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Mioritic und Carpatin

Die urtümlichen Herdenschutzhunde Rumäniens

Valeria Slembrouck


Rumänien, dessen Geomorphologie von den Gebirgsregionen der Karpaten dominiert wird, ist ein Land mit alter Hirtenkultur, in dem sich das Hirtentum mit seinen Traditionen und uralten Bräuchen bis heute lebendig erhalten hat. Die großen, oft mehrhundert- bis tausendköpfigen Schaf- und Ziegenherden der rumänischen Gebirgsregionen ziehen im Mai aus der Donautiefebene , wo sie überwintern, hinauf ins Gebirge und im Herbst wieder zurück in die Ebene. Bei dieser sogenannten Transhumanz werden sie seit alters her von kräftigen, starken, wehrhaften Herdenschutzhunden begleitet, deren Aufgabe es ist, die Herden vor Raubtieren (Beutegreifern) und zweibeinigen Räubern zu schützen. Nachdem die Karpaten noch heute eine der größten europäischen Wolfspopulationen beherbergen, die – neben Bären, Luchsen, Wildkatzen und Adlern – eine ständige Bedrohung für Weidetiere darstellen, ist die Sömmerung der Herden auf den bis zu 1200 Meter hoch gelegenen Gebirgsweiden ohne die Hilfe wehrhafter Hunde undenkbar. Rumänische Hirtenhunde gehören deshalb zu den ganz wenigen Rassen Europas, die überwiegend noch immer, wie eh und je seit Jahrhunderten, in ihrem angestammten Betätigungs- und Einsatzfeld arbeiten und ihrer ursprünglichen Aufgabe nicht zweckentfremdet wurden. Begibt man sich in abgelegene Bergregionen Rumäniens, so kann man also auch heute noch mit etwas Glück die urtümlichen Hirtenhunde Rumäniens bei ihrer angestammten Arbeit beobachten.

Große Schutzhunde vom Hirtenhundtyp hat es im Raum zwischen Karpaten und Donau, aber auch in Siebenbürgen, im inneren Karpatenbogen und in der Moldauebene vermutlich schon seit dem mittleren Neolithkum gegeben. Knochenfunde von Hunden aus der Gegend von Vadastra und Boian, die auf die Zeit 3500-2800 v.Chr. datiert werden, zeigen jedenfalls eine ähnliche Schädelform und ein ähnliches Knochengerüst bei etwas geringerer Größe (45 bis 55 cm Risthöhe) wie die heute gebräuchlichen Hirtenhunde (57 bis 65 cm Risthöhe). Die Hirtenhunde werden auch in rumänischen Weidepachturkunden aus dem 15-.18. Jahrhundert erwähnt. Durch Beschränkung ihrer Zahl versuchte man damals, Zahl und Größe der Schaf- und Rinderherden zu begrenzen. Wie groß ihr Bestand auch heute noch sein dürfte, beweist eine rund 25 Jahre alte kartographische Erfassung aus dem Jahr 1975, bei der 6500 als Gebrauchshunde arbeitende Exemplare gezählt wurden. Auch wenn nicht alle registrierten Herdenschutzhunde den angestrebten Rassetypen im Detail entsprochen haben dürften, so handelt es sich doch um eine recht große Zahl, so dass man sich um Fortbestand und Erhalt dieser Hunde einstweilen wohl keine Sorgen zu machen braucht.

Erstaunlich ist die relativ große Uniformität aller dieser Hunde, die doch auf einem riesigen Verbreitungsareal verteilt leben, das einen Raum von mehr als 300 000 Quadratkilometern umfasst. Aus den unterschiedlichen regionalen Hirtenhund-Schlägen haben sich im Laufe der Zeit zwei charakteristische Grundtypen herausgebildet, die inzwischen als zwei Rassen betrachtet werden: der Ciobanescul Romanesc Carpatin, kurz Carpatin genannt, und der Ciobanescul Romanesc Mioritic, kurz Mioritic genannt.

