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Rumänien 1996

Ein Bericht über eine Reise voller Abenteuer, Begegnungen und wunderbarer Menschen

Vorwort

Diesen Bericht widme ich meinen Kindern Anne und Wilhelm und meinem Mann Thomas in großer Dankbarkeit.

Wer die beschriebene Reiseroute verfolgen möchte oder nähere Informationen zu den meist nur kurz vorgestellten touristischen Attraktionen Rumäniens haben möchte, sollte beim Lesen einen Reiseführer bereit halten, denn für mich sind die Begegnungen mit den Menschen die schönsten Reiseerlebnisse gewesen und deshalb der vorwiegende Gegenstand meines Berichtes

Gudrun Pauksch (Dezember 1999)


Ich habe schon lange davon geträumt nach Rumänien zu reisen und durch unseren Freund Haiko ergab sich nach längerer Zeit und einem Fehlversuch endlich die Möglichkeit dieses Abenteuer zu starten. Ich wollte nicht mit einem professionellen Reiseunternehmen unterwegs sein. Ich möchte auf so einer Reise auf meine Art Menschen kennen lernen, mit ihnen an einem Tisch sitzen, ihnen zuhören (so weit das mit meinen Rumänischkenntnissen geht - aber Radebrechen macht ja auch Spaß) und Abenteuer erleben. Deshalb begab ich mit Haiko Kühne, einem guten Freund, und seinem alten Lada für 2 Wochen auf eine Rundreise, durch das Land zu dem ich mich schon immer hingezogen fühlte.

Haiko Kühne habe ich auf Umwegen kennen gelernt, die mit unserem rumänischen Freund Adrian zu tun haben. Adrian stand vor einigen Jahren unangemeldet mitten im Sommer und mit einem wahrscheinlich unter dubiosen Umständen beschafften Visum vor unserer Tür in Oschatz. Wir nahmen ihn für ein paar Wochen bei uns auf. Er wollte aber unbedingt arbeiten und deutsches Geld verdienen, fand aber keinen Job, weder als Erdbeerpflücker noch als Schwarzarbeiter in einem Betrieb.

Als eines Tages ein Zirkus durch Oschatz zog, kamen wir auf die Idee zu fragen, ob Adrian einige Wochen mitreisen könnte. Der Zirkusdirektor freute sich über eine billige Arbeitskraft und Thomas lieferte Adrian im Zirkus ab.

Adrian erzählte uns später, dass er eine schöne Zeit im Zirkus hatte. Er musste schwer arbeiten, hatte aber auch angenehme Aufgaben. Er hatte beim Zeltaufbau zu helfen und sich um die Pflege der Zirkuspferde zu kümmern. Bei der Arbeit im Zirkus lernte Adrian Axel, einen Hufschmied kennen, der den Zirkusleuten beim Beschlagen der Pferde half.

Als Adrian im Zirkus nicht mehr weiter arbeiten konnte (wahrscheinlich war es dem Zirkusdirektor zu gefährlich geworden Ausländer schwarz zu beschäftigen) nahm Axel Adrian mit in die Tierklinik, wo er für Essen, ein Nachtquartier und etwas Geld arbeiten konnte. Nachdem er einige Wochen so beschäftigt war, lernte er Haiko kennen. Haiko ist ein Uhrmacher mit riesigen Händen, der nach der Wende kein Glück mit seinem Geschäft hatte und nun als Hausbesitzer von und mit seinem Mietshaus lebt.

Ich besuchte Adrian einige Male in Engelsdorf und traf dabei Haiko, mit dem mich nun schon seit Jahren eine gute Freundschaft verbindet. Kurz vor Weihnachten plagte Adrian das Heimweh und Haiko brachte Adrian mit einem vollgeladenen Auto (einschließlich Hänger auf dem sich eine komplette Zentralheizung, ein riesiger Teppich, Säcke mit Sachen und Schuhen usw. befanden) zurück in sein Heimatdorf nach Südrumänien.

Bei dieser Reise, quer durch das Land mit vielen Begegnungen und Abenteuern, muss auch bei Haiko diese besondere Liebe zu Rumänien erwacht sein, die so wenig Deutsche verstehen können.

Haiko und ich, als begeisterte Rumänienfans, beschlossen, gemeinsam durch Rumänien zu fahren und das Land zu erkunden. Leider konnte Haiko seine Freundin und ich meinen Mann nicht überreden uns auf dieser Reise zu begleiten, da die beiden keine Rumänienfans und keine Freunde des rustikalen Reisens sind wie wir.

Am 13.09.99, einem Freitag, brachte mich Thomas, mein Mann, nach einem gemütlichen Essen mit meinen Eltern und meiner Schwester Anke zu Haiko Kühnes Wohnung. Dort luden wir das Gepäck aus und ich nahm Abschied von Thomas, der mir doch schwer fiel, denn so sehr ich mich auf die bevorstehenden Abenteuer freute, so traurig war ich doch Thomas und unsere Kinder Anne und Wilhelm für 2 Wochen alleine zu lassen.

 

Samstag 14.09.99

Der Morgen begann mit einem großen Topf Haferflockensuppe, die Haiko in seiner riesigen Boden - Bad - Küche kochte und die angeblich Kraft für einen ganzen Tag geben sollte. Dann begann in der Garage das große Packen. Ich war erschrocken als ich sah wie viel Gepäckstücke in das Auto, einen Lada - Kombi gepackt werden sollten. Es schien unmöglich alles zu verstauen! Haiko hatte sich allerdings schon vorher Gedanken gemacht und alle Lebensmittel und andere Kleinigkeiten in gut stapelbare Kisten gepackt. An besonderen Gepäckstücken packte Haiko sein selbstgebasteltes Reiseklo, das einzige, wichtigste und universellste Möbelstück unserer Reise, dass auch als Waschtisch genutzt werden konnte, und eine Schaumgummimatratze ein.

Ich wollte einen 80 l Rucksack, einen Koffer mit Geschenken, Proviant, Gummistiefel, einen großen Stapel Kataloge und viele andere Gepäckstücke mitnehmen. Irgendwie schaffte es Haiko durch perfektes Packen und Puzzeln am Ende doch alles im Auto so zu verstauen, dass wir auch noch Platz fanden.

8.30 Uhr war Start

Der erste Reisetag war pures Kilometerschrubben. Wir hatten uns auf Grund der Schwierigkeiten, die es angeblich an tschechischer und slowakischer Grenze geben sollte, entschieden über Österreich nach Ungarn zu fahren. So fuhren wir auf Autobahnen in das bayrische Hof und weiter nach Weiden, Cham, Passau, Linz, Györ, Budapest und schließlich bis hinter Keskemet. Insgesamt sind wir an diesem Tag 1154 km gefahren. Während dieser langen Fahrt haben wir uns unterhalten. Haiko kann interessant und lustig erzählen und so verging die Zeit schnell.

Jeden Tag unserer Reise während in der Mittagszeit, meist Punkt 14.00 Uhr, wurde Haiko Kühne müde und so machten wir in dieser Zeit Pause. Diese bestand in einem zünftigen Griff in die Proviantkiste und darin, dass sich Haiko seine Schaumgummimatratze schnappte um irgendwo für einige Minuten zu schlafen. Für mich ist es nur schwer verständlich, wie er sich, egal ob bei Regen oder Sonne, auf einen Autobahnparkplatz oder in einen rumänischen Straßengraben legen und schlafen konnte.

An der Grenze Österreich / Ungarn erwartete uns eine Überraschung und gleichzeitig Aufklärung darüber, was im Sommer, als ich mit meiner Familie im Urlaub war, an den ungarischen Autobahnauffahrten so eifrig gebaut wurde. Es waren keine Rastplätze wie wir annahmen, sondern Maudstationen, an denen 10 DM oder die entsprechende Summe Forint gelöhnt werden musste.

Irgendwo hinter Budapest schlief ich ein. Als ich erwachte lag Keskemet schon hinter uns und nun wurde auch Haiko müde. Ich war gespannt wie und wo wir die Nacht verbringen wollten, denn das Auto war ja randvoll mit Gepäck. Zuerst suchte Haiko sehr sorgfältig einen Schlafplatz aus. Bedingung war, dass der Platz nicht zu entfernt von der Straße lag, aber möglichst von dort aus nicht einzusehen war. Nach einigem Suchen fand Haiko einen Platz und der hatte sogar den besonderen Luxus, an einem Maisfeld zu liegen, welches auch als " Badezimmer " genutzt werden konnte.

Nach Klärung des " Wo ? " war ich nun auf das " Wie ? " gespannt. Haiko räumte die Proviantkisten und andere Dinge, die wir nicht unbedingt brauchten, aus dem Auto, wickelte diesen Stapel in eine wasserfeste Plane und stellte ihn in der Nähe des Autos ab. Mit einigen Handgriffen wurden dann die Autositze umgelegt und Sperrholzplatten so befestigt, dass der ganze Innenraum des Autos eine Fläche bildete. Bei dieser Arbeit betonte Haiko immer wieder, dass die Nägel das Wichtigste seien.

Unser " Wohnmobil "

Ich bekam die Fahrerseite als Schlafplatz zugewiesen. Das Problem war, dass ich dabei mit dem Kopf halb auf dem Lenkrad liegen musste. Haiko belehrte mich, ja nicht mit dem Kopf auf die Hupe zu kommen, da wir so nur unnötig auf uns aufmerksam machen würden. Haiko belegte seinen Schlafplatz noch mit seiner schmuddeligen Schaumgummimatratze. Nach einem kurzen Abendbrot fielen wir todmüde ins "Bett" und schliefen schnell ein.

 

Sonntag 15.09.99

Unser zweiter Reisetag begann mit grauem Wetter. Toilette wurde im Maisfeld gehalten, wobei der Waschschüssel- Toilettentisch seine Premiere gut bestand. Nach dem Frühstück, das bei Haiko wie immer aus Haferflocken und Milch (diesmal kalt) bestand, fuhren wir zur rumänischen Grenze. Haiko hatte bei seiner letzten Reise nach Rumänien die Erfahrung gemacht, dass an der rumänischen Grenze viel Andrang herrscht. Also stellten wir uns darauf ein. Nach ca. 1h Fahrt erreichten wir den Grenzort Mako und wunderten uns sehr.

Die Grenzstation war nagelneu und es gab keine Warteschlange. Außerdem hatten die Grenzer ganz schicke Uniformen an. Alle Autos, die an die Grenze fuhren, wendeten nach einem kurzen Gespräch mit den Beamten. Wir fürchteten Schlimmes und sahen unsere Weiterfahrt in Gefahr. Als wir nach wenigen Minuten an der Reihe waren, wurden auch wir freundlich darauf hingewiesen, dass dieser Grenzübergang für PKW geschlossen war und wir 50 km nordöstlich über die Grenze fahren sollten. Für uns kein Problem und auch kein großer Umweg. Auch der Grenzübergang in Battonya war neu und die Grenzbeamten neu eingekleidet und nett. Ohne lange Wartezeit kamen wir, nachdem wir ein Visum (50 DM) gekauft hatten, über die Grenze.

