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Urlaub 88 - Fágágras, Piatra Craiului und die Bucegi

Ein Reisebericht von Frank Weise (Dresden)


Es war einmal Anfang 88, da fragte mich eine Bekannte, wo ich denn im Sommer Urlaub mache. Und da ich in den Jahren davor die Berge Bulgariens "beschnarcht" hatte, kam es mir einfach so über die Lippen: "Nach Rumänien." Rumänien, das klang auch damals schon ein bisschen nach dem Ende der Zivilisation. Und daß es dort recht schroffe Berge gibt, war spätestens nach der Passage des Predeal-Passes, dem Haupteinfallstor der reisenden Sachsen in Richtung bulgarischer Hochgebirge und Schwarzem Meer, klar gewesen. Der nächst größere Ort davor war noch im Gedächtnis: Brasov.

1988

Im August waren's dann drei, die sich mit Rila-, Pirin- und Vitoschaerfahrungen auf die Reise machten: Katrin, Tom und ich. Vielleicht zogen wir nicht ganz los "wie die Frisöre", aber jedenfalls hatten wir keine Karte, keine Sprachkenntnis, keine Kenntnis von Orten und deren Lage. Wir sind losgezogen ohne das Wissen um die (Auto-)Türen öffnende Kraft von Pfeffer, Schokolade, "Rondo" und "Kent". Nur, daß die Verpflegungslage, zumal für Ausländer und insbesondere im Gebirge, kritisch war, hatte sich bis zu uns herumgesprochen. So zogen wir denn mit 20kg-Rucksäcken, deren Inhalt die Kalorien der nächsten 14 Tage beinhalteten, von dannen. Unser Ziel war Brasov. Alles weitere würde sich ergeben.

Unterwegs kam dann alles ganz anders. Im Zug wurden die ersten Info's erhascht: Da gab es ein Gebirge namens "Fagarasch". Dessen Durchquerung, zumal als "Wetterküche" verschrien, sollte das Heftigste sein, das man als "Stino" aus dem "Osten" ohne Formalitäten "machen" könne. Der Entschluß war schnell gefaßt, die Karte (Zahngold!) aus dem Nachbarabteil mühevoll abgepaust. Der "Conductor" riet zum Ausstieg in "Copsa Mica" und so standen wir plötzlich morgens gegen 5.00 Uhr im schönsten Morgenverkehr in Copsa Mica auf dem Bahnsteig. Mit uns drei Jenaer, die auch nicht schlauer waren und auch durchs Fagarasch wollten. Nun waren wir also sechs.

Und wie nun weiter? Russisch war nicht, englisch auch nicht, also "schriftlich". Dann die erste Überraschung: In bestem "sächsisch" die erste Belehrung: "Das ist nicht Copsa Mica, sondern Klein-Kopisch und Ihr wollt sicher nicht nach Sibiu, sondern nach Hermannstadt!" Tatkräftig half uns der gute Mann noch, die Fahrkarten zu erwerben und lieferte uns am Außenbahnsteig ab. Hatte ich schon mal daheim jemandem Fahrkarten kaufen geholfen, der dastand, wie bestellt und nicht abgeholt? Was mir jedoch im Morgengrauen das "Morgen-Grauen" bereitete, war der riesige Industriemoloch, der gegenüber dem Bahnhof Unmengen von Ruß und orangeroten Dämpfen, die sich jedes Mal aufs neue zu den Worten "Krebs" und "Degeneration" zu formen schienen, in den (sicher dadurch noch mehr) nebelgrauen Morgen spie. Und richtig, direkt neben dem Werk stand eine Kate, so schwarz wie der Ruß der Schlote. Im Garten gleich nebenan stand kümmerlich "schwarzer" Mais. Selbst die Leute auf dem Bahnsteig sahen mir etwas dunkler aus, als im Rest des Landes.

Gegen acht verließ der Zug, alte grüne DR-Doppelstockwagen mit lediglich übergemaltem CFR-Logo, diesen Vorhof zur Hölle in Richtung Paradies. Vielleicht lag's daran, daß die Steigung zwischen diesen beiden Plätzen zumindest in der Bibel recht groß ist, jedenfalls hab ich mir den Spaß gemacht und während der Fahrt die sprichwörtlichen Blumen gepflückt (na gut, es war mehr Unkraut). Was mir in den Zügen immer wieder auffiel: der "Conductor" ist der König im Zug, da hält man inne und läßt seine eigene Subordination erkennen.

