kirchdach, an dem sich alles staute: Einer der Ungarn des unverzagten Häufleins hatte sich das Knie verdreht und nun Probleme an der "Felsrutsche". Der Gute wog aber bestimmt hundert Kilo! Mit vereinten Kräften hat er dann doch sein Tagesziel erreicht. Das kleine Schneefeld unterhalb des Negoi wurde zum "El dorado" halb verdursteter Wanderer, wer sich nicht am Avrig eingedeckt hatte, hatte den Tag über schlechte Karten. Auf dem Negoi dann Unmengen Leute, die alle gleichzeitig durch die Teufelsscharte absteigen wollten. So etwas hab' ich vorher nur am Prinzen-Sattel in der Hohen Tatra bei Kaiser-Wetter erlebt!

Der nächste Tag führte uns über die Transfagarascher Hochstraße. Da wir nicht sicher waren, ob unsere Brotreserven bis nach Bran reichen würden, hat Melanie auf unsere Rucksäcke aufgepaßt und wir anderen drei sind die gut 500 m "abgerast": Nach 24 Minuten standen wir an der Straße! In den Ohren staute sich der Luftdruck. Da gutes Wetter war, hatten sich einige Händler an der Tunneleinfahrt eingefunden und boten Brot, Käse, Obst und Gemüse an. Selbst unser Wunsch nach einem halben Liter Benzin konnte befriedigt werden: schnell den vorsorglich von Carsten, unserem "Survivalmen" mitgenommenen Schlauch in den Dacia-Tank gehängt und der Fahrer war um 20 000 Lei reicher. Das Brot war prima, der in der Bilea-Hütte gekaufte Kaschkaval auch. Selbst die Ansichtskarten, die wir unfrankiert (!) den Händlern mitgaben, kamen in Dresden an. Wer würde sich bei uns darauf einlassen, im Gebirge einem wildfremden Menschen eine Ansichtskarte und eine Mark in die Hand zu drücken und sich darauf verlassen, daß der die Karte auch einsteckt? Aber wie gesagt, in Rumänien klappt eben alles, nur eben nicht so, wie gewohnt (wär ja auch schlimm, könnte man ja gleich daheim bleiben ..:)).

In der Hütte haben wir dann noch Mittag gegessen, war aber nicht so berühmt. Der Massentourismus ließ schon mächtig grüßen. Beim Anstieg galt es, die Abstiegszeit zu toppen. Henry hat's geschafft, wir beiden anderen waren etwas langsamer: 29 Minuten! Die Wanderung auf dem Graskamm über dem Bileakessel ist dann etwas für Genießer, zumindest wenn das Wetter mitspielt. Der Abstieg zum Capra, von dessen Fenster in den Bileakessel gerade einige Paragleiter zu starten versuchten, war dann eher etwas für die Freunde der Schotterpisten. Das Denkmal am Capra-Lac könnte auch mal wieder eine pflegende Hand vertragen, sonst sieht es bald auch so aus wie das Nerlinger-Denkmal oberhalb des Buda-Lac. Bis zu dem wollten wir. Doch zuvor hieß es, die Nordseite der Gipfelkette zwischen Capra und Drachenfenster zu passieren.

Der Abstieg auf die selbst in diesem Sommer noch reichlich vorhandenen Schneefelder war schon hart, der Aufstieg zum Drachenfenster allerdings schlauchte noch mehr. Das Fenster selber wird jedes Mal kleiner, zumindest stell' ich es mir jedes Mal größer vor. Der Abschnitt dahinter, "Drei Schritte zum Tod" (?) ist vielleicht bei schlechtem Wetter gefährlich, ansonsten eher harmlos. Der Weg bis zum Buda-See steigt dann noch mal ganz schön an. An einer Stelle ist er allerdings schon weggebrochen. Wenn's dann auch noch stürmt und regnet, steht der Rutschpartie in's Tal nichts mehr im Wege. Am Nerlinger-Denkmal begann unser Abstieg zum Buda-Lac, wo wir uns wieder einen Tag Rast gönnen wollten.