Vorher mussten noch einige Papiere ausgefüllt werden, auf denen der rumänische Staat von uns wissen wollte, wohin wir reisen und warum. Die erste Frage beantworteten wir mit "Craiova" und die zweite Frage mit "Besuch von Freunden". Wir tauschten an einem der zahlreichen Wechselstuben Geld . Für eine DM erhielten wir 2730 Lei. Ganz schön schwierig, bei diesem Kurs zu rechnen!!!

Also, ich würde den Rumänen vorschlagen, die Stadt Arad von der Grenze in das finsterste Landesinnere zu verlegen. Klar, dass das nicht geht und sicher ist das auch nur der Eindruck eines Durchreisenden, aber ich denke, dass viele Touristen, die durch diese Stadt fahren so schockiert sind wie wir. Ich empfand die Stadt als trostlos und grau. Besonders die Wohngebiete mit grauen Betonwohnblocks wirkten armselig und verwahrlost. Nur in Arad sind wir an Ampeln und Kreuzungen von Zigeunerkindern und Frauen angebettelt wurden und nur in Arad hatte ich das Gefühl von Mitleid und Bedauern für die Menschen, die hier wohnten.

An einer Ampel putzte uns eine Zigeunerin trotz Haikos lautstarkem Protest die Autoscheiben. Allerdings tat sie das mit einer schmierigen, milchigen Brühe, so dass wir danach kaum noch durch das Frontfenster sehen konnten. Sie war zufrieden mit ihrer Arbeit und wollte nun Lohn. Uns war diese Arbeit keinen Leu wert. Weil uns die Frau aber so bedrängte, reichte ich ihr eine Zahnbürste, aus meinem Geschenkbeutel, durch das geöffnete Autofenster. Aber ich bekam kein freundliches "multumire" (danke schön) dafür. Die Zigeunerin knurrte mich nur verwundert an " ´Ce este asta ?" ( Was ist das?).

Ja, so sah die gute Frau auch aus, als hätte sie noch nie eine Zahnbürste gesehen! Ich machte ihr die Handbewegung des Zähneputzens vor, aber dann zeigte die Ampel grün ( - lich ) und wir fuhren weiter. Die Frage, die mich nun beschäftigte, war, was wird die Zigeunerin mit der Zahnbürste gemacht haben?

Haiko hielt mir anschließend einen ellenlangen Vortrag, wie deplaziert das Verschenken von Zahnbürsten in Rumänien sei. Das er sich hier irrte, zeigte, dass sich im Verlauf unserer Reise noch viele Leute über dieses Geschenk freuten und durchaus wussten damit etwas anzufangen.

An der nächsten Ampel, die wie alle Ampeln in dieser Stadt die Farben rötlich, rötlich, grünlich , statt rot, gelb, grün aufwies, bettelte uns ein kleines Mädchen an. Mit dem diskutierte Haiko und er wurde von dem hartnäckigen Kind erst durch ein "Grünlich" an der Ampel erlöst.

Als wir aus der Stadt heraus fuhren, sah das Land schon ganz anders aus. Die Gegend wurde zunehmend grüner und freundlicher. In den Dörfern hatten die Leute am Straßenrand kleine Stände aufgebaut an denen sie Obst und Gemüse verkauften. Das Angebot reichte vom Krautkopf über Zwiebeln bis zu Nüssen, Äpfeln und Weintrauben. Gleich am ersten Stand an dem Weintrauben angeboten worden, wurden Haiko und ich schwach und kauften bei einem uralten Mütterchen eine große Schüssel mit Trauben. Haiko bezahlte mit einem Zweimarkstück. Die Oma war mit dem Preis zufrieden. Ich glaube aber nicht, dass sie das Geld verstand, als Haiko es ihr in die Hand drückte.

Der Wein war so lecker, dass wir ihn gleich an Ort und Stelle mit Wasser aus dem Kanister wuschen und aufaßen.

Wir fuhren weiter und unsere Begeisterung wurde immer größer. Die Dörfer, die Leute, die Dacias (98% aller Autos in Rumänien waren zu diesem Zeitpunkt Dacias - Haiko hatte am Ende unserer Reise eine Daciaallergie), die Esel-, Pferde- und Ochsenfuhrwerke und diese herrliche Landschaft! Das war unser Traum, das war unser Rumänien!

Als es dämmrig wurde, machten wir unsere erste Bekanntschaft mit einem der rumänischen Polizisten, die abends in großen Mengen auf den Straßen Rumäniens erscheinen, um wie wir beobachteten Kontrolle auf alles Erdenkliches machen. Mitten in einem Dorf hielt uns also ein adrett gekleideter junger Polizist an. Wir bekamen einen Schreck und überlegten, ob wir etwas falsch gemacht hatte. Wir gingen schnell alle möglichen Sünden durch.

Wir waren nicht zu schnell gefahren ( mit Haiko fährt man fast nie zu schnell! ), wir hatten unseren Sicherheitsgurt angeschnallt und hatten alle Vorfahrtsregeln beachtet. Uns fiel kein Fehler ein. Ruhig bat der Polizist uns um die Fahrzeugpapiere und fragte uns dann im perfekten Deutsch: " Was ist der Grund für Ihren Besuch in Rumänien? " Wir waren sehr erfreut und überrascht, hier einen so gut Deutsch sprechenden Menschen zu treffen und Haiko wollte dem Polizisten nicht nachstehen und antwortete im genauso perfektem rumänisch " visite". Alles klar Haiko! Besuch heißt auf rumänisch "visit" und was "visite" heißt, weiß jeder der schon einmal im Krankenhaus lag.

Wahrscheinlich hatte der Polizist mit dem einem Satz seine Deutschkenntnisse schon ausgeschöpft, denn er hob seinen Zeigefinger und seinen Blick nach oben in den Himmel und sagte bedeutungsvoll: "Lumina positionii". Wir nickten heftig und fuhren los. Da wir nicht verstanden hatten, was er sagte, blätterte ich eifrig im Wörterbuch, wo ich unter Lumina - die Wörter Lampe / Kerze fand. Wir schlossen daraus, dass wir unsere Scheinwerfer wegen einbrechender Dunkelheit einschalten sollten und taten das auch.

Es wurde dann nun wirklich schnell dunkel und begann in Strömen zu regnen. Langsam wurde die Landschaft bergiger. Wir durchfuhren einen Ausläufer der Karpaten. Die Straße führte in tiefen Schluchten immer am Fluss Mures entlang durch die Berge. Leider konnten wir diese im Hellen und bei schönem Wetter sicher grandiosen Aussichten nicht genießen, da es in Strömen regnete und es uns auf den engen Straßen mit schlecht kenntlich gemachten Baustellen immer ängstlicher zu Mute wurde. Außerdem warnten aller ein paar hundert Meter Schilder vor Steinschlag. Uns wurde uns immer mulmiger bei der Vorstellung, dass ein Gesteinsbrocken auf das Auto fällt und wir mitten in Rumänien einen Unfall haben. Nach einer Weile sahen wir so einen Unfall und waren sehr froh, als das Gebirge hinter uns lag.

Es wurde höchste Zeit eine Schlafstelle zu suchen und Haiko fand wieder einen herrlichen Platz, dessen Schönheit sich uns aber erst am nächsten Morgen offenbarte.

 

Montag 16.09.99

Ich machte meine Augen auf und mein Blick aus dem Auto traf sich mit dem Blick eines Mannes, der mit dem Stoffbeutel in der Hand über die Wiese an unserem Auto vorbei ging und neugierig in das Auto starrte. Der Mann wird gedacht haben, nanu, was ist denn das für eine seltsame Gesellschaft, als er unseren Lada so hinter dem Gebüsch stehen sah. Auch ich wunderte mich, was der Mann so zeitig auf der Wiese zu tun hatte.

Ich stieg schlaftrunken aus dem Auto und staunte nicht schlecht. Hinter unserem Nachtlager sah ich die in der vorhergehenden Nacht von uns durchquerten Berge. Hinter denen lugte die Sonne hervor und bestrahlte eine rostige Fabrik. Das war so ein schöner aber auch gleichzeitig seltsamer Anblick, dass es für mich aussah, als hätte ein Künstler dieses Bild aus seiner Phantasie erschaffen. Ich konnte mich gar nicht satt sehen und machte Haiko, der unterdessen auch erwacht war, auf den schönen Anblick aufmerksam.

Haiko richtete unser Badezimmer hinter einem Gebüsch ein, allerdings auf etwas morastigen Boden. Das Besondere an diesem Bad waren die zahlreiche Ablagemöglichkeiten für Waschtasche, Handtuch usw. an den Ästen und Zweigen. Ich war gerade mit Waschen fertig, als während des Zähneputzens ca. 20 Fabrikarbeiter an mir vorbei zogen. Ich lächelte und wurde freundlich gegrüßt.

Bald quoll aus den Fabrikschornsteinen weißer Rauch. Haiko und ich dachten während des Frühstücks darüber nach, was in dieser Fabrik wohl hergestellt wird. Wir konnten uns aber nicht auf ein Produkt einigen.

Gegen 9.00 Uhr brachen wir von diesem schönen Platz auf und fuhren in Richtung Süden. Die Städte und Dörfer durch die wir fuhren wirkten ruhig und friedlich. Auf den Feldern beobachten wir Bauernfamilien die hart arbeiteten und Mais oder Kartoffeln ernteten. Manchmal saßen auch Leute am Feldrand und ruhten sich aus. Es war keine Hektik zu spüren und mir fiel immer wieder das Wort Muse ein.

Muse: am Feldrand zu sitzen, Muse: Mittagsschlaf an einem schattigen Flecken zu halten, Muse: am Abend zufrieden mit der Ernte auf dem Fuhrwerk nach Hause zu zotteln, Muse: auf der Bank vor dem Haus bei einem Schwätzchen mit dem Nachbarn den Tag zu beenden.

Es war ein wunderschöner sonniger Tag, nicht zu heiß, aber etwas windig und ich konnte im Auto keine Minute schlafen, weil ich alles sehen wollte. Für mich war alles schön. Aber ich sah dieses Leben von außen. Es gefiel mir. Ich war Gast und sah nur das Gute. Ich sah nicht die Probleme die die Bauern vielleicht mit Geld, Familie, Gesundheit, hatten. Ich war glücklich und mein Herz füllte sich mit Freude über diese Stimmung, die mir der Blick aus dem Auto vermittelte.

Gegen Mittag kamen wir in Craiova, der Hauptstadt des Kreises Dolj an. Haiko erinnerte sich, dass montags in Craiova gewöhnlich ein großer Markt abgehalten wird und den wollten wir uns natürlich ansehen. Da es schon Mittagszeit war und Märkte in Rumänien meist sehr zeitig am Morgen beginnen und dafür aber auch schon zeitig am Mittag beendet werden, mussten wir den Markt schnell finden, um noch etwas vom bunten Treiben zu erleben.

Also versuchten wir aus unserer Erinnerung , den Weg zu finden. Nachdem ich Haiko im Ton tiefster Überzeugung einige falsche Tipps gegeben hatte , die uns in Sackgassen und über furchtbare Huckelstraßen führten, übernahm Haiko das Kommando und wir fanden, nachdem wir einige Passanten gefragt hatten, doch noch den Markt.