Bereits in den Jahren 1934 und 1935 veröffentlichte das Nationale Institut für Zoologie Rumäniens die ersten Beschreibungen der beiden Hirtenhundrassen Carpatin und Mioritic. Auf der ersten Rumänischen Nationalen Landeshundeausstellung im Friedenspark in Bukarest erschienen im Jahr 1935 86 einheimische, aus allen Teilen des Landes angereiste, Hirtenhunde. Sechs von ihnen wurden mit Goldmedaillen ausgezeichnet. 1937 organisierte der Verband der Rassehundebesitzer dann erneut eine Hundeausstellung in Timisoara, an der wiederum eine große Zahl von Hirtenhunden teilnahm. 1938 wurde das erste Zuchtbuch für die Rassen Carpatin und Mioritic eröffnet. Wirtschafskrise und Krieg und dann die rote Diktatur verhinderten, dass die Rassen weiter erfasst und ihre Standards endgültig ausgearbeitet wurden. Mehr als 20 Jahre gerieten die Hirtenhunde weitgehend in Vergessenheit. Aber nach Neugründung des Kynologischen Verbandes der SR Rumänien im Jahr 1969 nahm man die alten Aktivitäten wieder auf. Mit Unterstützung des Landwirtschaftsministeriums bemühte man sich, die bodenständigen Hirtenhunde zu erforschen und deren Zucht zu fördern: Eine ausgedehnte Erfassungs- und Katalogisierungsaktion in den gesamten Hügel- und Gebirgsregionen Rumäniens erbrachte eine Bestätigung der großen Einheitlichkeit der Hirtenhunde, die sich, wie in den dreißiger Jahren bereits begonnen, den zwei bekannten Typen zuordnen ließen. Gezielte selektive Zucht brachte eine weitere Vervollkommnung der angestrebten Standardtypen, die von nun an kontinuierlich auf rumänischen Hundeausstellungen in Erscheinung traten. Nachdem der Rumänische Hundeverband Nicolae Ceaucescus Sohn Nicu einen. Mioritic-Welpen zum Geschenk gemacht hatte, erwachte auch offiziell das Interesse an den rumänischen Rassen.

Im Jahr 1981 fand in Radauti, Kreis Suceava, eine große Ausstellung für rumänische Hirtenhunde statt. Anläßlich dieser Veranstaltung wurden die Standards für die beiden Rassen

Carpatin und Mioritic auch offiziell vom rumänischen Ministerium für Landwirtschaft und vom Landeszentrum für Zucht und Auswahl der Tiere anerkannt. Offiziell werden die Hunde als „Ciine de turme romanesc“ bezeichnet, was wörtlich „Rumänischer Herdenhund“ bedeutet. Der Carpatin ist überwiegend der Hund der Gebirgsregionen, der Mioritic hingegen mehr der Herdenschutzhund des rumänischen Tieflandes. Charakteristisch für beide Schläge sind die hellen, bernsteingelben Augen, durch die sie sich von den Herdenschutzhunden der Nachbarländer deutlich unterscheiden.

Eine auf Vereinen und Verbänden basierende Hundezucht wie bei uns in Westeuropa ist in Rumänien unbekannt. Seit Jahrhunderten oblag und obliegt Haltung und Zucht der großen Herdenschutzhunde den Hirten beziehungsweise der Landbevölkerung. Erst in den letzten Jahren haben sich rassemäßige Zuchtbestrebungen, ausgehend von einigen wenigen privaten Züchtern, entwickelt. Diese unterliegen der Zuchtkontrolle des kynologischen Dachverbandes mit Sitz in Timisoara, dem sehr daran gelegenen ist, die einheimischen Hirtenhundrassen zu fördern. Alljährlich im Mai und September werden in den Regionen, wo diese Hunde noch zahlreich vorkommen, Ausstellungen organisiert und die besten Hunde ins Zuchtbuch des rumänischen Kynologenverbandes aufgenommen. Unter anderem bemüht sich auch der Verein „Mondo Cane“ darum, die heimischen Herdenschutzhundrassen zu erhalten. Welchen Stellenwert die Rumänischen Hirtenhunde inzwischen in ihrem Stammland genießen, beweist auch die Tatsache, dass Rumänien eine Briefmarkenserie rumänischer Hirtenhunde herausgebracht hat, die schon in den ersten Tagen nach Erscheinen vergriffen war. Noch sind die beiden Rassen nicht FCI-anerkannt. Aber das ist sicher nur eine Frage der Zeit, nachdem erste diesbezügliche Versuche Ende der 90er Jahre wegen nicht erbrachter Formalien erst einmal im Sande verliefen.