Das Tal selber stellt bei Sonnenschein DIE ideale Kulisse für jeden Indianerfilm dar: Hohe Felsen ringsum, eine sattgrüne Wiese, keinerlei Müll, ein kristallklarer Bergsee, (allerdings saukalt), davor ein kleines Bächlein, das gemütlich dem See entgegenplätschert. Sogar der Hügel für den Häuptling ist vorhanden! Aus den steinigen Verstecken der Murmeltiere erschallten unablässig deren Warnschreie. Leider wurde aus dem Genuß-Faulenzen nichts, das Wetter spielte diesmal nicht mit. Der Nieselregen anderntags ließ erst kurz nach drei nach. Wir sind dann doch noch zum "Abendspaziergang" Richtung Podragu gestartet. Der Aufstieg ist dann allerdings doppelt hart: Vom See auf die rechte Felsschulter, die in nicht enden wollenden Absätzen immer höher aufsteigt, bis sie auf 2380 m den Gipfel erklimmt.

Gezeltet haben wir dann oberhalb der Podragu-Hütte. Auf dem Sattel steht der neueste Wegweiser, den ich in den Karpaten gesehen habe! Der Abstieg ist nicht zu verfehlen. Die Podragu-Hütte selbst ist etwas für die Freude der Ceaucescu-Birne: Leibhaftige 15 Watt gleißenden Lichts im vielleicht wohnungsgroßen, naturbraun holzbeplanktem Hüttenraum! Nachdem wir mit ein paar Waffeln und etwas Käse wieder zurück waren, lief uns Gabi Nita über den Weg, ein Student aus Brasov, der nach seinem Baugewerks-Studium nur ein Ziel hatte: Deutschland. Daß gerade auf dem Sektor kein Bedarf besteht, sondern daß er da in Rumänien bestimmt besser aufgehoben wäre, wollte er allerdings partout nicht glauben. Gabi wollte auch über den Königstein, allerdings ohne erst einen Abstecher in's Jezer-Papusa zu unternehmen. Wir waren uns mittlerweile überhaupt nicht mehr so sicher, was noch machbar war: Melanie war zwar wieder auf dem Posten, aber Carstens Zahn wurde immer schlimmer und Henri's Knie meldete sich auch schon. Mein's hielt. Toi, toi, toi, dem Teleskopstock sei Dank.

Zum Abend wollte sich es Gabi nicht nehmen lassen, uns eine Runde Tütensuppe zu spendieren: Es war wieder eine Ciorba de burte! Made by Knorr! Mit Mühe konnten wir ihn davon abhalten, ohne ihn (erkennbar) zu kränken. Unser nächstes Mittagsziel hieß Moldoveanu. Dort konnten wir zwei Rumänen vor dem Verdursten retten. Sagten sie zu mindest, wir hatten ja jetzt einen Dolmetscher. Ich gab' ihnen die Trinkflaschen und bedeutete ihnen, sie nach Gebrauch wieder in meinen Rucksack zu stecken, den ich mit den anderen am Abzweig zum Gipfel in's Gras legte.

Der Gipfel war in Wolken gehüllt, nur für kurze Augenblicke riß der Dunstschleier auf und gab den Blick in's Tal frei. Als wir nach 20 min. wieder vom Gipfel zurückkehrten, war alles sauber verstaut. Ich glaube, mittlerweile wird in der Sächsischen Schweiz mehr geklaut, als in allen Gebirgen Rumäniens zusammen. Selbst wir hatten ja, streng genommen, schon nach zwei Stunden den ersten Diebstahl begangen: Henry's Löffel! Aber er war ja wirklich nur geborgt! Etwa 5 km hinter dem Moldoveanu geben die Berge den Blick durch das kleine und das große Fenster in den Simbata-Kessel frei. Völlig unverständlich ist mir dabei die Zeitangabe zur Simbata-Hütte: 40 min! Da fehlt bestimmt die 1 davor!

Wir aber wollten weiter. Hinter dem Virful los Mogos hat man dann zwei Varianten: Über die markante Gipfelpyramide des Urlea oder unterhalb des Dara entlang. Gabi wollte zwar über den Urlea, aber nicht allein. Da Carsten's Zahn sich immer noch nicht gebessert hatte, nahmen wir alle fünf die Rotbandvariante unterhalb des Dara. Und wir haben es nicht bereut. Ich war ja nun schon zum dritten Mal hier, aber der Blick einerseits ins Bindei-Kar und auf der anderen Seite zum Urlea-Lac, noch dazu in der Nachmittagssonne sind allemal ein Foto wert. Der kaskadenartige Abstieg vom Zirnei-Gipfel auf weichen Matten in die Zirnei-Senke zum "Fußball" ist dann etwas für die Sieben-Meilen-Schuhe des kleinen Muck. Wer die die nicht hat, für den zieht sich das Stück Weg doch noch ganz schön.