Der Markt war wirklich schon fast menschenleer. Wir schlenderten an den wenigen verbliebenen Ständen vorbei und Haiko konnte gar nicht aufhören, sich zu wundern, welcher Müll und Schrott zum Teil angeboten wurde. Das Angebot reichte von rostigen Nägeln über gebrauchte Wäsche bis neuen Möbeln. Natürlich gab es auch Stände, die für uns nicht so gewöhnungsbedürftige Dinge, wie " Marken - T - Shirts und Musikkassetten verkauften. An den Musikkassettenständen verbrachten wir längere Zeit. Haiko ließ sich zahlreiche Kassetten mit rumänischer Volksmusik vorspielen. Er suchte eine bestimmte Kassette, die allerdings nicht im Angebot war. Er, aber auch die Musikverkäufer, waren ganz verzweifelt. Später fachsimpelten wir mit den Marktbesuchern und Verkäufern über Preise von riesigen Kochkesseln, Traktoren oder alten Trabis.

Als wir den Markt nach ca. 2 Stunden verließen, wurde ich am Ausgang fast von einem zitronengelben Dacia, der ein Taxi war, überrollt. Der Fahrer hielt an, um auf Fahrgäste zu warten. Irgend etwas kam mir bekannt an dem Auto vor. Ich besah es mir genauer. Es gibt in Rumänien Millionen Dacias und davon sind auch eine Menge gelb. Aber trotzdem. Ich schaute noch genauer hin. Na klar, das war doch der Dacia, den sich Adrian, 1992 von einem Fahrschullehrer gekauft hatte und mit dem wir dann gemeinsam nach Rumänien gefahren sind. Da erkannte ich auch Adrians Bruder Fahne, der das Auto damals geschenkt bekam. Ich klopfte auf das Autodach. Fahne stieg verwundert aus und erkannte mich dann auch gleich. Wir freuten uns und umarmten uns. Fahne redete ganz schnell und laut auf mich ein. Auch ich versuchte es mit ein paar Worte rumänisch, aber wir verstanden uns nicht. Also bestellte ich noch einige Grüße an Fahnes Familie und wir fuhren weiter in Richtung Birca, wo unser Freund Adrian Gust zu Hause war.

Ich hatte Adrian in einem Brief unseren Besuch angekündigt und er hatte zurück geschrieben, dass er sich sehr auf unser Kommen freut. Haiko und ich waren auch sehr auf unseren Besuch gespannt, denn wir hatten uns zwei Jahre nicht gesehen. Adrian schrieb, dass er geheiratet hatte und wir waren neugierig seine Frau kennen zu lernen.

Als wir in dem Dorf Birca ankamen war ich richtig aufgeregt. Adrians Vater, der sich immer sehr freut, wenn ich ihn Papa nenne, hatte auf wundersame Weise schon von unserer Ankunft erfahren und machte sein Hoftor weit auf, so das wir gleich auf das Grundstück fahren konnten. Adrian, wurde geweckt und erschien verschlafen. Es war ihm anzumerken, wie sehr er sich über unseren Besuch freute. Nach einer herzlichen Begrüßung, auch durch Adrians Mama, schlug uns Adrian vor in das Krankenhaus zu fahren und seine Frau Mirella zu besuchen, die dort als Krankenschwester tätig ist.

Das Krankenhaus war eine Art Ärztehaus. Der lange Flur und der Warteraum waren leer. Nirgends eine Menschenseele. Alles war sehr sauber.

Adrian rief mehrmals laut nach seiner Frau und es verging einige Zeit bis er eine Antwort bekam. Er erklärte uns dann, dass Mirella sicher schliefe, denn es wären ja keine Patienten da. Es vergingen nochmals mindestens 10 Minuten, bis Mirella erschien. Sie hatte diese Zeit für das Auflegen eines beeindruckend und mutigen Make up benötigt. Wir begrüßten sie auch und wurden dann von ihr stolz durch alle Räume des Ärztehauses geführt. Überall herrschte Ordnung und Sauberkeit. Besonders stolz war Mirella auf einen Blutuntersuchungsapparat und führte ihn mir mit Begeisterung vor. Wir konnten gerade noch verhindern, das sie uns allen Blut zog, damit sie eine ausführliche Untersuchung machen konnte. Nach der Besichtigung des Krankenhauses führte uns Adrian zu seinem Haus, dass er sich ein paar Monate vor unseren Besuch gekauft hatte.

Adrians Haus

Es war ein sehr schönes Haus mit Stuck verziert und in der Dorfmitte gelegen. Adrian plante in dem zur Hauptstraße gelegenem Zimmer eine Bar einzurichten. Im Haus war erst ein Zimmer und eine kleine Küche provisorisch eingerichtet. Zu dem Haus gehörte außerdem ein Garten und ein windschiefes, lieblos zusammengenageltes Klo.

Nach der Hausbesichtigung begaben wir uns wieder zum Haus von Adrians Eltern. Ich setzte mich mit dem Papa auf dem Hof auf eine Bank und wir unterhielten uns so gut es ging mit Händen und Füßen. Auf einmal fragte er mich, ob ich ihm denn keine Schokolade mitgebracht hätte.

Papa Gust am Hoftor

Natürlich hatte ich und holte auch gleich einige Tafeln, von denen er eine sofort mit Hingabe verspeiste. Auch für Mama Gust, Mirella und Adrian hatten wir einige Kleinigkeiten in unserem Geschenkkoffer. Dann saßen wir zusammen und erzählten, wie es uns in letzter Zeit ergangen war.

Mirella lud uns nach einer Weile ein, ihre Eltern zu besuchen. Das Elternhaus von Mirella liegt am Dorfende und so machten wir einen langen Spaziergang durch das Dorf. Natürlich wurden wir von den Dorfbewohnern bestaunt, denn es ist für Brica schon etwas besonderes wenn internationale Gäste die Straße entlang spazieren. Adrian wurde immer wieder von Passanten gefragt, wer wir denn sind und er antwortete stolz: " Meine Freunde aus Deutschland"

Mirellas Mutter, eine winzig kleine Frau, stand auf der Dorfstraße und hielt nach uns Ausschau. Irgendwie muss es in Birca ein uns verborgen gebliebenes Informationssystem geben, das ganz schnell und sehr zuverlässig funktioniert. Wir wurden ganz herzlich und fest umarmt als wir die kleine Frau begrüßten. Dann führte sie uns in ihr einige Nebenstraßen weiter gelegenes Häuschen, wo auch Mirellas Großmutter auf uns wartete. Diese Frau, ganz in schwarz gekleidet, muss schon steinalt sein. Sie begrüßte uns freundlich und Adrian versicherte uns, dass sie eine der trinkfestesten Personen von ganz Birca sei.

Mirellas Elternhaus war blitzsauber. Als ich das laut lobte, offenbarte uns Adrian, dass die Familien vor unserem Besuch ganz gründlich Hausputz gehalten und alle Zimmer gründlich gereinigt, entstaubt und entrümpelt hatte. Mirella zeigte mit sogar Blasen an ihren Händen, die sie vom Putzen und ausbürsten der Teppiche bekommen hätte.

Mich beeindruckten die einfachen Lebensverhältnisse der Familie. Das Haus war ganz einfach und zweckmäßig eingerichtet. In der Küche stand ein alter Backofen, der wie ein Kamin einen offenen Abzug hatte. In diesem Ofen bäckt die Familie ihr Brot und er wird auch zum Kochen genutzt. Zur Feuerung werden die abgeernteten Maiskolbenmittelstücke verwendet.

Adrian wurde aufgefordert für uns eine Pute zu fangen und zu schlachten. Schnell wurde sie gerupft und wir sollten wählen, ob wir das Fleisch lieber gegrillt oder gekocht essen wollten. Ich wusste, was Grillen in Birca bedeutete und plädierte auf gekochte Pute. Haiko bestand aber auf Grillen und so lernte er auch das kennen. Das Fleisch der Pute wurde auf einem aus Rost gelegt, der direkt auf ein Maiskolbenholzfeuer befand. Nach kurzer Zeit war das Fleisch schwarz und damit servierfertig.

Wir wünschten uns, dass wir trotz der Abendkühle und einbrechender Dunkelheit im Garten vor dem Haus essen. Ein Tisch und Stühle wurden herbei geschafft, der Tisch gedeckt und das Essen auf den Tisch gestellt. Es gab neben dem Putenfleisch auch noch Maisbrei und eine große Menge besonders leckerer Weintrauben. Wir hatten viel Spaß beim Essen, das für unsere Zähne etwas gewöhnungsbedürftig war. Während Haiko und ich große Probleme hatten, das zähe Fleisch zu kauen, aßen unsere rumänischen Gastgeber, selbst die uralte Oma, als wäre es butterweich. Unsere Mahlzeit wurde von Gesang aus dem Nachbargarten begleitet. Eine Kinderstimme sang immer wieder das gleiche Kinderlied.

Unterdessen war auch Mirellas Vater vom Feld nach Hause gekommen. Er hatte auf dem Feld Mais geerntet und brachte nun seine Ernte mit einem Karren, vor dem ein niedlicher kleiner Esel gespannt war nach Hause. Auf dem Heimweg muss aber irgendein Unfall passiert sein, denn der Esel hatte sich verletzt. Zuerst versorgte Mirellas Vater das Tier. Er schmierte die Wunden mit einem schwarzen Fett ein und brachte den Esel zum Grasen in den Garten. Dann lud er mit Adrians und Haikos Hilfe den Mais vom Wagen ab.

Ich schaute mich nach der kleinen Sängerin um und entdeckte sie nach einiger Zeit im Nachbargarten. Sie saß auf einem Ast eines großes Nussbaumes und sang inbrünstig. Ich rief mehrmals "Hallo" und sie kam zum Gartenzaun. Ich werde dieses hübsche kleine etwa 6 Jahre alte Mädchen nie vergessen. Sie war ärmlich gekleidet und von oben bis unten schmutzig. Sie hatte ein hübsches Gesicht mit ganz großen schwarzen Augen, die sie während sie mit mir sprach immer wieder erstaunt und ungläubig aufriss.

Mit meinen wenigen rumänischen Vokabeln kamen wir ins Gespräch und sie amüsierte sich sehr darüber, wenn ich etwas nicht verstand. Ich erklärte ihr, dass ich sie nur verstehe, wenn sie langsam mit mir spricht, weil ich eine andere Sprache spreche. Das konnte sie nur schwer glauben. Sie riss ihre schwarzen Augen auf und wiederholte immer wieder " Du nu stiu? Du nu stiu ? " , was soviel heißt wie " Du verstehst das nicht " Ich schenkte ihr eine Zahnbürste und sie wusste zu was man sie brauchen konnte und freute sich.

Unterdessen kamen noch einige Kinder zu unserem Gespräch dazu und schließlich war ich von 7 Kindern umringt, die Geschwister von Florina, meiner kleinen Freundin waren. Auch die Mutter der Kinder erschien und ich versprach, noch einmal zu Besuch zu kommen und allen Geschenke mitzubringen.

In stockfinsterer Nacht gingen Haiko, Adrian, Mirella und ich zurück zum Haus von Mama und Papa Gust. Wir bekamen jeder ein frisch bezogenes Bett und schliefen trotz des lauten Gebells der zahlreichen Dorfhunde schnell ein.