Nach kurzer Rast in "Hermannstadt" und flüchtgem Stadtbummel gings gegen 15:30 weiter mit dem Zug (Abteilwagen mit Holzsitzen und Lederriemen am Fenster, dafür würde sich heute jede Traditionsbahn ein Bein herausreißen!) nach Sebesu de Sus. Ein Halt auf freiem Feld? Nein, da steht doch das Bahnhofsschild! Nur leider ist nicht ein Stück Farbe mehr dran, von Schrift ganz zu schweigen. Also Rucksäcke geschultert und los gings. Im Dorf hätte man einen mexikanischen Western drehen können. Keine Menschenseele zu sehen, hin und wieder grunzte ein Schwein hinter einem Bretterzaun oder krähte ein Hahn. Am Dorfplatz ein kleines Kirchlein. Hinter dem Dorfausgang, dort, wo man auf den Meter genau den Übergang vom Vorland zum Bergland bestimmen kann, sahen wir dann die ersten Bewohner: auf den Feldern über dem Weg die Bauern bei der Mahd mit vorsintflutlichen Geräten, unterhalb des Weges im aufgestauten Moasei-Bach die Dorfjugend. Da wir (noch) nicht wußten, wie hoch die Suru-Hütte liegt (heute muß man ja leider sagen: lag), haben wir also unsere Sachen an's Ufer gepackt, und sind auch erst mal planschen gegangen. Aus den 10 Minuten wurden 2 Stunden.

Jedenfalls ließ die Hitze schon merklich nach, als wir uns dann doch noch entschlossen, zur Suru-Hütte aufzusteigen, Katrin und ich durch den Wald, die anderen vier durch das Moasei-Tal. Die Nordaufstiege im Fagarasch sind immer steil, so daß sich die Varianten eigentlich nichts nehmen. Der erste Teil des Waldaufstieges geht durch karpatentypische Buchenwälder, in denen es von Hunden kurioserweise nur so wimmelte. Die ließen allerdings sofort von uns ab, als wir uns nach Wurfgeschossen bückten. Weiter gings durch verwunschene, nicht desto trotz recht ausgetretene Pfade bis zum Abzweig nach Avrig auf etwa 1200 m Höhe. Langsam zog mittlerweile der Abend herauf, die Hütte lag jedoch noch etwa 250m höher. Gegen 20:30 war auch das geschafft. Der Schock über 34,- M Übernachtungsgebühr (unter dem Dachbalken wohlgemerkt) ließ nur die Zeltvariante zu. Das Gestänge war zwar bei uns im Rucksack, die Zelthaut hatten die "Talgeher" jedoch im Rucksack. Also erst mal eine Lagerstätte suchen und Süppchen kochen.

Bald entwickelte sich der Platz der Zelte oberhalb der Suru-Hütte zum babylonischen Sprach-, Info-, Gerüchte-, Nahrungs- und Benzintauschplatz. Der Einzige, dem das nicht so recht gefiel, war der Hüttenwirt. Nachdem dessen Hund jedoch mit einer schon reichlich "oxidierten" Salami bestochen war, war auch er machtlos. Kurz vor Mitternacht, wir hatten uns schon mit dem Gedanken an bärenabgenagte Knochen geänstigt (schließlich sollte sich der Ursus in der Nacht zuvor am Avrig-See zu schaffen gemacht haben), trabten dann unsere "Talgeher" an, die unterwegs noch bei ein paar Holzfällern "aushelfen" mußten, ein paar Flaschen zu leeren. Jedenfalls haben wir alle bis zum nächsten Mittag geschlafen, dann machte uns der Hüttenpächter klar, daß er Platz für eine größere Gruppe braucht.