Neben dem Fußball lagerte eine Teenie-Truppe aus Moldawien mit Zelten, die schon zu Zeiten meiner Großmutter hergestellt worden waren. Hut ab vor Leuten, die solche Monster auf ihrem Rücken durch die Berge schleppen! Was mich allerdings erschütterte, war die Tatsache, daß die Knaben der Truppe im Fußball ein Lagerfeuer angezündet hatten! Da die meisten Leute in Moldawien, wie Gabi es ausdrückte, zumindestens russisch und rumänisch verstehen, (wenn sie wollen), wurde dann wenigstens das Feuer gelöscht. Dafür mußte ich abends am Lagerfeuer die Geschichte von unserer 1990-er Tour zum Fußball noch einmal in englisch zum Besten geben, Gabi übersetzte sie ins Rumänische, und der Chef der Truppe in's Moldawische. Der Chef sah übrigens so aus, als ob er gerade auf Heimaturlaub aus Tschetschenien gekommen wäre: Armeekluft und Bajonett zählten für ihn als Statussymbol. Gabi wäre zwar am liebsten in das "Mottenzelt" zu den "Marketenderinnen" gekrochen, aber da war beim besten Willen kein Platz mehr. Armer Gabi!

Am nächsten Morgen bekamen wir gerade noch mit, wie die "Mottenzeltler" sich im Licht der Morgensonne den Pfad Richtung Zirnei hochwanden. Wir nahmen die andere Richtung. Für alle, die auch einmal dort zelten wollen: Wasser gibt's etwa 100 m tiefer in Richtung Jezer-Papusa. Der Anstieg zum Ludisoru zieht sich noch einmal ganz schön. Da uns einerseits der Vortag noch in den Knochen steckte, Carstens Zahn sich nicht gebessert hatte und Gabi uns glaubhaft versicherte, daß das Jezer-Papusa nur ein "wiesenbezogener Dreckhügel" sein, ließen wir den Rot-Dreieck-Abzweig am Bratila rechts liegen und quartierten uns später kurz hinter dem Comisu vor einer Stâna, die aber ein besserer Schafstall war, ein. Die Schäfer meinten nur, wir sollten den Hunden nicht zu nahe kommen. War auch nicht unsere Absicht.

Am nächsten Morgen konnte ich dann die Frühstücksmilch gegen ein paar Batterien eintauschen. Genial! Heißer Kakao mit Tannennadeln und Kuhdungspritzern auf Knuspermüsli! Himmlisch! Den nach uns kommenden Wanderern und Treckern wünsche ich, daß sie diese Erlebnisse auch noch haben werden, den Bauern und Hirten wünsche ich auch so ein, verglichen mit dem Ihren, sorgenfreies und abgesichertes Leben wie das meine. So unterschiedlich kann man das sehen. Andererseits, wenn die EU-Regelungswut über das Land herfällt, dürfte es mit dieser Herrlichkeit sowieso vorbei sein, wer genehmigt schon den Absatz von Käse aus unpasteurisierter Milch, die über offenem Feuer erwärmt wurde? Sieht man sich die Bergbauern in den Gebirgsregionen Westeuropas an, so gibt es in deren Käsereien keine Maschine, die ohne Strom auskommt, kein Gerät, das nicht Druckwasser, zumindestens zum Reinigen, benötigt. Hier durften wir sogar noch eine Weile bei der Käseherstellung zuschauen, dann verabschiedeten wir uns.

Unterhalb des Tamasu Mare hieß es dann auch für uns, von Gabi Abschied zu nehmen. Der wollte weiter über den Königstein. Wir wollten es ja eigentlich auch, aber Zahn-, Zeh- und Knieprobleme trieben uns zur Plaiu Foii, die wir gegen vier erreichten. Der Abstieg ist etwas ganz anderes, wenn man statt 35 kg nur die Hälfte auf dem Buckel hat! Unten glich dann nichts mehr dem, wie ich es von vor 10 Jahren im Gedächtnis hatte: Die Salvamont-Hütte war gestrichen worden, daneben stand ein Sani-Wagen der Schweizer Johanniterhilfe. Allerdings braucht dieser Wagen selbst dringend Hilfe: Im fehlen die Räder!