 

Dienstag, 17.09.99

Der Morgen blinzelte wunderschön durch die kleinen Fenster meines Zimmers und mich hielt überhaupt nichts mehr im Bett, als ich die Geschäftigkeit der Dorfbewohner auf der Straße hörte. Ständig fuhren Pferdefuhrwerke auf der unbefestigten Straße vor dem Haus . Es klapperte, schepperte und bellte unaufhörlich. Ich machte mich auf dem Weg zum Klo. Ja, Deutsche und Toiletten in Rumänien, das ist ein Thema für sich und für meinen Mann ein Hauptgrund nicht nach Rumänien zu reisen. Haiko hatte sich ja sein privates Reiseklo gebastelt und auf der Reise ausschließlich benutzt.

In den Gaststätten gab es fast überall vernünftige Toiletten, aber in den Privathäusern gab es keine Toiletten, zumindest auf dem Land. Meist stand irgendwo in einer Ecke des Gartens eine zerfallene Bretterbude, windschief und schmutzig, so dass man es wirklich vorzog sein Geschäft hinter einen Busch zu erledigen. Nur im aller, aller äußersten Notfall benutzte ich diese Plumsklos. Also machte ich mich auf den Weg zum Freilandklo und sah Mama und Papa Gust im Hühnerstall stehen.

Zwischen den beiden hing, an den Beinen aufgehangen , ein gerade abgestochenes Schaf. Daneben stand ein lebendes Schaf das jämmerlich blökte. Diese Schlachtung die da vor sich ging musste ich mir natürlich genauer ansehen und so verfolgte ich gespannt und fasziniert, wie das Schafsfell Stück für Stück abgezogen wurde. Die beiden Leute arbeiteten Hand in Hand und sehr sorgfältig. Nachdem dem Tier die Eingeweide entfernt und der Kopf mit einem scharfen Messer abgeschnitten worden war, wurde es in mehrere Teile zerlegt.

Papa Gust erklärte mir, dass er normalerweise das Schaf eingefroren hätte, aber jetzt hat er seinen Tiefkühlschrank an Adrian für die Bar ausgeliehen und so griff man auf folgende traditionelle Methode zurück:

Man fragt die Nachbarn und Freunde im Dorf, ob sie ein Stück Fleisch haben möchten. Das Fleisch wird dann nicht verkauft, sondern geborgt. Das heißt, wenn die betreffende Familie schlachtet, gibt sie genau das gleiche Stück Fleisch wieder zurück. Ich finde das ein sehr praktisches und kluges Verfahren.

Besonders rustikal fand ich es, meine Morgenwäsche am Brunnen zu erledigen. Dabei war ich umgeben von Hunden, Hühnern und Katzen.

Frühstück gab es im Haus. Es stand Brinza (ähnlich den FETA - Käse), Marmelade und Brot auf dem Tisch. Mirella - ein Kaffeefan - kochte dazu noch eine Tasse Kaffee. Haiko frühstückte seine unvermeidlichen Haferflocken. Er freute sich, dass er sie hier warm verspeisen konnte.

Nach einer kurzen Lagebesprechung beschlossen wir an die ca. 50 km südlich gelegene Donau zu fahren und das schöne Spätsommerwetter zu genießen. Haiko, Adrian, Mirella und ich stiegen in den ausgeräumten Lada und machten uns auf den Weg. Wir durchfuhren sehr ärmliche Dörfer, vorbei an hunderten Pferde- und Eselsfuhrwerken, die bis zum Rand mit knallgelb leuchtenden Maiskolben gefüllt waren. Der Mais wurde dann vor die Hoftore gekippt und abends saßen die Familien auf dem Maisberg und sortierten. Die kleinen Kolben, so erklärte uns Adrian, wurden für das Vieh und die schönen großen für die Menschen aufbewahrt. Es wurde daraus dann das Maismehl für Brot und Maisbrei hergestellt.

Nach einigen Kilometern fuhren wir an einem Melonenfeld vorüber. Die Melonenzeit war eigentlich schon vorbei, aber Adrian meinte, dass wir vielleicht doch noch einige Früchte finden könnten. Also stiegen wir aus dem Auto und sammelten schnell 3 Früchte ein. Plötzlich kam ein Junge auf uns zu gelaufen, der, wie sich herausstellte, der Wächter des Feldes war. Adrian wechselte mit ihm ein paar Worte und man wurde sich einig, dass wir für 2 Tafeln Schokolade Melonen bekommen.

Wer jetzt denkt, dass wir von dem Feld Melonen bekamen, das der Junge zu bewachen hatte, irrt. Der Wächter rannte mit großen Schritten zum Nachbarfeld und schleppte so viele Früchte heran, wie er tragen konnte. Wir mussten ihn bremsen, sonst hätte er uns das Auto bis zum Rand gefüllt. Mit unserer Beute fuhren wir weiter und kamen im nächsten Dorf an einem Friedhof vorbei. Da ich weiß, dass man auf einem Friedhof viel über die Leute, die dort ihre Toten begraben erfahren kann, wollte ich ihn mir unbedingt ansehen.

Wir sahen auf dem Friedhof viel Beton. Die alten Leute bauen sich zu Lebzeiten selbst ihre Grabstätten. Als ich mich darüber wunderte, erzählte mir Adrian, dass sie das tun, weil sie nicht wissen, wie sie von ihren Kindern begraben werden. Also bereiten sie alles vor, so dass dann die Särge nur noch in die Gruft gesenkt werden müssen und diese dann zugemauert wird. Ich schaute mir mehrere solche " unbelegte " Gruften an. Sie waren ca. 1 m tief. An manchen Gräbern hingen verwitterte Kunstblumenkränze und andere Gräber waren so verwittert, dass man sie kaum noch als Grab erkennen konnte. Ich musste an die Friedhöfe zu Hause denken, wo der Friedhof oft ein Treffpunkt für die älteren Leute ist und die liebevoll gepflegten Gräber Blumengärten gleichen.

Als wir in Bechet angekommen waren, entschlossen wir uns, uns einen Rastplatz an der Donau zu suchen und dort ein Picknick abzuhalten und das schöne Wetter zu genießen. Auf der Suche nach geeigneten Platz stießen wir auf den Hafen, der auch gleichzeitig der Grenzübergang zu Bulgarien war. Dort war nicht viel los. Die Grenzbeamten freuten sich über etwas Abwechslung durch unseren Besuch und ließen uns nicht aus den Augen. Das war keine schöne Atmosphäre für ein Picknick. Also fuhren wir weiter ostwärts an der Donau entlang.

In einem etwas größeren Dorf erblicken wir ein verwittertes Hinweisschild auf ein Museum. Das machte uns neugierig und nach einigem Suchen und Fragen fanden wir es auch. Leider war alles verschlossen, aber Adrian machte dann doch noch den Herrn Museumsdirektor ausfindig. Schon der Mann war eine Sehenswürdigkeit und auch das Museum war interessant. Der Alte gab sich große Mühe das Museum zu erklären. Mit ausladenden Bewegungen und viel Pathos in der Stimme erklärte er wortreich die einzelnen Gebäude, Mauern und Gräber. Leider verstanden wir davon nicht viel, weil Adrian ein lausiger Übersetzer war und wahrscheinlich davon ausging, dass es reicht, wenn er alles versteht. Der alte Museumsführer freute sich über unser Interesse und war stolz, uns alles zeigen zu können.

Haiko, Adrian und der Museumsdirektor (mitte)

Ich staunte nicht schlecht, als er auf einmal einen Deckel mitten auf einer Wiese anhob und uns ein Skelett zeigte, dass in einem geöffneten Grab lag. Wer der Tote ist und wie lange er schon in seinem Grab liegt, wusste der Alte auch nicht und ich habe auch in keinem Reiseführer etwas darüber gefunden.

Als wir auf dem ehemaligen Burgberg standen, konnten wir die Aussicht über die Donau bis nach Bulgarien genießen.

Die Donau zog sich wie ein breites Band durch das satte Grün der Wiesen auf denen sich zahllose Gänse tummelten. Durch die Sonne glitzerte und funkelte nicht nur die Donau, sondern auch viele kleine Pfützen. Ein märchenhafter Anblick. Oben auf dem Burgberg war ein Eingang zu einem Brunnen. Eine steile Treppe führte in die Tiefe des Berges. Wir stiegen hinunter. Es gab kein Licht und irgendwann hörte ich es plätschern. Adrian, der voran ging, war ins Wasser getreten, denn der Stollen war gefüllt. Ich war richtig erleichtert, als ich wieder an der Oberfläche war.

Für diese interessante Führung bedankten wir uns ganz herzlich bei unserem Führer mit einem kleinen Geldstück. Wir fragten ihn auch noch nach einem schönen Rastplatz.

Die Stelle, die er uns empfahl war wirklich wunderschön, direkt an der Donau gelegen mit einem schönen Sandstrand und einer schattenspendenden Trauerweide als Blickpunkt. Wir packten unsere Proviantkisten aus, und ließen uns auf den ausgebreiteten Decken nieder. Nach dem Essen machten wir einen kleinen Spaziergang entlang der Donau und wateten durch das klare kalte Wasser. Es war so richtig schön, und wir beschlossen uns noch etwas in die Sonne zu legen.

Adrian und Mirella

Haiko zog sich zum Mittagsschlaf in Autonähe zurück. Als ich so kurz vorm Einschlafen war und mein Blick noch mal über den herrlichen Anblick der Donau schweifte, dachte ich meinen Augen nicht zu trauen, als ich da etwas ( ein großer Fisch? interessantes Strandgut? Oder ein dicker Baumstamm?) in der Donau schwimmen sah. Endlich kapierte ich, da schwamm ein Mensch und beim noch genaueren Hinsehen erkannte ich Haiko.

Später erzählte mir Haiko, dieser verrückte Mensch, dass sein Schwimmausflug ganz schön gefährlich gewesen war, denn durch die starke Strömung des Flusses ist er mächtig abgetrieben worden und konnte nur mit Mühe wieder an das Ufer zurück schwimmen. Ich war froh, dass ich meinen Reisegefährten nicht in Badehose und ohne jegliche Papiere beim bulgarischen Zoll abholen oder im Donaudelta selbst aus dem Wasser fischen musste.

Es wurde Zeit die Donau zu verlassen und wieder nach Birca zu fahren. Wir fuhren wieder durch zahlreiche einfache Bauerndörfer, fern von allen Fernverkehrsstraßen. Mit unserem Lada mit der deutschen Nummer erregten wir schon reichlich Aufmerksamkeit. Wir sahen Unmengen von Pferdefuhrwerken und Wagen die von Eseln oder Ochsen gezogen wurden. Es war eine sehr arme Gegend. Auf den Straßen liefen jede Menge halbnackte Kinder umher und winkten uns zu. Adrian nannte diese öde Gegend, die ja seine Heimat ist, "Afrika" . Ich mochte es trotzdem und genoss diesem Landstrich in dem alles anders als zu Hause war.

So richtig erholt und zufrieden kamen wir in Birca an. Ich wollte nun unbedingt mein Versprechen einlösen und meine Freundin Florina wiedersehen und ihr die versprochenen Geschenke bringen.