So sind wir dann gegen drei losgezogen bis auf den Suru-Sattel und haben uns dort gleich wieder fallen lassen. Dreien von uns gings nach der gestrigen "Ziehung" noch nicht wieder so recht gut. Zudem grollte der Donner schon recht furchteinflößend und der Wind hieß auch schon Sturm. In der Nacht rüttelte dann eine wahre Sturmorgie die Zeltgestänge durcheinander, dafür nur ein paar Regentropfen, die am Morgen, der mit strahlendem Sonnenschein begann, allesamt schon wieder getrocknet waren. Also früher Aufbruch, 'runter zum Lacul Avrig und dort sahen wir die Bescherung: Aufgeweichte Schlafsäcke in der Sonne und übermüdete Zeltler, die ihre Wanderherbergen zu reparieren versuchten. Hier hatte sich also das Gewitter der Nacht ausgetobt. Tja, ja, manchmal hat der Alk eben auch so sein Gutes!

Am nächsten Tag ging's dann über's Kirchdach. Ich selbst hatte es mir schwerer vorgestellt, trotzdem nahmen wir nach dem Negoi (überflüssigerweise) die Damenscharte zum Caltun. Noch ein Tip: Für diese Etappe gut mit Wasser eindecken! Den Abstieg zum Bilea-Lac am darauffolgenden Tag haben wir uns verkniffen. Erstens ist der Weg über den Grat am Bilea-Kessel bei halbwegs vernüftigem Wetter ein ausgesprochenes "Leckerli" und zweitens kam ich so zu meinem ersten Gast-QSO bei rumänischen Funkamateuren, die ihr QTH auf der Capra-Spitze hatten. Gut gestärkt mit Capra-Suppe (mixed pickles) ging es den steilen Abstieg zum Fuß der Fintina-Wände hinunter. Die ganze Querung lag dort wirklich komplett unter Altschnee! Auf der anderen Seite die gut 300m wieder hinaufgekraxelt und das Drachenfenster "bestaunt". Nun gut, der Kuhstall oder das Präbischtor im Elbsandsteingebirge sind auch in jeder Karte eingezeichnet und durch beides paßt ein großer Lkw. Also stellte ich mir das Fenster eines "Zmeilors" würdig vor. Das vorgefundenen "Kellerfenster" hab' ich jedenfalls nicht für Ernst genommen. Auch die "drei Schritte bis zum Tode" sind eigentlich eine reine "Fleißaufgabe".

Das Wetter hielt prächtig, und da wir bisher bestens vorangekommen waren, sollte ein Rasttag eingeschoben werden. Unterhalb des Nerlingerdenkmals blickte der Buda-Lac zu uns herauf. Was von oben in der Abendsonne so nah aussah, entpuppte sich als reichlich halbstündiger "Knietotmacher".

Der nächste Tag verging dann mit Baden im Budasee (saukalt, aber trotzdem fantastisch!) und Faulenzen. Dazu ein Kaiserwetter ohne jede Wolke! Nach so viel Beschaulichkeit war der Weg anderntags zum Arpasu Mic dann der Hammer. Das waren bestimmt 600 Höhenmeter! Irgendwie ging's dann nicht mehr so gut, jedenfalls hab' ich mir an dem Tag einen Hunger-Ast gelaufen: Ich war abends nicht mehr in der Lage, mir selber etwas zu essen zu machen; der Verstand sagte: Du mußt essen, der innere Schweinehund hingegen: schlafen. Ein blödes Gefühl. Zum Glück war ich ja nicht allein, und so wurde dem Verstand mittels eines unter die Nase gehaltenen dampenden Haferbreibechers auf die Sprünge geholfen. Innere Schweinehunde mögen Haferbrei nicht so gern.

Am nächsten Tag ging's über den Moldoveanu. Dort am Abzeig (oder vielleicht doch an einer anderen Stelle, lang ist's her) war ich dann Zeuge meines bisher einzigen Berg-Unfalls: Ein jüngerer Bergfreund lehnt sich erschöpft an die Stange des Wegweisers, dieser kippt um und verletzt eine Wanderin recht schwer am Schulterblatt (Wie ich gelesen hab', gibt's das scheinbar recht häufig.) Also war erst mal Bergung angesagt. Abends dann Plausch mit der Bergwacht, die es bisher für unmöglich gehalten hatte, im Fagarasch 10 hinterliegende Sonnentage zu erleben. Am nächsten Mittag hieß es dann Abschied nehmen: Katrin und Tom wollten lieber noch ans Meer und die Jenaer waren mittlerweile auch fußlahm.