Am Abzweig zur Rudarita standen riesige Müllcontainer, die alte Plaiu Foii war weggerissen. Statt dessen baut irgendeiner, der die Zeichen der Zeit (und des Geldes) erkannt hatte, ein riesiges (bayrisches) Bergbauernhaus auf einer hektargroßen geharkten Fläche hin! Bayrisch deshalb: Die Fenster fehlten noch, aber von der Balkonbrüstung wuchern schon die allbekannten roten Blumenteppiche. Die ganze Fläche ist eingezäunt wie eine Hochspannungsschaltanlage, der Zugang über den, im Bereich des Grundstücks in ein Betonkorsett (!!) gepreßten Birsabach erfolgt über eine Hängebrücke, vor der nur noch das Schilderhäuschen fehlt, um die Illusion perfekt zu machen: Dies hier ist der Staat im Staate, wer hier 'reinwill, muß mindestens VISA sprechen.

Die Wiese in Richtung Zarnesti ist mit einfachen Bungalows und Ferienhäuser locker bestückt. Weiter vorn regiert dann der Geldadel: Designerhäuser vom Feinsten, Pferderanchs, Wolfszuchten, .. Wir nahmen für die 13 km den Bus, wobei der bestimmt 4. Klasse war: Um zu verhindern, daß die Fahrgäste durch den pausenlos aufgewirbelten Staub zu dreckig wurden, waren die Sitzplätze mit Packpapier belegt. Aber lieber schlecht gefahren als gut gelaufen. So konnten wir sogar noch vom örtlichen Postamt mit unseren Lieben daheim telefonieren. Der Spaß war billiger, als mit der Telekom tagsüber von Dresden nach Riesa zu telefonieren! Und das bei Handvermittlung!

Die Herberge liegt etwas außerhalb der Stadt, in Richtung Zanoaga-Wiese. Nur leider, obwohl fest in deutscher Hand (oder deshalb?), voll bis in die Besenkammer. Die Chefin, ein weltgewandtes Wesen, ließ gleich ihre Mitstreiter befragen, wer privat vermietet, und keine viertel Stunde später zogen wir in's gute Wohn-/Schlafzimmer der Eltern einer der Angestellten ein. Und das, wie sich anderntags herausstellte, in der Nacht vor deren Namenstag! Wer würde sich bei uns so eine Mühe machen, selbst, wenn es das Fünffache einbrächte? Das Wasser floß zwar erst am späten Abend, bei unserer Ankunft mußte die Badewanne noch als Wasserreservoir dienen. So sahen wir uns abends in der Stadt um. Auch hier erwachte das rechte Leben erst, als es dunkelte.

Am Morgen nach einer wieder einmal in einem Bett verbrachten Nacht mußten wir den "dentiste" finden. Dessen Praxis befand sich in einer Neubausiedlung gleich in der Nähe, jedoch war der Doc nicht da. Mit Hilfe eines vielleicht 12-jährigen Mädchens, das sich erst zierte, seine Schuldeutschkenntnisse zu gebrauchen, erfuhren wir dann, daß es besser wäre, in die Klinik am anderen Ende der Stadt zu gehen. Gesagt, getan. Bündel geschnürt, ab zum Bahnhof. Unterwegs trafen wir dann die einzige deutschsprechende Bewohnerin unserer Reise, die noch im Lande wohnte.

Während Melanie und Henri nach eigenem Bekunden "Unmengen von Leckereis" verputzten und das gemächliche Treiben der Kleinstadt studierten, suchten Carsten und ich die Klinik, im Gepäck diverse Banknoten. Keine viertel Stunde später saßen wir im Wartegang des Klinikums, errichtet in Ceaucescus Beton-Zuckerbäckerstil, das innen eher an ein Armeekrankenhaus erinnerte, vor der Tür des Dentisten. Neben uns vielleicht 5 ältere Männer, die auch den Beginn der Sprechstunde herbeisehnten. Als eine weißbekittelte Fee die Tür der Begierde verließ, klagten wir der sofort unser Leid. Wir wurden noch mal für 10 Minuten auf die Wartebank geschickt.