Nachdem Haiko bei Mirellas Eltern Ananaskonserven, Schokolade und diverse andere kleine Geschenke ausgepackt hatte, rief ich nach Florina. Sie meldete sich aber nicht. Nach einigem Suchen fand ich sie auf der Hauptstraße. Sie tobte mit ihren Freunden herum und probierte das selbst gebastelte Auto aus, das mal ein Kinderwagen oder so etwas ähnliches war. Ich rief und war sofort von Kindern umringt, die sich ganz wild um die Zahnbürsten, Malhefte, Luftballons und Schokolade balgten. Ich hatte Mühe alles gerecht zu verteilen. Florina bekam einen riesengroßen Schokoladenosterhasen, den Haiko von einer Bekannten mit auf die Reise nach Rumänien bekommen hatte. Die Kleine verstand nicht, was es mit der Figur auf sich hatte.

Als ich ihr sagte, das es Schokolade ist, sperrte Sie ihre großen Kulleraugen auf und rief "Alles Schokolade? Für mich?" Voller Begeisterung riss sie das Papier von dem Hasen und stopfte sich ein großes Stück Schokolade in den Mund.

Auch die anderen Kinder freuten sich über die kleinen Geschenke. Als Haiko dazu kam, wollte er sich unbedingt das selbst gebastelte Auto ansehen und vorgeführt haben. Das gab große Probleme, denn kein Kind wollte seine Geschenke aus der Hand geben, aber man braucht schließlich beide Hände zum Lenken.

In Gusts Haus angekommen, brach eine Diskussion darüber los, was es wohl zum Abendbrot geben sollte. Da das Schaf nun einmal zu unseren Ehren geschlachtet war, musste es also etwas mit Schaffleisch sein. Adrian bestand darauf das Fleisch wieder zu grillen. Aus den Erlebnissen des Vorabends hatten wir aber gelernt, das so zubereitetes Fleisch nichts für unsere verwöhnten deutschen Zähne ist. Ich erklärte mich bereit einen Gulasch zu kochen und Mirella wollte mir helfen. Haiko wollte die Mahlzeit mit einem Tomatensalat komplettieren. Eine richtige Einigung erzielten wir bei der Menüwahl nicht und so bereitete jeder das zu, was er wollte.

Der große Tisch wurde unter den Nussbaum gestellt. Haiko schnippelte eifrig Tomaten und würzte sie mit seiner mitgebrachten weißlichen Salatsoße. Papa Gust fand das gar nicht gut. Er wollte den Salat nicht einmal probieren, denn er hatte schon den ganzen Sommer immerzu Tomaten gegessen und nun verlangt man von ihm auch noch, dass er Tomaten mit Milch isst. Also nein danke, diese Deutschen haben in seinen Augen schon seltsame Sitten. Er wollte nicht einmal probieren!

Papa Gust fand Grillen nach Adrians Methode viel mehr nach seinem Geschmack. Dem Schaffleisch erging es ebenso wie dem Putenfleisch am Abend zuvor bei Mirellas Eltern. Eigentlich war es nur schwarz und ich kaute ewig auf dem kleinen Stück herum, das ich kostete.

Ja, da blieb noch mein Gulasch, der im Topf vor sich hinköchelte. Ich hatte dazu das Schaffleisch, Tomaten, Paprika und Zwiebeln in einem großen Topf erhitzt. Dazu gab ich noch etwas Salz und Wasser und fertig war meine Suppe, allerdings erst viel später, da das Fleisch sehr lange brauchte um weich zu werden. Mirella hatte mir fleißig beim Fleischschneiden geholfen und sie war viel geschickter als ich, Sehnen und Fett zu entfernen.

Später saßen wir alle gemeinsam am Tisch, aßen aber nach Nationalitäten getrennt. Papa, Adrian, Mirella und Mama aßen gegrilltes Schaf und Haiko und ich Tomatensalat. Meine Suppe wurde erst um Mitternacht fertig.

Der Tag ging so zu Ende, wie man es sich wünscht. Wir saßen zusammen, tranken Wein und später wurde meine Suppe probiert. Wir erzählten wie es uns in der letzten Zeit ergangen war und schmiedeten Pläne für unsere weitere Reise, auf der uns Mirella und Adrian ein Stück begleiten wollten.

 

Mittwoch 18.09.96

Wieder war ich zeitig wach und schimpfte über das Hundegebell, das mich weckte. Ich habe noch nie so viele Hunde und so laut bellen gehört wie in Birca. Außerdem hörte man schon vom zeitigsten Morgen an Pferdefuhrwerke auf der Straße vorbei scheppern. Es wurde Zeit aufzustehen und Morgentoilette zu halten. Ich packte meine Sachen zusammen und hörte Haiko auf einmal laut rufen, ich solle sofort auf den Hof kommen, sonst würde ich etwas verpassen. Ich lies alles stehen und liegen, aber es war schon zu spät.

Später erzählte mir Haiko folgendes:

Mama und Papa Gust wollten mit dem ARO (einem kleinen LKW) zur Maisernte fahren. Der ARO war aber aus Sicht eines Deutschen nicht leicht zu bedienen. Man steckte nicht einfach den Zündschlüssel ins Zündschloss und fuhr los, sonders verfuhr wie folgt:

Das Auto wurde auf eine leichte Steigung in der Hofeinfahrt geschoben. Dann wurde die Motorhaube geöffnet. Papa Gust tränkte einen Lappen mit Benzin und hielt ihn an den Anlasser. Unterdessen wurde der ARO von 2 kräftigen Nachbarn und Adrian angeschoben und der Fahrer rollte blind, denn er hatte ja die Motorhaube vor der Nase, auf den Hühnerstall zu. Dabei rannte Papa Gust neben dem Auto her, bis endlich der Anlasser funktionierte und das Auto ansprang.

Während Haiko diese Geschichte ganz fasziniert erzählte, amüsierten sich die Bircaraner über uns, da sie nicht verstanden, dass wir uns über eine so normalen Sache wundern. Mama und Papa verabschiedeten sich ganz herzlich von uns und fuhren mit dem ARO auf das Feld.

Wir packten unsere etwas reduzierten Gepäckstücke wieder ins Auto. Mirella und Haiko quetschten sich auf die Rückbank und weiter ging unsere Abenteuerreise.

Adrian hatte uns erzählt, dass Mirellas Familie sehr arm war und sie noch nie eine Jeanshose oder ordentliche feste Schuhe hatten. Haiko und ich wollten deshalb ihr deshalb eine Freude machen und ihr eine Hose und Schuhe kaufen. Mit ihrem dünnen Rock und den hochhackigen Schuhen war sie für unsere Abenteuerfahrt wirklich nicht richtig angezogen. Wir fuhren also nach Craiova und stiefelten dort von einem Laden in den nächsten.

Haiko hatte eine tolle Geduld und versuchte seinen Willen durchzusetzen, für Mirella eine praktische Hose und preiswerte, aber möglichst nicht schwarze, Schuhe zu kaufen. Natürlich gelang es ihm nicht und Mirella setzte sich durch und bekam so von uns schwarze, praktische und nicht sehr preiswerte Schuhe und eine schicke blaue Jeans. Die Freude, die Mirella über diese Sachen zum Ausdruck brachte, entschädigte uns für das lange " Shopping". Mirella war so stolz und wusste die Gunst der Stunde zu nutzen und ging Haiko, der sich als großzügiger Spender erwiesen hatte um den Bart, so dass wir sie ein bisschen bremsen mussten, denn ein Auto wollten wir ihr eigentlich nicht noch kaufen.

Nun hatten wir auch unser erstes getauschtes rumänisches Geld aufgebraucht und suchten eine günstige Gelegenheit um zu tauschen. Adrian, unser Chefmafiosi, nahm das Tauschen in die Hand. Er wollte uns etwas Gutes tun und einen möglichst großen Gewinn herausschlagen und deshalb schwarz tauschen. Trotz seines Knurrens heftete ich mich an seine Fersen und lief einfach hinter ihm her, als er mit unserem Geld in Richtung eines Parks verschwand. Im Park signalisierten ihm zwei ältere Damen ihr Interesse am Tauschgeschäft.

Er setzte sich mit ihnen auf eine Bank und es wurden riesige Geldbündel aus den großen Einkaufstaschen geholt. Wir bekamen für unsere 200 DM soviel Lei, dass Adrian mindestens eine Viertelstunde zählen musste, denn die Gelddrucker arbeiten in Rumänien nicht so schnell wie die Inflation. Es gab nur 500 und 1000 Lei scheine und so musste Adrian 550 000 Lei zählen und das zweimal.

Alle beteiligten sahen sich dabei immer wieder ängstlich um. Nur ich konnte eine gewisse Heiterkeit über diese wenn auch kriminelle, so doch irgendwie filmreife Situation nicht unterdrücken. Dafür erntete ich dann von Adrian auch strafende Blicke und Worte. Nachdem er fertig gezählt hatte, gab mir Adrian das Geld und da ich es nicht anders unterbringen konnte, stopfte ich es mir in meine Handtasche. Von Adrian erhielt ich zum Abschluss noch eine eindringliche und strenge Belehrung in Rumänien nieeeeeemals alleine schwarz zu tauschen, da ich dabei garantiert betrogen werden würde. Keine Angst Adrian, so etwas zu tun würde mir nicht im Traum einfallen.

Ich lief nun mit meiner Handtasche, in der ich so viel Geld hatte, wie Mirella in 6 Monaten verdient durch Craiova. Da es sehr Mühevoll war diese Papiermassen immer wieder zu zählen, beschlossen Haiko und ich Kommunismus zu machen und meine Handtasche als gemeinsame Kasse zu betrachten. Wir maßen unser Vermögen ab sofort nicht mehr nach Geld, sondern daran wie viel Papier noch in meiner Tasche war und kamen damit sehr gut aus.

Wir verließen Craiova und fuhren Richtung Norden. Während Haiko und ich bequeme Sitze hatten waren Adrian und Mirella auf der Rückbank zwischen unserem Gepäck eingepfercht und sie taten mir schon ein bisschen leid. Wir fuhren wieder durch eine bergige Landschaft, immer am Fluss OLT entlang. Die Landschaft war ganz anders als das flache Donaugebiet und wir genossen die Idylle.

Kühe auf der Straße – ganz selbstverständlich

Adrian trieb uns aber zur Eile an, denn wir sollten unbedingt zu dem berühmten Kloster Cozia fahren und es uns ansehen. In den Bergen war es kalt und als wir am Kloster ankamen, musste ich mein Sommerkleid gegen wärmere Sachen tauschen. Da es keine andere Möglichkeit hatte, musste ich mich mitten auf der Straße mit verzweifelten Verrenkungen vor den Augen eines uralten Mönches umziehen. Das war mir peinlich!

Vor dem Kloster stand ein Bettler mit dem traurigsten Blick den man sich vorstellen kann. Der Mann sah so verhärmt und abgerissen aus und seine Augen baten uns inständig um eine kleine Gabe. In seiner Hand hielt er ein schäbiges Pappschild. Wir baten Adrian uns zu übersetzen, was darauf stand. Die Übersetzung lautete: Mein Haus ist abgebrannt und ich muss für 6 hungrige Kinder sorgen. Voller Mitleid nahm ich spontan eine große Hand voll Bonbons und wollte sie dem Mann geben. Haiko fand das aber so unmöglich und belehrte mich, dass diesem Mann mit einer Mark wohl mehr geholfen wäre.