 

Der Carpatin

Der Carpatin (alter Name: Zavod), dessen Name sich von seiner angestammten Gebirgsheimat, den Karpaten, ableitet, soll der ältere und ursprünglichere Typ sein. Er kommt vor allem in der Gegend von Bistritz vor , aber auch in der Bukowina und in der Moldauebene, wobei er außer als Herdenschutzhund auch als Wachhund für Haus und Hof eingesetzt wird. Äußerlich weist er viele Ähnlichkeiten mit den Herdenschutzhunden der angrenzenden Länder auf, vor allem mit dem jugoslawischen Sarplaninac und dem russischen Steppenkaukasen, ist jedoch leichter gebaut und besitzt einen schmaleren Schädel. Sein Gesicht ist stets kurz behaart, was ihn deutlich vom Mioritic unterscheidet. Er ist meist wolfsgrau gefärbt, oft mit schwarzer Gesichtmaske und weißen Platten. Es kommen aber auch beige oder weiße Exemplare mit schwarzen, grauen, gelblichen oder rötlichen Flecken vor. Carpatin-Rüden erreichen eine Schulterhöhe von bis zu 72 Zentimetern bei einem Gewicht von um die 45 Kilogramm. Hündinnen sind etwa vier bis acht Zentimeter kleiner – bei einem Gewicht von 35-40 Kilogramm.

 

Der Mioritic

Der Mioritic (alter Name: Mocano, Barac), dessen Name sich von der rumänischen Volksballade “Mioritca” (mioritca = rumänisch: kleines Schaf) ableitet, unterscheidet sich deutlich vom Carpatin. Er ist von etwas kleinerer Statur und ausgeprägt zotteliger Behaarung, die auch das Gesicht bedeckt und unter dem Kinn einen Bart bildet. Dadurch macht er einen „wuscheligen“ Eindruck und gemahnt an einen leichten Südrussischen Owtscharka. Die Grundfarbe des Fells ist weiß, kann aber auch alle Nuancen von Gelblich und Bräunlich bis Hellgrau aufweisen. Viele Hunde zeigen eine weiße, beige oder hellgraue Grundtönung mit zahlreichen großflächigen brauen und/oder grauen Abzeichen. Die Rüden liegen größenmäßig um die 65 Zentimeter, die Hündinnen um die 60 Zentimeter Risthöhe. Man findet den Mioritic im Gebiet der Bukowina, der Moldau und in der Gegend um Sibiu. Er ist aber auch im Banat, in Maramures und in Constanta anzutreffen, wo er häufig in Dörfern und auf Gehöften als Kettenhund gehalten wird.

 

Generell weisen beide Rumänischen Hirtenhundrassen die für Herdenschutzhunde typische Wach- und Schutzbereitschaft und große Eigenständigkeit auf. Thomas Schoke schreibt in seinem im Jahr 2000 erschienenen Herdenschutzhunde-Buch, dass Rumänische Hirten - im Gegensatz zu ihren russischen und türkischen Kollegen – jeweils nur einen einzigen Herdenschutzhund halten würden, der alle Wach- und Abwehrfunktionen alleine ausübe. Er führt dies auf die Tatsache zurück, dass beide Rumänischen Hirtenhundrassen mit Artgenossen so unverträglich seien, dass man sie in der Regel nicht in Gruppen halten könne, da sie nur die ihnen körperlich unterlegenen Hütehunde, von denen jeder Hirte mehrere besitze, akzeptieren würden. Die ausgeprägte Unverträglichkeit gegenüber Artgenossen gleicher Rasse und Größe soll mit der Selektion durch die Hirten zusammenhängen, die stets nur die drei oder vier aggressivsten Welpen eines Wurfes am Leben lassen. Ob dies für sämtliche Mioritic- und Carpatin-Linien des riesigen Landes gilt, lässt er offen und muss auch bezweifelt werden, da eine mehrhundert- bis tausendköpfige Herde kaum von nur einem einzigen Hirtenhund beschützt, bewacht oder gar verteidigt werden kann. Nach Angaben von Roswita Hirsch-Reiter in ihrem Hirtenhunde-Buch benötigt man einen Hund pro 100 Schafe, um die Gemeinschaftsherden der einzelnen Dörfer in die Berge zu führen, zu bewachen und gegebenenfalls gegen Wölfe, Bären oder andere Raubtiere zu verteidigen. Eine als Haus- und Hofwachhund gehaltene Mioritic-Hündin, die die Verfasserin dieses Artikels vor mehr als zehn Jahren kennen lernte und fotografierte, lebte mit ihren Welpen friedlich inmitten einer Schar Zwerg- und Kleinhunde.