Dann ging die Tür erneut auf, wir wurden hereingebeten. Schreck, oh graus! Vor mir stand der seit Kinderzeiten verhaßte seilzugetriebene Bohrarm! Nach Begutachtung des Problems wurden wir, mit dem Namen eines Antibiotikums versehen, zur Apotheke geschickt. Die Packung kostete 4,30 DM. Dafür gäb's bei uns wohl nur die Packungsbeilage. Man stelle sich einmal vor, bei uns käme ein, der Landessprache nicht mächtiger Wanderer, der gerade aus dem Hochgebirge kommt, ohne Chipkarte vor der Sprechstunde in die Praxis und erbittet Hilfe zur Linderung einer Vereiterung? Würde der Mann trotz vollem Wartezimmer vor der Zeit behandelt werden? Und das umsonst? Nebenbei, die Ärtztin gab uns sogar noch die Adressen von weiterbehandelnden Ärtzten mit, nachdem wir ihr erklärt hatten, daß wir weiter nach Bran und Brasov wollten!

Kaum waren wir wieder vollzählig, fuhr auch schon der Bus nach Brasov. Taxifahren ist in, also vom Taxidriver zum nächten Dentisten fahren lassen. Diesmal waren es zwei knapp 60-jährige Mütterchen, die mittels fachmännischem Schnitt Carsten von seinen Problemen befreite. Befragt, was die Sache wert sei, kam nach kurzem Nachschauen: 75 000 Lei. Das waren 7,50 DM! Wir drückten jeder einen 10-er in die Hand, so war das Glück auf beiden Seiten. Wir fielen aus der Tür: die Biserica neagra direkt vor uns! Sehenswert, sowohl von der Architektur, als auch von der Restaurationsleistung! Was mich etwas störte: keine 5 Meter, in denen nicht um eine Spende für diese und weitere Restaurationsprojekte geworben wird. Geld für kulturelle Belange ist eben überall knapp.

Am Abend wollten wir noch nach Sachele, einem Vorort von Brasov. Mit dreimaligem Umsteigen schafften wir es auch. Unser nächstes Problem: Wie kommen wir von hier auf den Bratocea-Paß im Ciucas? Der liegt 1000 m höher! Versuchen wir's mal mit trampen. Völlig aussichtslos, wir standen an einer Stelle, wo es bergab geht! Rumänen halten nur bergauf an! Nach einer halben Stunde schau ich mir etwas die Gegend an. An der nächsten Ecke wird ein altes Bauernhaus liebevoll wieder aufgebaut. Ich zolle den Bauleuten Respekt und schon sind wir im Plausch. 10 Minuten später werde ich schon mit Melonen beköstigt. Nachdem mir die Töchter des Hauses auch noch vorgestellt wurden, der Sohn war gerade zum Geldverdienen in Hamburg, kam die Frage nach dem Wohin. Was soll ich sagen, nach weiteren 5 Minuten war ein Mädchen da, daß sonst in Nürnberg wohnte, aber seine Ferien hier bei der Großmutter in Sacele verbrachte.

Nach weiteren 10 Minuten stritten sich zwei Dacia-Fahrer sowie ein Kleintransporter darum, uns fahren zu dürfen! Wir nahmen Abschied, schon ging's los. Was mir nur Sorgen machte: als ich den Rucksack in den Kofferraum legte, war keine Handbreit ohne Löcher, durch die man den Boden sah! Nach etwa 6 km platzte der erste Reifen! Also Reifenwechsel in freier Prärie! Wagenheber angesetzt: Rums, Holm durchgebrochen! Neue Stelle gesucht. Die hielt. Die Radblende wurde mit dem Meißel entfernt, für die Radschrauben war zum Glück der Kreuzschlüssel an Bord. Das Ersatzrad hatte genau so viel Profil, wie die anderen Räder: Gar keins! Idiotenfuhre! Aber was macht man nicht, wenn der Berg ruft!? An der Babarunca wollte uns der gute Mann schon los werden, wir aber wollten ja noch weiter! Zähneknirschend stimmte er zu. Die Kühlwasseranzeige stand schon über 90 Grad! War übrigens das Modernste am ganzen Auto!