Adrian hörte unserer Diskussion mit einem für mich zunächst nicht deutbaren Lächeln zu. Haiko warf dem Bettler eine Mark in die Schale und diese gute Tat wurde mit einem kleinen Lächeln des armen bedauernswerten 6 - fachen Vaters quittiert.

Wir sahen uns das Kloster an und erfuhren von Adrian und einen uralten aber detaillierten Reiseführer aus dem Jahr 1972 einiges über die bewegte Vergangenheit des historischen Ortes. Besonders beeindruckt hat mich die große Klosterküche mit dem riesigen Abzug mitten im Raum und die wunderschöne Aussicht vom Klostergarten auf den wilden Gebirgsfluss Olt. Auch das Wasser aus dem heiligen Brunnen haben wir ganz gut vertragen, obwohl die Mönche die dort Wasser holten, nicht die feinsten Manieren hatten.

Haiko konnte sich eine Besichtigung der Toilettenanlagen nicht verkneifen, bei der er auch noch eine Dame fürchterlich erschreckte, die gerade auf der Damentoilette zu Gange war. Wenigstens war ihm dieser Vorfall im Nachhinein peinlich.

Beim Verlassen des Klosters liefen wir noch einmal an dem armen Bettler vorbei und ich kam mir wirklich sehr schuftig vor, dass ich auch nur das Ansinnen gehabt hatte, den Bettler mit Bonbons statt mit Geld abzuspeisen. Gott sei Dank war Haiko ja spendabel gewesen und hatte unsere Ehre gerettet.

Wir stiegen alle wieder in den guten alten Lada, nein eigentlich stimmt das nicht. Haiko und ich stiegen in das Auto und Adrian und Mirella quetschten sich auf das Stück Rückbank, das noch frei war.

Die Fahrt ging weiter am Olt entlang und wir bewunderten die schöne romantische und Wilde Landschaft. Auf der einen Seite der Straße verlief der breite, aber flache und doch reisende Fluss und auf der anderen Seite erhoben sich hohe Berge. Die Straße war durch die hier regelmäßig vorkommenden Steinschläge sehr in Mitleidenschaft gezogen, so dass aller 5 -10 km Straßenbauarbeiten durchgeführt werden mussten. Die Absicherung dieser Baustellen wurde ganz verschieden gehandhabt und reichte von gar keiner Absicherung bis zur Verkehrsreglung durch Ampeln die ellenlange Staus verursachten.

Wir durchreisten wunderschöne einsame Bergdörfer und freuten uns über gepflegte Häuser und Gärten und entdeckten immer wieder etwas neues in der Landschaft.

Als es anfing zu dämmern, blickten wir uns nach einem geeigneten Schlafplatz um. Adrian und Mirella wollten in einem der vielen einfachen Hotels nächtigen, die überall in den Dörfern zu finden waren. Gleich im ersten Hotel fanden die beiden auch ein akzeptables Zimmer und wir fanden in der Nähe einen geeigneten Schlafplatz. Wir mussten vom Hotel aus nur einen steilen Feldweg in die Berge fahren und befanden uns auf einer wunderschönen Wiese. Die rumänischen Wiesen sind mit Bäumen, oft mit Nussbäumen aufgelockert und wirken deshalb aufgelockert und natürlich.

Haiko taxierte das Auto, so dass es gerade stand, was auf der unebenen Wiese gar nicht so einfach war. Dann beschlossen wir Mirella und Adrian in ihrem Motel zu besuchen und den schönen Abend gemütlich bei einer Flasche Wein zu beschließen.

Als wir in die ordentliche Gaststätte eintraten, die mit einem großen Kachelofen beheizt wurde, verschlug es uns die Sprache als wir uns die Gäste genauer ansahen. Saß doch da seelenruhig an einem der Tische der Bettler aus dem Kloster! Vor sich hatte er ein riesiges gefülltes Schnapsglas und ein Teeglas stehen (sicher hatte er sich den Schnaps von Haikos Mark gekauft) und er sah so aus, als würde er schon eine ganze Zeit gemütlich hier zugebracht haben. Haiko war sehr empört (ich auch) mit welcher Ruhe und Gelassenheit dieser Mensch, ohne einen Anflug von Scham, in der Gaststätte sitzt und das Geld, dass ihm die Leute für seine Kinder gegeben hatten in Schnaps umsetzen konnte. Und außerdem wie konnte es sein, dass der Bettler schon vor uns in der Gaststätte sein konnte. Wir sind doch vor ihm und auf kürzesten Weg hierher gefahren, oder wie. ?

Adrian konnte sich bei unserer Aufregung kaum noch halten vor Lachen und er meinte, wir sollen uns nicht so aufregen und kein Drama aus der Geschichte machen.

Der Abend wurde lang und der Wein war wirklich gut. wir tranken noch eine zweite Flasche und spielten ausgiebig Billard. Bis spät in die Nacht turnte ein kleines Mädchen mit zwischen den Gästen herum. Ich gab ihr einen Luftballon, der den ganzen Abend in der Gaststätte herumflog. Zum Schluss platzte er und es gab Tränen. Ich musste ganz fest versprechen, am Morgen noch mal einen Luftballon in der Gaststätte vorbei zu bringen.

 

Donnerstag, 19.09.1996

Nach diesem langen Abend und dem schweren Wein fiel mir das Aufstehen an diesem Morgen nicht leicht. Als ich mir die Umgebung unseres Schlafplatzes ansah, war die Müdigkeit wie weggeblasen, so schön war die Wiese im Morgennebel. Ein Stück von unserem Auto entfernt, waren ein alter Mann und ein Kind damit beschäftigt Nüsse zu sammeln.

Wir hatten Adrian und Mirella zum gemeinsamen Frühstück am Auto eingeladen. Sie erschienen auch ganz pünktlich. Für die beiden waren die Sachen aus unserer Proviantkiste etwas besonderes, so wie es uns früher mit Ananaskonserven aus dem Westen ging. Wir frühstückten Brot, Wurst, Marmelade und sogar eine Sauerkrautkonserve fand einen dankbaren Abnehmer.

Haiko blieb bei seinen Haferflocken. Kalt wollte er sie aber nicht essen, deshalb erfand er einen Kocher. Die Milch wurde in einer Konservenbüchse (leere Sauerkrautbüchse) mit einem Feuer aus Benzin und Öl gekocht, damit die unvermeidliche Haferflockensuppe etwas magenfreundlicher wird. Mirella und ich hatten noch Appetit auf eine Tasse Kaffe, die wir uns im Motel bestellten.

Dort war es jetzt ganz kalt, denn wir waren die ersten Gäste und der Ofen war noch nicht geheizt. Es war hundekalt und der Kaffee wärmte auch nicht. Ich gab der Kellnerin eine Handvoll Luftballons für das kleine Mädchen und wir verabschiedeten uns.

Auf ging es durch das schöne Siebenbürgen nach Michelsberg.

Ich war aufgeregt und freute mich auf das mir schon etwas vertraute Dorf, denn dort hatte ich als Studentin schon einmal einen schönen Urlaub bei Freunden verlebt. Mich fasziniert immer wieder mitten in Rumänien auf Deutsche zu treffen, die trotz so vieler Schwierigkeiten, gerade in den letzten 50 Jahren ihre Kultur, Bräuche und Sprache erhalten konnten. Ein mutiges kleines Völkchen, dass leider immer kleiner wird, weil die meisten Sachsen auf Grund der Repressalien, die sie ausstehen mussten, nichts mehr in der Heimat hält und fast alle ausgewandert sind.

Um so größer war meine Freude darüber, dass viele neue Häuser entstanden waren, die vielleicht davon zeugen, dass vielleicht dieser oder jener Siebenbürge mit in Deutschland verdientem Geld in die Heimat zurück gekehrt ist.

Wir durchfuhren Helthau (Cisnadie) und später Michelsberg (Cisnadioara), ein Dorf voller Erinnerungen für mich an einen schönen Sommer. Der alte Brunnen, die Bar, der Dorfladen, die Kirche und das liebevoll eingerichtete Dorfmuseum ließen mich an den Urlaub denken, den ich damals mit meiner Freundin Birne erlebte.

Wir trafen Hans Schmidt aus Helthau, der am Dorfrand ein hübsches Hotel aufbaut, die Museumsführerin und noch einige andere freundliche Leute. Ich fragte nach Familie Teil, meinen damaligen Gastgebern und erfuhr, dass die Familie schon vor einigen Jahren nach Deutschland ausgereist war. Schade, ich hätte sie gern wieder gesehen.

Dann begaben wir uns zu einen ganz romantischen Stück Erde. Außerhalb von Michelsberg befindet sich ein wunderschöner Rastplatz, über dem ein riesiger Felsen ragt. Daneben plätschert ein kleiner Bach, der aus dem Gebirge kommt und ein kleines künstlich angelegtes Bad speist. Ich hatte dort oft mit Freunden aus dem Dorf am Lagerfeuer gesessen. Als ich allerdings die Stelle sah, war ich sehr enttäuscht und musste feststellen, dass der wunderschöne Fleck kein Geheimtipp für Naturliebhaber mehr war. Er zeugte eher von Massentourismus und sah aus wie eine Müllhalde. Schade!!!!

Die Landschaft rings herum war trotzdem sehr schön. Weite Wiesen, dunkle Wälder und sanfte Bergketten boten einen sehr schönen Anblick. Ich habe mir von dieser Stelle einen schönen Stein aufgehoben und der liegt jetzt bei mir im Büro. Wenn ich ihn sehe, denke ich an meine schöne Reise nach Siebenbürgen.

In Herrmannstadt machten wir einen Stadtbummel.

Haiko konnte sich an einen ganz bestimmten Porzellanladen erinnern, in dem er eine Porzellanfigur mit zwei "Alkoholisten" gesehen hatte. Diese wollte er unbedingt kaufen. Wir versuchten diesen Laden zu finden, aber leider vergebens. Dafür bummelten wir durch sehr schöne andere Geschäfte, z.B. einen Buchladen in dem deutsche Bücher leider nur noch eine kleine Ecke einnahmen. Haiko und ich erstanden eine sehr schöne Landkarte von Rumänien, in die alle Gebirge eingezeichnet waren. Außerdem erstand ich in einen Folkloreladen zwei Tonschalen und Gürtel. Haiko wurde in einem anderen Laden schwach und erstand einen Wandteppich für seine Dachwohnung, auf dem eine Szene aus " Die Entführung aus dem Serail " zu sehen war.

Nach diesem erfolgreichen Einkaufsbummel beschlossen wir getrennte Wege zu gehen. Haiko fuhr mit Adrian per Taxi zum deutschen Konsulat. Leider hatte aber der Taxifahrer den Weg zum Konsulat vergessen, so dass er einige Umwege fahren musste und die sollten dann natürlich auch bezahlt werden.

Anliegen dieser Fahrt war, den Grund zu erfragen, weshalb Adrians Antrag auf ein Besuchervisum nach Deutschland im Vorjahr abgelehnt worden war. Die beiden wurden allerdings gleich am Zaun abgefertigt und erhielten keine befriedigende Antwort.