Nach gegenseitigen guten Wünschen gings meinerseits nun im Sturmschritt zum Zirnei-Fußball, dort kurze Rast und weiter zum Berivoiu Mare. Abends traf ich dort zwei Pirnaer, die mich am nächsten Tag bis zu ihrem Abstieg zur Plaiu Foii begleiteten. Ich indes blieb weiter auf dem Kamm, schließlich hatte ich gehört, daß auf diesem Weg der "Königstein" läge (die gepauste Karte hatte inzwischen ihre Pflicht getan). Inzwischen kündigte sich ein Wetterumschwung an, der Himmel war bleigrau, der Wind blies recht frisch und an Horizont donnerte und blitzte es
gar furchteinflößend. Auf dem Tamasu Mare erschrak ich erst einmal herzhaft, als ich erkannte, was ich am Horizont sah: Was ich bisher immer für eine Wolkenwand gehalten hatte, war in Wirklichkeit der Felsstock des Königstein!

Kaum vom Berg herunter (damals bin ich immer über die höchsten Stellen gekrochen, da ich ja noch nicht wußte, daß etwa 50-100 m unterhalb des Kamms in der Südseite ein bequemer Wander-/Hammelweg verläuft), da fing's auch schon an zu regnen. Und wie! Zwei Stunden später lief mir das Wasser die "Mußrinne" herunter, ich war also "durch". Etwas später ließ der Regen dann nach. Und was passiert in dieser Situation? Aus dem Nichts (oder besser dem Nebel) tauchen doch zwei "Dreikäsehochs" mit einer Herde Schafe und ein paar Ziegen auf, dazu ein Rudel Hunde, von denen keiner kleiner war, als die vielleicht 8-9-jährigen Kinder. Wie bei guten Hütehunden üblich, zeigten diese mir erst mal recht lautstark die Zähne und somit auf ihre Weise zu verstehen, daß der Weg "okupat" sei. Die Kinderlein indes machten sich den Spaß daraus, die Hunde in ihrem Eifer noch zu bestärken. Also mußten stärkere Geschütze aufgefahren werden. Kurzer Griff in die Rucksack-Seitentasche zur Plastetüte, "Harzer" gezückt und mit "Dynamite" gedroht (ein Wort, das mir der Zöllner zusammen mit "Narkotika" und "Munitia" entgegengeschleudert hatte, bevor er meines "Reisedokuments für den visafreien Zoll- und Reiseverkehr" ansichtig wurde und ich als geouteter "Ossi" als generell unbedenklich eingestuft wurde). Die Folge war ungläubiges Staunen. "Versuch macht klug" dachte sicher auch der Hund, der den weggeworfenen Knaller verfolgte, der dann mit lautem Knall vor seiner Nase explodierte (Welcher Lacher wäre es gewesen, wenn das Ding naß gewesen wäre?!).

Die Kinderlein waren davon jedoch nicht verschreckt (der Hund schon), ich hatte nur ihre Neugier geweckt. Also wurden die Hunde beruhigt und ich zum Essen eingeladen. Kaum stand mein Rucksack auf ihrem Holztischchen (mitten im Wald!), fingerten auch schon zwei flinke Hände meinen braunen Armeebecher (Marke "Kumpelbetrüger") vom Rucksack, während zwei andere sich die nächstbeste Ziege griffen. Kurze Zeit später rann mir euterwarme Ziegenmilch durch die Kehle. Schmeckte top! Als Gegenleistung griff ich dann zu einer der letzten Wurstkonserven. So gab's halt "Schweinefleisch im eigenen Saft" mit Mamaliga und Branza auf Schwarzbrot. Letzteres allerdings gehörte nicht zu den Lieblingsgerichten meiner neuen Freunde. Und wie die Liebe durch den Magen geht, wurde ich auch sofort in ihre Stâna an der Weggabelung zwischen Deubelweg und Südaufstieg am Königstein eingeladen. Anfangs wollte ich zwar weiter und bin an diesem Abend auch bis zur großen Geröllhalde gekommen und dort in einigen "Boofen" herumgestiegen, dann war's aber schon so spät, daß ich wieder zurück bin.