Als wir endlich oben aus dem Auto kletterten, hatte alle Angstschweißperlen auf der Stirn! Der Fahrer bedankte sich für die viertel Million, und das Auto freute sich, daß es sich abkühlen durfte. Vielleicht ein Gedanke zum Umweltschutz: Wäre es nicht sinnvoll, bei uns zur Verschrottung anstehende 8-jährige PKW mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 7 Litern nach Rumänien zu verschicken und gegen die dort gängigen 15-jährigen 10-12l-Fresser zu tauschen, anstatt mit finanziellen Anreizen aus heutigen 6l-Auto's 5l-Autos zu machen und gleichzeitig das 200-PS-starke Luxuscar mit entsprechendem Verbrauch zu promoten? Der Effekt ist ungleich größer. Schließlich heißt das Image- und Sachproblem "umweltverträglich" und nicht "umlandverträglich". Nur müssen die rumänischen Rostlauben dann auf dem Rückweg wieder hier landen, schließlich soll das Ganze kein Müllexport sein wie die "Spende" abgelegter Busse westlicher Kommunen, die keine Altbusse zurückbringen!

Nun, wir waren jedenfalls am Ziel unserer Wünsche angekommen. Der Weg war nicht zu verfehlen. Schon nach einem Kilometer sollte sich eine Stîna nebst Quelle und Wiese zum Übernachten anbieten. Alle drei waren auch da, nur war die Quelle ein tröpfelndes Rinnsaal. Von den Ciucas-Bergen donnerte es recht bedrohlich, so daß wir erst mal die Zelte aufstellten. Kaum stand das erste, platschten auch schon kirschgroße Tropfen auf's Nylon. Nach einer Stunde war die Abkühlung vorbei und die Abendsonne zeigte sich wieder. Mit ihr zogen auch die Mitglieder eines Zigeunerclans talwärts, die große Behälter voller Blaubeeren mit sich führten. Für 50 000 Lei gab's reichlich fünf Pfund davon. Eigentlich Ausbeutung, für den Topf haben 2 Mann bestimmt eine Stunde gebraucht. Mehr zu nehmen, verbot aber ihr Stolz: Im Tal sei die Menge nur 35 000 Lei "wert". Auf dem Rückweg vom Beerenwaschen (oder sollte man besser "Beerentröpfeln" sagen) gelang es uns auch noch, in der Stâna etwas Milch zu erstehen. Nachdem der "Sinti si Roma"-Junge, wie er sich selber vorstellte, bei unseren Zelten noch ein paar Süßigkeiten abgestaubt hatte, schwelgten wir im kulinarischen Himmel.

Henry meinte zwar, der vielleicht Zehnjährige habe ein recht "einnehmendes" Wesen, aber ehrlich, welches Kind auf dieser Welt läßt es sich nehmen, auf Bonbons und Schokolade zu verzichten, noch dazu, wenn man vom zeitigen Frühjahr bis zum späten Herbst nur Milch und Käse und ansonsten nur Kuh- und Schafkacke und die nicht nur bei Kaiserwetter sondern bedeutend öfter auch bei Scheißwetter sieht? Und das von Kindesbeinen an? Und das Ganze nicht aus der Sicht des Zuschauers, sondern aus der Sicht eines Kindes, das vermutlich von früh bis spät auf die Tiere aufzupassen hat. Eigentlich ist das auch eine verlorene Kindheit.

Der nächste Tag begann mit Kitschpostkartenwetter: Unter uns die weiße Suppe, über uns der azurblaue Himmel, ein Wetter, sich augenblicklich ins Gras zu legen und zu träumen. Wir rafften uns trotzdem auf und gelangten auf blau- und preiselbeerumsäumten Pfaden in ein absolut surrealistisches Felsgebiet: Als hätten Riesenosterhasen mit Ostereiern aus Beton gespielt und wären plötzlich auf und davon gerannt, so ragen seltsamst geformte Kalkkonglomertatfelsen aus der Erde. Bis an die Felsen heranreichende Matten aus Gras und einer kleinwüchsigen Rhododendronart, die im Mai das ganze weiß-graue Gebirge rosarot einfärben sollen, lassen den Gedanken an einen gestalteten Garten aufkommen.