Mirella und ich bummelten während dieser Zeit durch die Stadt und Mirella musste sich jeden Modeladen ansehen. Ich wollte lieber etwas von der Stadt sehen. Schließlich trafen wir uns alle wieder am Lada. Als wir die Stadt verlassen wollten, kamen wir an einem großen Markt vorbei. Wir hielten an und stürzten uns in das bunte Gewimmel. Es war ein sehr lebendiger Markt und wir bestaunten die vielen Stände an denen Gemüse der Jahreszeit, Speck, Käse, Nüsse und Blumen in Hülle und Fülle angeboten wurden. Wir kauften nach heftigem aber fast erfolglosem Feilschen ein großes Bündel Holzlöffel, je einen Batzen Speck und Käse und genossen das Flair dieses Marktes.

Unsere weitere Fahrt führte uns ostwärts entlang des Fagaraschgebirges. Wir sahen in der Ferne herrliche Berge, deren Gipfel mit Schnee bedeckt waren.

Dieses Rumänien - so ein schönes Land!!! Wir waren immer wieder begeistert und freuten uns über diese wieder ganz andere Schönheit.

Ich hatte die Straße, die direkt über das Fagaraschgebirge führt und die ich als Kind mit meinen Eltern befahren hatte in wunderbarer Erinnerung. Ich erinnerte mich an steile Serpentinen und bizarre Felslandschaften. Deshalb machte ich den Vorschlag, diese Straße, die Transfagarasch heißt zur Weiterfahrt zu nutzen. Ich wusste aber nicht genau, welche der auf der Karte eingezeichneten Strecken, die von mir gewünschte war. Keine der über das Fagaraschgebirge führende Straße war als Transfagarasch bezeichnet.

Da es in Rumänien ja nicht an Polizisten mangelt und diese nicht nur dazu da sind, Bescheid zu sagen, dass mein die Scheinwerfer einschalten soll, fragten wir sie nach dem Weg. Nach einer freundlichen Antwort fanden die gesuchte Strecke auch problemlos. Nach kurzem Anlauf ging es steil bergauf . Es wurde immer kälter und auch steiler.

Gudrun und Haiko im Fagaraschgebirge

Nach einigen Kilometern an einem Wasserfall war unsere Gebirgsüberquerung aber schon zu Ende. Die Straße war wegen Schneeverwehungen gesperrt. Wir mussten anhalten und besahen uns die herrlichen Berge, den Wasserfall und den Sessellift, der leider nicht in Betrieb war. Wir nutzten die Gelegenheit um ein Picknick abzuhalten, aber es war wegen der Kälte nicht gemütlich. Außerdem waren wir sofort von zahlreichen Hunden umringt, die mit lechzendem Blick jeden unserer Bisse verfolgten. Wir beschlossen trotz Verbot noch ein Stück höher in die Berge zu fahren. Die Straße wurde noch steiler und es lag immer mehr Schnee. Irgendwann traute sich Haiko dann doch nicht mehr weiter zu fahren. Wir machten einen kurzen Spaziergang und beschossen uns mit Schneebällen. Wieder im Tal wurde es höchste Zeit ein Nachtlager zu suchen, denn es war schon fast dunkel.

Wie immer fand Haiko einen idealen Rastplatz. Er lag an einem Gebirgsbach.

Für Adrian und Mirella bauten wir das Zelt auf, richteten den Campinglada ein und sammelten Holz für ein Feuer. Das brannte leider nur sehr zögerlich, aber irgendwann hatten wir doch ein schönes wärmendes Feuerchen. So saßen wir auch an diesem Abend wieder zusammen und sprachen über Gott und die Welt. Nach einiger Zeit begann es zu regnen und wir gingen Schlafen, in diesem herrlichen Tal, umgeben vom Fagaraschgebirge. Der Bach murmelte für uns eine kleine Einschlafmelodie.

 

Freitag, 20.09.96

Sehr verlockend sah das Wetter an diesem Tag wieder nicht aus. Es war auch 9 Uhr noch dämmrig und nieselte. Es fiel uns schwer das warme und gemütliche Schlafauto zu verlassen. Als wir uns im eiskalten Bach gewaschen hatten, sah die Welt aber anders aus. Nach dem Frühstück und sorgfältigen Zeltabbau fuhren wir wieder los.

Auf dem Programm stand an diesem Tag die Besichtigung des Schlosses Sinaia. An diesem Tag durchfuhren wir eine ganz neue rumänische Landschaft. Unser Weg führte uns entlang der Bergketten des Fagaraschgebirges und Haiko und ich konnten uns an den wunderschönen schneebedeckten Bergen nicht satt sehen.

Adrian meinte, dass es eine ausgesprochene Kartoffelgegend sei, die wir durchfuhren. Wir bemerkten auch entlang der Straße Kartoffelfelder, auf denen die Leute trotz Regen und Schlamm beim Ernten der begehrten Knollen waren. Adrian bat Haiko mehrere Male anzuhalten, damit er mit den Bauern über Kartoffelpreise sprechen konnte. Er hatte wohl vor in dieser Gegend billigere Kartoffeln zu kaufen, um sie in Craiova teuerer zu verkaufen. Ob es zu diesem Geschäft gekommen ist, weiß ich allerdings nicht. Gegen Mittag sahen wir viele Kartoffelfeuer auflodern um die sich die Bauern zum Wärmen und Kartoffelrösten versammelten.

Die Fahrt ging ostwärts und wir benötigten den ganzen Vormittag. In der Mittagspause ließen Mirella, Adrian und ich uns in einem kleinen Freiluftrestaurant nieder. Es war zwar sehr kalt aber es gab heißen Kaffe, der gut wärmte. Haiko zog sich wieder mit seiner Schaumgummimatratze zu einem Schläfchen zurück. Wir anderen waren so ins Gespräch vertieft, dass wir vergaßen ihn zu wecken und er dann ganz vorwurfsvoll erschien und sich über diese lange Pause beschwerte. Schließlich kamen wir in Sinaia an und waren von dem schönen Park und dem prachtvoll ausgestatteten Schloss überrascht.

Leider bekamen wir von der Führung nicht so viel mit, denn unser Freund Adrian war wie immer ein wortkarger Übersetzer. Nach dem Verlassen des Museums kam es zu einem für mich unangenehmen Zwischenfall. Ich musste dringend auf Toilette und hatte am Eingang des Schlossparks ein ordentliches Toilettenhäuschen gesichtet. Haiko brauchte im Anschluss an die Besichtigung viel Zeit um Ansichtskarten zu kaufen. Deshalb machte ich mich auf den Weg zum stillen Örtchen. Leider war die öffentliche Toilette geschlossen, so dass ich mir die Umgebung etwas genauer ansehen musste, damit ich vielleicht eine Ausweichmöglichkeit finde. Auf einmal, (patsch !!!!!!! ), rutschte ich auf dem schlammigen Boden aus und fiel in den Morast. Das Ergebnis war, dass meine Hosen von oben bis unten schlammverschmiert waren.

Adrian im Schloßpark

Ich war richtig verzweifelt, dass ich nun so schmutzig die 2 Kilometer bis zum Auto zurück laufen musste. Glücklicherweise entdeckte Adrian in einer Gaststätte eine andere Toilette, so dass ich dort nicht nur mein Geschäft erledigen, sondern auch noch den gröbsten Dreck von meiner Hose entfernen konnte. Adrian hatte wichtige Bankgeschäfte zu Hause zu erledigen und wollte deshalb mit Mirella auf den Bahnhof in Brasov gebracht werden um von dort aus die Heimreise anzutreten.

Brasovs Bahnhof entsprach für mich genau dem Klischee, das man von einem rumänischen Bahnhof hat. Er war voller Menschen und jede Menge Zigeuner lagerten bettelnd in der Bahnhofshalle und auf dem Bahnhofsvorplatz. Besonders erschreckten mich die sehr armselig angezogenen Kinder, die sehr verwahrlost wirkten und auf dem Bahnhof nach Geld und Essen bettelten. Haiko und Adrian gingen sich nach der Abfahrt des nächsten Zuges Richtung Craiova erkundigen und ich nutzte die Zeit, meine schmutzigen Hosen gegen saubere zu wechseln.

Als die Männer nach einer kurzen Zeit wieder zum Auto kamen, erzählte mir Haiko ganz begeistert, dass auf einem Bahnsteig einige Kinder mit Singen Geld erbetteln würden und das musste ich mir unbedingt ansehen und anhören. Sofort plünderten wir unseren Geschenke - Karton und sammelten viele Süßigkeiten und Luftballons in eine große Plastiktüte. Auf dem Bahnsteig sah ich dann die Kinder. Die ältesten waren ca. 14 Jahre alt und die Jüngsten nicht älter als 4. Sie sangen aus Leibeskräften und als sie merkten, dass wir uns für sie interessierten, sangen sie noch ein bisschen lauter.

Als wir unseren Beutel öffneten und die ersten Schokoladenfiguren zum Vorschein kamen, waren wir sofort umringt. Ich bemühte mich, den Kleinsten die größten Stücke zu geben, aber das gelang schlecht. Ich demonstrierte noch wie man einen Luftballon aufbläst und sofort taten es alle Kinder nach und einen Augenblick später flogen durch die graue Bahnhofshalle viele Luftballons, wie bunte Tupfen. Die Leute, die zu ihren Zügen eilten, sahen nach oben und freuten sich.

Adrian stellte sich unterdessen geduldig in eine lange Schlange am Fahrkartenschalter an.

Es ging ziemlich schnell vorwärts. Neugierig, wie ich bin, stellte ich mich an das Glasfenster des Schalters und sah der Fahrkartenverkäuferin zu. Es war enorm, wie schnell die Frau arbeitete. Jeder der Käufer hatte irgend einen Ausweis oder eine Bescheinigung zum Vorlegen. Meistens waren diese Schriftstücke recht zerfleddert und ich hätte nichts darauf erkannt. Außerdem hatte sie auch noch von jedem Fahrgast ein großes Geldbündel zu zählen. Sie tat das so schnell, dass ich es mit den Augen kaum verfolgen konnte und sie hatte von den vielen Scheinen schon kohlrabenschwarze Fingerkuppen.

Als Adrian an die Reihe kam, kaufte er 2 Fahrkarten bis Craiova und bezahlte für diese Strecke insgesamt 14 DM. Das klingt für uns zwar wenig, aber wenn man bedenkt, dass Mirella als Krankenschwester nur 70 DM im Monat verdient, ist das doch schon viel Geld.

Nun mussten wir uns verabschieden und waren doch schon ein bisschen wehmütig. Adrian und Mirella versprachen uns natürlich, dass sie uns Briefe schreiben und wir wussten, dass sie das natürlich nicht tun würden. Wir wünschten uns alles Gute, umarmten uns und versprachen uns ein baldiges, gesundes Wiedersehen.

Ein bisschen so trüb, wie das Wetter war, jetzt auch Haikos und meine Stimmung. Wir fuhren Richtung Norden und jeder hing so seinen Gedanken nach. Ich dachte an die Kinder und Thomas und hoffte, dass es Ihnen gut geht.