Abends wurde ich ins Haus gebeten, da ich mein nasses Zelt jedoch trocknen wollte, zog ich die "Sachsenvilla" vor. Nun hatte ich ja gedacht, daß kleine Kinder, die den ganzen Tag Schafe hüten, abends hundemüde sind, aber nicht so Ghorghe und Nikolai! Und was fängt man so zu dritt an? Man spielt Karten! DIE ideale Variante, um die Zahlen zu lernen! Zugegeben, Skat war zu kompliziert, also wurde Mau-Mau gespielt. Es war schon weit nach Mitternacht, als deren Vater ein Machtwort sprach und die beiden in die Stâna holte. Mittlerweile hatte es wieder leicht zu regnen angefangen. Also kurz die Barthel-Bombe auf volle Leistung gedreht und 10 min später war das Zelt trocken. Das Reservebenzin war danach allerdings auch alle.

Am nächsten Morgen weckte mich das Schnauben der Pferde, also früh raus, kurze Verabschiedung, bei der mir auffiel, daß die Bübchen seltsam zurückhaltend waren. Den Grund merkte ich auf der Omul-Spitze: Statt vier hatte ich dann nur noch eine Wurstbüchse. Diesmal versuchte ich den Deubelweg. Der führt zuerst durch malerische Buchen- später durch Fichtenbestände. Der Einstieg ist dann zuerst etwas für Geologen: Aus dem umgebenden Gestein wurde mit ungeheuerer Kraft der in unmöglichsten Formen gefaltete Kalkstein fast senkrecht aus dem Boden gepreßt. Der Übergang zum Königstein ist dort auf den Zentimeter bestimmbar! Die Krönung jedoch: Ein Bach, vermutlich ein Zufluß der Birsa Tamasului, dessen eine Seite aus dem grau-schwarzem Gestein des bisherigen Gebirgszuges, die andere Seite aus dem weißem Kalkstein des Königstein bestand! Regelrecht surrealistisch!

Der Aufstieg dann ist ohne Zuhilfenahme der Hände schwerlich zu schaffen, einige Stellen waren mit Stahlseilen gesichert, auf die sich leider Einige (zusehr?) verlassen haben und dann verlassen waren, wie die vielen, teils mit Emaillekonterfei's versehenen Kreuze belegten. Ich jedenfalls hab' mir die guten "Leichtbergstiefel" angezogen, meine "Siebenmeilenturnschuh" sahen auf dem feuchten Kalk alt aus. Der Aufstieg selbst ist absolut fantastisch! Durch verwitterte Rinnen, Schlüchte und Schründe, über teilweise recht ausgesetzte Platten bis zum schmalen Grat! Mitten in den Rinnen plötzlich Stimmen vor mir, also noch eine Kohle zugelegt. Ein paar Augenbliche später traute ich meinen Augen kaum: Ein Bekannter nebst 4 Begleitern aus Dresden! (.. der Sachse liebt das Reisen sehr..). Da sie aber am Abend wieder zur Plaiu Foii zurück wollten, haben wir uns wieder getrennt. Auf den letzten 300 m vor dem Gratweg überholte mich dann noch ein tschechischer Bergfreund, der nur mit einer Kamera "bewaffnet" sicher DIE Bilder seines Lebens schoß: Allein im gleißenden Sonnenschein auf der Hirtenspitze stehend, die Wolkenobergrenze nur 20 m unter sich, alles wie in Zuckerwatte gepackt. Ein Bild aus einem Louis-Trenker-Film! Als ich dann oben war, war die "Suppe" leider auch mit angekommen. Kurzer Plausch auf der Hirtenspitze, da fing es auch schon an zu nieseln.

Der Abstieg auf der anderen Seite zur Grind-Hütte, den Namen kannte ich von Ghorghe und Nikolai, ist recht steil, aber gleichfalls äußerst reizvoll. Unterwegs kam mir ein weiteres Pärchen aus Pirna entgegen, die den Weg in umgedrehte Richtung nahmen. Insgeheim hab' ich sie bedauert, weniger des Weg's wegen (der war bergan bestimmt auch so anstrengend genug), als vielmehr des Wetters wegen: Mittlerweile hatte sich die "Zuckerwatte" in ein ausgewachsenes Gewitter verwandelt. Unterhalb der Grindhütte wechselten dann Wetter, Landschaft und Gestein: Sonnenschein (und Donner!) im "Wandergarten" rund um "La Table". Aus dem weißen Kalk war im Laufe des Abstiegs ein grobkörniges, kalkverfestigtes Konglomerat geworden.