Von Ciucas-Gipfel bietet sich ein weiter Blick in's Umland: von Brasov bis zum Bucegi, sogar der Königstein läßt seine Spitzen sehen, weiter unten der Bratocea-Paß, daneben der Kurort Cheia, der südliche Teil des Ciucas bis zum westlich gelegenen Tesla-Berg. Wir laufen weiter zur Cabana Ciucas, vorbei an blaubeerkämmenden Zigeunern und mitten durch riesige Schafherden, deren Hunde uns kurioserweise so gut wie nicht beachten. Die Cabana wird von ein paar jungen Leuten bewirtschaftet und ist wirklich zu empfehlen.

Nach dem Mittag ist allerdings unser Elan verflogen, wir steigen ab zur Cabana Muntele Rosu und nach dem Genuß eines Eises weiter nach Cheia. Dort statten wir dem Kloster einen Besuch ab und sind sehr erstaunt über den Zustand des Klosters: alles ist bestens in Schuß, das Kloster "lebt", auf einer Wiese sitzen Mönche und plaudern mit den Familien, auf einer anderen spielen Nonnen (!) mit den Kindern und wir erklimmen den Klosterturm und schauen in das Tal. Eine Idylle für sich. Allerdings hat sich auch hier schon die Moderne breit gemacht: Hinter dem Kloster streckt ein riesiger Parabolspiegel seinen Fühler in den Himmel: die Ersatzempfangsstelle der Wetterstelle Darmstadt!

Kurz vor sieben sind wir wieder im Ort und erfahren, daß 19.00 der letzte Bus nach Maneciu fährt. Doch was für ein Bus! Ein neuer Achtsitzer-VW, in den 21 Leute samt Gepäck gepfercht werden! Aber alle kommen heil an, ob das auch für den Bus gilt kann ich allerdings nicht sagen. Eine halbe Stunde später bringt uns der Zug die 45 km nach Ploiesti. Dafür werden 14 (!) alte DR-Doppelstockwagen eingesetzt, die an einer Diesellok hängen, die nicht schneller als 30 km/h fährt. Trotzdem handeln wir uns eine vietel Stunde Verspätung ein, genau so viel, daß wir den Zug nach Predeal verpassen. Alles nicht so schlimm, es ist zwar 22.00 Uhr, aber im Bahnhof rush-hour. Und vor allem: Es gibt Apfelröllchen! Ich sichere mir das Apfelröllchen-Monopol und meinem Korpus bestimmt ein Kilo Übergewicht.

Kurz vor elf fährt der Zug nach Predeal, den wir in Busteni verlassen. Mitternacht ist vorbei und wir hundemüde. Die Sterne glänzen. Unsere Zelte wollen wir am Fluß aufstellen: wo das Frühjahrshochwasser entlangströmt wird sicher im Sommer ein freies Plätzchen sein. Wir stolpern zwar vorher noch über ein paar Einheimische, die die gleiche Idee vor uns hatten, finden aber auf der anderen Flußseite einen idealen Zeltplatz.

Den nächsten Morgen lassen wir gemächlich angehen und werden dafür bestraft: an der Seilbahn zur Babele stehen 213(!) Leute vor uns. Als ich zaghaft die Möglichkeit des Aufstiegs zu Fuß in Erwägung ziehe, werde ich fast gelyncht. Um ehrlich zu sein, ich hab' heut' auch keinen rechten Bock. Oben angekommen, lassen wir uns gleich wieder auf der anderen Seite in's Tal befördern. Unser heutiges Ziel ist die Ialomita-Höhle, die wie eine Schauhöhle auf etwa einen Kilometer frei zugängig ist. Innerhalb der touristisch vermarkteten Höhle sollte man vorher wie wir die Winterkleidung anziehen. Der Schauwert ist einfach höher, wenn man nicht im Sommerkleidchen friert. Innerhalb der Höhle wechseln sich große Säle mit engen Durchgängen ab. Am Boden fließt reichlich Wasser. Was mich bestürzt hat: Auf Grund der Begängnis sind eine Vielzahl, wenn nicht gar alle Felsgebilde, die einmal in der Reichweite menschlicher Arme und Beine lagen, zerstört, abgebrochen oder entwendet.

Nach reichlich einer Stunde hatte uns das Sonnenlicht wieder und wir wandten uns einer anderen Höhle zu, der Bärenhöhle unterhalb des Tataru-Rückens. Den Rücken fanden wir, die Höhle leider nicht. Vermutlich waren wir aber gar nicht an der richtigen Stelle. So marschierten wir den Weg wieder zurück durch das Tal, das sich als riesiger Campingplatz darbot. Nur leider fehlen dort jegliche Arten von Hygieneeinrichtungen, so daß man im Wald keinen Schritt machen kann, ohne Gefahr zu laufen, sich eine Tretmine in's Profil zu quetschen.