Die rumänischen Hirten sind sehr eigen und misstrauisch, wenn man sie über ihre Hunde befragt. So gut wie nie verkaufen sie einen ihrer Welpen, schon gar nicht an einen Fremden. An die Herde nehmen sie in der Regel nur Rüden mit, während die Hündinnen unter Aufsicht ihrer Frauen in den Dörfern zurück bleiben. Der Wert eines guten Arbeitshundes wird meist in Anzahl Schafen berechnet. So ist ein guter Arbeitshund unter den Hirten etwa acht bis zwölf Schafe wert. Gute Hunde werden nicht selten an einen in Not geratenen Nachbarn ausgeliehen, wenn zum Beispiel bei diesem der Bär zuviel Schaden angerichtet hat. Solche wehrhaften und ruhmreichen „Recken“ (rumänisch: caine barbet) sind in der ganzen Umgegend bekannt und berühmt. Sie tragen oft die Namen alter Helden wie zum Beispiel PINTEA, NOVAC, COSTEA oder SASU. Schutzbereitschaft und Loyalität dieser großen Berghunde sind legendär. So berichtet eine mittelalterliche Chronik aus dem Jahr 1359 von einem Mioritic namens MOLDA, der bei der Verteidigung seines Herrn, des Königs Bogdan, gegen einen angreifenden Stier sein Leben ließ. Und Mitte der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts erschien in rumänischen Zeitungen ein Bericht über einen Mioritic, der einen verletzten Schäfer gegen einen Bär verteidigte und anschließend neun Meilen zum nächsten Dorf lief, um Hilfe zu holen.

Die rumänischen Hirten wissen die Leistungen ihrer Hunde durchaus zu würdigen. In einer berühmten Volksballade aus dem 13./14. Jahrhundert, von der in Rumänien über 50 Varianten kursieren, werden Klugheit, Treue und Mut einer Hirtenhündin namens DOLFA besungen Diese Ballade wird auch heute noch von den Hirten abends am Lagerfeuer erzählt beziehungsweise gesungen. Sie dürfte die einzige Volksdichtung Europas sein, in der ein Hirtenhund die Hauptfigur spielt:

Die alte DOLFA war die Leithündin des Hirten Costea – eines wohlhabenden Herdenbesitzers, dem noch weitere 50 Hunde gehörten. Sie wird als grauhaarig beschrieben und mit sanftem Blick aus ihren bernsteinfarbenen Augen. Als der Hirte Costea mit seinen Eseln zum Einkaufen auf den Markt musste, stahl der Räuber Fulga – in manchen Varianten als Costeas Bruder bezeichnet – einen Teil von Costeas Herde, indem er seine Gefolgsleute die wachenden Hunde mit Wolfsgeheul weit von der Herde weglocken ließ und die Herde dann in die Gegenrichtung wegtrieb. Als Costea nach seiner Rückkehr den Schaden bemerkte, wollte er in seiner Wut die alte DOLFA mit dem Speer töten, verfehlte sie jedoch um Haaresbreite. Später führte die greise Hündin jedoch ihren Herrn zum schlafenden Schafräuber Fulga und hielt ihn an der Kehle fest, bis Costea ihn mit seinem Beil gerichtet hatte – so jedenfalls will es die alte Legende.

Da die Rumänischen Hirtenhunde Herdenschutzhunde mit einem generell noch sehr ursprünglichen Wesen ausgestattet sind, kann man sie prinzipiell nicht für eine Haltung unter hiesigen beengten und zivilisierten Bedingungen als Haushund empfehlen. Außerhalb Rumäniens sind sie nahezu unbekannt – und das ist eigentlich auch gut so. Soweit bekannt, beschränkt sich die Zahl der in Westeuropa gehaltenen Hunde dieser Rassen auf ein in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in der ehemaligen DDR gehaltenes Zuchtpärchen Mioritics und deren Nachkommen aus zwei oder drei Würfen, von denen inzwischen auch die meisten nicht mehr am Leben sein dürften. Wer sich dennoch einen Hund dieser wehrhaften und urtümlichen Rassen anschaffen möchte, sollte zumindest über fundierte Hundeerfahrung und ein sicher eingezäuntes Grundstück verfügen. Ein gründliches Studium der einschlägigen Literatur über Herdenschutzhunde und ihre besonderen Eigenheiten wird dringend empfohlen.

Valeria Slembrouck ich@val-slem.de

Dieser Artikel erscheint in leicht gekürzter Form in der Zeitschrift HUNDE-REVUE 12/2001


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