Da ich nun mittlerweile aus allen Gebieten heraus war, von denen ich je eine Karte gesehen hatte, ging's immer der Nase nach, vorbei an einsamen Gehöften (die aber einen recht gepflegten Eindruck machten, eines davon wird bestimmt das Folea-Haus gewesen sein), durch genau die Landschaft, die, wie ich später herausfand, als Poster im Wartezimmer meines Zahnartzt's hing (und nebenbei auch als Umschlag für einen Briefpapiersatz herhalten mußte).

Am späten Nachmittag befand ich mich dann auf einer recht stark befahrenen Straße, (vermutlich die Verbindungsstraße Bran-Rucar) von der aus ein Fahrweg nach Simon abzweigte. Zuvor ward mir noch ein vermeintliches Wunder teil: Als einziger Kunde in einem Lebensmittelladen gelang es mir, ein ofenfrisches Brot zu erstehen, allerdings nur, wenn ich auch den großen Beutel voller runder, gelber Gebäckkugeln mitnehme. Das Brot war vorzüglich, die Kugeln weniger. Irgendwie schien es der Versuch zu sein, ohne Erdnüsse und auf reiner Maisbasis Erdnussflips herzustellen. Und Salz schien auch Mangelware zu sein. Im Licht der verglühenden Sonne lief ich durch das sich endlos dahinziehende Simon, aus dessen tiefliegendem Flußbett des Dorfbachs der ätzende Geruch vom Chlor der Waschmittel stieg. Beinahe wäre ich an dem Tag sogar zu einem Schaf gekommen: In der Mitte des Dorfes begegnete mir ein Schäfer mit seiner Herde, dessen letztes Tier (vor meinem Aussehen?) Angst bekam, und wieder umkehrte. Da ich der Einzige auf der Staubpiste war, rannte das ängstliche Tier immer vor mir her, bis am Ortsausgang endlich ein Weg abzweigte in den das "doofe Schaf" endlich einbog.

Kurz dahinter hatten einige Waldarbeiter ihren Bauwagen auf einem herrlichen, mit Ostergras bewachsenen Stück Wiese aufgestellt. Nach der obligaten Frage nach der Gefährlichkeit des Platzes kamen wir schnell ins Hand- und Fuß- Gespräch, irgendwoher tauchte eine Flasche Wein auf und so wurde es ein langer Abend. Die Nacht war dafür um so kürzer. Kaum lag ich endlich im Zelt (in Wirklichkeit waren's schon drei Stunden) rumorte draußen etwas. Und diesmal klang es nicht so wie das Schnauben der Pferde! Ich hab' mich also vorsichtig bewaffnet (mehr als das Brotmesser vom Abend war nicht zu greifen) und vorsichtig das Zelt geöffnet. Nichts. Doch halt, was lag denn da plötzlich für ein Fels auf der Wiese? Der war doch gestern noch nicht da? Und jetzt bewegt er sich auch noch! Doch zum Glück von mir fort. Wie weit war's bis zum Bauwagen? Keine Chance! Der Felsen schien meine Gedanken zur erahnen. Jedenfalls kam er meinem Zelt (mit selbst genähtem Überzelt!) verdammt nahe. Und dann wußte ich, was den Braunen treibt: Ich hatte den Kanten des frischen Brotes in die Rucksackobertasche gelegt! Also lieber das Brot eingebüßt als das Zelt! So schnell hatte sicher noch nie einer aus einem Rucksack ein Brot geholt. Jedenfalls hab' ich mit dem Brot den Bären (allerdings in gebührenden) Abstand wieder Richtung Wald locken können. An Schlaf war nun allerdings nicht mehr zu denken, und so kam es, daß ich gegen sechs schon wieder auf Achse war, entlang der Gaura bis in den Gaura-Kessel, vorbei an den Dracula-Fällen über diverse Gebirgsstufen bis zum Omul. Eine der schönsten Touren, die ich erlebt habe.