Tags darauf bringt uns die Seilbahn wieder zurück zur Babele-Hütte. Wir wollen dem Caraiman unsere Aufwartung machen. Allerdings verwechsle ich trotz bester Sicht (!) das Kreuz mit dem Sendemast der Station auf dem Costila. Ich brauch' wohl doch eine Brille. Nach zwei Stunden Umweg sind wir an dem kapitalen Bau. Von dort sind's gut zwei Stunden zum Omul, den wir gegen Mittag erreichen. Da ich bei meinem letzten Besuch das Gaura-Tal aufwärts gekraxelt bin, überzeuge ich meine Mitstreiter, diesmal den Weg abwärts zu nehmen. Daß ich allerdings die vielleicht 20 Geländestufen auf eine reduziere, tragen sie mir noch heute nach :-).

Selbst der als Highlight gepriesene Dracula-Wasserfall läßt mich im Stich. Irgend jemand hat Knoblauchzehen und Holzknüttel in die Wasserkaskaden geschmissen, jedenfalls hat der Hausherr das Weite gesucht, selbst das Wasser ist mit ihm verschwunden :-). Anstatt nun den bekannten Weg an der Gaura entlang weiter nach Simon zu nehnen, erklimmen wir den Pintecele-Gipfel und füllen unsere Mägen mit zuckersüßen Himbeeren. Der Abstieg nach Bran zieht sich dann recht ordentlich in die Länge, selbst im Ort läuft man fast noch eine Stunde bis zum Zeltplatz unterhalb des Schlosses. So wollen wir denn unseren Urlaub ausklingen lassen und vertrauen unsere Mägen der Pizzeria an, die kurz vor dem Eingang des Platzes ihre Tore geöffnet hält. Da wir auf der Rückfahrt noch einen Stop in Sigisoara einlegen wollen, verschwinden wir gegen zehn in unseren Zelten.

Noch vor Mitternacht werde ich munter, da sich im Nachbarzelt Unruhe breitmacht. Nach weiteren zehn Minuten öffnet sich das Nachbarzelt. Die Geräusche danach lassen sich nur schwer beschreiben. Auch bei mir macht sich im Magen langsam Unwohlsein breit. Da ich das Ganze schnell mit der Pizzeria in Verbindung bringe, helfe ich den Kontraktionsbestrebungen meines Magens massiv nach. Kurz und gut: wir drei haben uns eine gepflegte Magenvergiftung, vermutlich durch Salmonellen, zugezogen, nur Carsten hält sich noch senkrecht und versucht so gut es geht, unsere Mägen mit Kamillentee zu besänftigen. Doch in der Morgendämmerung ist unser Benzin alle.

Da ich mich schon wieder auf den Beinen halten kann, und Carsten für uns nun nichts mehr tun kann, startet er zu einem Trip nach Brasov und ich zur Tankstelle an der anderen Seite des Dorfes. Für die vielleicht zwei Kilometer brauche ich knapp 2 Stunden. Gegen Mittag kehren die Lebensgeister zuerst bei mir und dann auch bei Henry wieder, nur Melanie weiß noch nicht recht, ob sie leben oder sterben soll.

Anderntags ist sie zwar noch wacklig auf den Beinen, aber wenigstens "transportfähig". Die Rückreise ist unspektakulär, für einen Besuch der Salzseen als auch Sigisoaras fehlen uns aber die Lust als auch die Zeit. In Prag haben wir "Magenproblemler" nur den Wunsch, heim zu kommen, Carsten nutzt seinen letzten Urlaubstag für einen Bummel durch die "Goldene Stadt". Er hat es bereut: Ihn erwischte es in Prag. Vermutlich hatten ihn die Antibiotika bis hierher geschützt. Doch schon bei den obligaten Dia- und Fotoschauen meldeten die, die nicht mitkommen konnten, ihre Reisewünsche für ein nächstes Reiseabenteuer in's Land der Sehnsucht an, und so wird dies wohl nicht die letzte Geschichte sein.

Frank Weise, Dresden frank.weise-leittechnik@nexgo.de

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