Hier oben übte sich die Armee gerade in Hubschrauberverfolgungsjagden im Cerbului-Kessel. Ich dachte erst, dort wird ein Film gedreht, aber Ceaucescu war nirgendwo zu sehen und so wird's wohl keiner gewesen sein:)). Im Gedächtnis blieb mir noch "La Cerdac", eine geneigte, verwitterte Steinplatte, bei der man sich, wenn man abrutscht, einige hundert Meter tiefer und vermutlich etwas kränker wiederfindet. Den Abstecher zum Caraiman hab' ich dann nicht mehr geschafft. Mittlerweile war es schon halb drei und ich war gerade an der Babele-Hütte. An der Seilbahn standen (wie immer) Unmengen Leute und ich war noch auf 2300m Höhe! 18:10 fuhr der Zug in Sinaia Richtung Dresden. Also weiter Richtung Miorita und dort sehen. Eine Stunde später sah' ich auch hier: keine Chance. Nun wurde die Aktion "geölter Blitz" eingeleitet: Dreiviertel fünf am Bradet (immer noch Unmengen von Leuten), 10 vor sechs am Fahrkartenschalter in Sinaia, der zwei Leute vor mir, nach einer (sicher nicht nur mir) unverständlichen Lautsprecherdurchsage, seine Fenster schloß. Was war denn nun los? Aber hilfsbereit, wie die Rumänen sind, kam ich schnell hinter die Ursache: In Ploiesti war ein Zug entgleist. Dauer unbekannt. Na prima! Alles strömte zur Straße, per Anhalter gings nach Predeal. Der LKW-Fahrer wurde mit den Resten der Gewürztüte entlohnt. Da auch Pfeffer dabei war, hat's für alle 14 "Anhalter" gereicht! Auf der Fahrt bin ich mit einem deutsch sprechenden Rumänen in's Gespräch gekommen. In Erinnerung sind mir noch Sätze wie: "Wir lieben Ceaucescu wie das Salz im Auge" sowie der bildliche Vergleich mit den Pinguinen: Frieren, Fisch essen und Beifall klatschen.

In Predeal fuhr aus irgendeinem Grund der "Orient-Expreß" Bukarest-Budapest-Paris (vermutlich kam der von einem anderen der ploiestier Bahnhöfe). Also rein! Fahrkarte hatte ich, nur keine Platzkarte. Der Waggon glich einer Heringsbüchse. Und ich totmüde. Irgendwie hab' ich mich dann doch bis zum Waggonboden "durchgekämpft". Dort hab' ich zwar noch mitbekommen, daß der Conductor nebst Conductor des Conductors und dann sogar noch einmal deren Kontroletti (also der dritte!) sich mit den Reisenden anlegten und beihnah' wohl gelyncht worden wären, weil sie die jeweiligen quittungslosen Zahlungen an den jeweiligen Vorgänger nicht anerkannten. Ich jedoch sah wohl schon so heruntergekommen aus, daß von mir keiner auch nur einen Jota erwartete. In Budapest torkelte ich dann aus dem Zug. Nun stand das nächste Problem vor mir: Wie treibt man die 17 Forint für eine Platzkarte auf? Zum Glück sind die Sachsen überall, und so war ich 10 min später stolzer Besitzer einer Platzkarte 1. Klasse. Das Problem war nur, der Zug fuhr schon an! Also quer über drei Gleise und in die Tür gesprungen. Und wer steht vor mir? Eine der beiden Begleiterinnen meines Bekannten aus den Schründen des Königstein! Es wurde eine ganz vergnügliche Reise, die mit der "Aktion neuer Mensch" im Waschabteil ihren Anfang und mit der Eröffnung einer "Privat-Mitropa für Bahnangestellte und Reisende" (der Schaffner wurde auch noch mit beköstigt) aus den Resten zweier Rucksackinhalte mit Hilfe einer "Barthel-Bombe" seinen Lauf nahm. Dem Reichsbahnschaffner fiel dann als erstem auf, daß da zwei Reisende mit 2. Klasse-Tickets auf nur einer 1.Klasse-Platzkarte reisten, aber da er uns erst in Dresden wieder an die frische Lust setzen konnte, beließ er es mit dem "Zeigen des bösen Fingers", zumal es stramm auf Mitternacht ging. Halb drei lag ich dann wieder in meinem heimischen Bett.

Frank Weise, Dresden frank.weise-leittechnik@nexgo.de

http://home.arcor.de/berghuette.koenigstein/berghuette.koenigstein/


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