Wir hofften auf besseres Wetter, damit wir unser Nachtlager aufschlagen konnten, aber der Regen wurde immer heftiger. Kurz vor dem Kurort Tusnad schlugen wir dann unser Nachtlager auf. Der Platz war dieses mal ein Parkplatz an der Hauptstraße, denn wir konnten nicht auf einen unbefestigten Feldweg fahren, da wir dort vielleicht im Schlamm versinken würden. Wir schliefen die ganze Nacht, wie auf einem Präsentierteller und hörten ständig Fuhrwerke und Dacias an uns vorbei rattern. Mir taten die Leute auf den Pferdefuhrwerken leid, die bei diesem Regen auf dem Kutschbock saßen. Die meisten hatten sich Plastikplanen umgehängt.

Obwohl wir so gut sichtbar waren, hatten wir keine Angst überfallen zu werden. Wir waren es gewöhnt, dass man dem Lada mit der deutschen Nummer zwar neugierig betrachtet, aber am Ende begegneten wir nur netten und aufgeschlossenen Leuten.

 

Samstag, 21.09.96

Am Morgen regnete es noch stärker als am Abend zuvor. Die Katzenwäsche, die wir mit schlammverklebten Gummistiefeln abhielten, fiel extrem kurz aus und auch das Frühstücksprogramm wurde nur auf das notwendigste beschränkt, dh. es gab für Haiko wieder kalte Haferflockensuppe.

Leider regnete es den ganzen Tag weiter , aber wir fanden auch die Landschaft bei Regen schön.

Unser nächstes Ziel sollte die Stadt Suceava sein, die von den berühmten mit Außenfresken bemalten Klöstern umgeben ist. Zuerst durchquerten wir weiter die Karpaten, und bewunderten die idyllischen Dörfer und die geschäftigen Menschen, denen wir begegneten.

In meinem Reiseführer war der Luftkurort LACU ROSU (980m über dem Meeresspiegel) und der Bicaz Klamm als besonders sehenswert empfohlen. Lacu Rosu liegt in den Giureu Bergen, am Ende der Bicaz - Schlucht. In dem Ort gibt es einen See, der Rosu - See heißt und entstand, als im Jahr 1837 durch einen Erdrutsch ein ganzer Wald in den See stürzte. Noch heute ragen die Stümpfe der abgestürzten Bäume aus dem Wasser. Da das Wetter trüb und regnerisch war, war es eine sehr passende Stimmung für diesen gespenstischen Anblick des Sees. Die Berge, die den See umgeben werden im Winter von den Einheimischen als zum Wintersport genutzt.

Unsere Fahrt führte uns weiter durch bizarre Felsenschluchten, die sich tief in die Kalkfelsen einschnitten und schroffe, einige hundert Meter hohe Felswände aufweisen. Auf engen Straßen, zu denen kaum ein Lichtstrahl dringt, schlängelten wir uns durch das Gebirge. Mir gefiel dieser Anblick sehr, aber Haiko wäre am liebsten so eine Felswand hochgeklettert. Er hielt sich aber zum Glück zurück und so konnten wir den Bicaz Klamm bei gemütlicher Fahrt betrachten.

An der Stelle, an der die Felsen am engsten zusammenstanden, hatten einige Händler Verkaufsstände mit folkloristischen Waren aufgebaut. Das Angebot reichte von Schaffellen über geschnitzte Figuren und Holzlöffel. Uns taten die Händler zwar leid, aber obwohl wir wohl an diesem Tag die einzigen vorbeireisenden Touristen waren, fuhren wir an den Ständen vorbei. Es muss ganz schön viel Mühe gemacht haben, die ganzen Waren bis zu dieser Stelle zu transportieren und es war sicher auch trostlos vergeblich auf Kunden zu warten.

In der Stadt Bicaz imponierte uns eine große Staumauer, die sich plötzlich 120 m hoch vor uns aufbaute und die den Fluss Bistica, der einst als wichtige Floßstraße in der Moldau diente,, zu dem riesigen und wunderschönen Bicazstausee aufstaute. Der See ist 35 km lang. Wir fuhren direkt am Stausee entlang und wollten einen schönen Rastplatz suchen. Wir genossen jeden Ausblick und egal wo wir standen und auf den See blickten, der See wirkte von jeder Seite anders. Die Herbstfärbung der Bäume machte den Anblick noch einmaliger.

Leider fanden wir keinen Zugang zum See, der total zugebaut war und es gab keine Möglichkeit für die Mittagspause ein ruhiges Plätzchen am See zu suchen. Schließlich hatte es Haiko satt mit der Sucherei und wir fuhren auf einen Parkplatz, der eine hübsche Sitzgelegenheit hatte. Abgesehen davon, dass dort, wie, wohl auf allen Parkplätzen dieser Welt, schon einige Leute vor uns waren und sich nicht gemäß der deutschen Vorstellungen von Ordnung verhalten hatten, war es ein schöner Ort. Rings um uns wuchsen hunderte Pilze, alle von der gleichen Sorte, die wohl auch, wie wir später lernten, genießbar waren.

Nach dem Picknick wurde Haiko wieder von seiner "Zweiuhrschläfrigkeit" übermannt und er legte sich in den Straßengraben neben das Auto und ruhte / schlief / meditierte (oder was auch immer) ohne sich von den vorbeifahrenden Autos und Lastwagen stören zu lassen. Es war wirklich ein dramatischer Anblick, wenn er so dalag in den Schlafsack gehüllt im aufgesetzter Kapuze. Dass nicht nur ich so dachte, zeigte sich nach einer Weile, als ein großer LKW anhielt und der Fahrer nachsah, ob er dem man im Straßengraben vielleicht helfen muss. Haiko, aus dem Schlaf geschreckt gestikulierte mit Händen und Füßen, dass alles in Ordnung sei. Ich, hatte die Szene aus der Ferne beobachtet und fand das sehr witzig, nur nicht Haiko . Er beschwerte sich sogar bei mir über den LKW – Fahrer, weil der ihn geweckt hatte.

Haiko im rumänischen Straßengraben am Bicazstausee

Ich ließ Haiko noch etwas Schlafen und nutzte die Zeit und sah mich in der Gegend um. Überall schön gefärbter Wald, Wasser und Schlamm. Auf einem Holzlagerplatz fand ich einen ganz flachen Stein und nahm ihn mit. Heute dient er als Untersetzer für alle Gelegenheiten.

Unsere Fahrt führte uns weiter nach Suceava, eine so richtig moderne Betonstadt a la Sozialismus mit Läden, Wohnungen und nicht funktionierenden Springbrunnen sowie seltsamen Kunstwerken auf den Boulevards. In den Reiseführern fand ich aber heraus, dass Suceva zu allen Zeiten eine wichtige Stadt für Moldawien war. Stefan der Große, der bekannte und noch bis heute von den Rumänen sehr verehrte Fürst hatte von dieser Stadt aus ein Verteidigungssystem für das ganze Land geschaffen. Die Festung Cetata de Scaun, eine moldaische Fürstenfestung erhebt sich im Osten der Stadt auf einer Anhöhe wurde 1388 das erste Mal urkundlich erwähnt. Wir sahen sie nur aus der Ferne.

Haiko parkte das Auto und ich machte mich so gut es ging stadtfein, als ein zerbeulter BMW dicht an uns heran fuhr und ein junger Mann aus dem Autofenster zu mir schrie " Bist du deutsch?". Ich lächelte freundlich, obwohl der Mann mir gar nicht gefiel und sagte "ja", darauf schrie er "Komm mal her" .Ich lächelte nicht mehr und sagte "Nee". Darauf hin schrie der freche Kerl: "Du bist deutsch und mit so einem Auto???? SCHEIßE !!!!" Dabei fuhr er mit seiner klapprigen BMW- Mühle von dannen. Haiko war wirklich tief getroffen , zumal uns vorher schon ein Polizist belehrt hatte, dass Deutsche ja eigentlich mit Mercedes fahren und nicht mit Lada. Jedenfalls lies Haiko nach diesem Erlebnis bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit rumänische Männer , egal wo wir sie trafen , in den Motorraum des Ladas sehen und alle waren begeistert von dem schönen ,sauberen, gepflegten und funktionstüchtigen Innenleben des so geschmähten Autos.

Wir bummelten durch die Stadt und wollten uns, weil wir nichts anderes fanden was sehenswert war, den Bahnhof ansehen, aber wie das so bei modernen Städten ist, entpuppte sich der Bahnhof als Gemüsemarkt. Leider war der schon in Auflösung begriffen. Wir durch stromerten trotzdem alle Stände und konnten das auch in Ruhe machen, denn die Marktleute waren nicht mehr so mit Verkaufen beschäftigt, sondern standen beieinander und unterhielten sich. Sie werteten wohl die Tagesgeschäfte aus. Unter freiem Himmel lagen mehrere große Haufen von Melonen, die sicher schon seit Wochen dort lagen und noch keine Käufer gefunden hatten.

An historischen Gebäuden fanden wir nur eine abseits gelegene Kirche, in der zum gerade eine Trauung stattfand. Wir stellten uns eine Weile dazu und bestaunten die Braut und die Musikanten, die vor der Kirche spielten.

Dann war es schon Abend geworden und wir verließen Suceava in Richtung Westen. Wieder fuhren wir durch Wälder, wieder fand Haiko einen tollen Schlafplatz und wieder schlief ich nach einen so spannenden Tag tief, fest und zufrieden ein.

 

Sonntag,22. 9.1996

An diesem Morgen, einem Sonntag, wurde ich vom Muhen von Kühen geweckt. Ich blinzelte verschlafen aus der Autoscheibe und sah eine Kuhherde an unserem Auto vorbeiziehen. Einige der stattlichen Tiere hatten große Glocken um den Hals und ein Hirtenjunge ritt barfuß auf einem Schimmel und trieb die Kühe in den Wald. Das Wetter war trübe und so wirkte diese Szene wie im Märchen. Kaum war die Kuhherde vorbei, verließ ich mein warmes "Bett" und schaute mich um. Dieser Haiko Kühne, wie findet er selbst im Dunkeln noch solche herrlichen Schlafplätze.

Unser Auto stand diesmal ca. 50 m von der Straße entfernt, mitten in einem hohen Eichenwald. Links neben uns führte ein Weg in die angrenzende Kiefernschonung. An einem durch den Wald plätschernden Bach gab es einen idealen Waschplatz, der durch einen Erdwall von der Straße nicht einzusehen war. Eine richtige große Körperwäsche hatte ich sehr nötig, denn irgendwo musste ich mir Flöhe geholt haben, die mich ständig bissen.

Ich stellte mich mitten in den Graben und das klare Wasser, war so eiskalt, dass es mir den Atem verschlug. Auf einmal hörte ich Haiko lauthals diskutieren. Nun war ich neugierig und auch ein bisschen ängstlich und beeilte mich Haiko "zur Hilfe" zu eilen.

Aber ich konnte beruhigt sein. Haiko, nein ein Mann, sprach lauthals auf Haiko ein und die beiden hatten große Verständnisprobleme. Um so weniger der Hirte verstand, um so lauter diskutierte er und auch meine rumänischen Sprachkenntnisse reichten nicht für das, was er uns sagen wollte.

Haiko holte noch ein paar Schätze aus der Geschenke- Kiste und gab sie dem Mann für seine Frau, seine Kinder und Neffen. Der gute Mann strahlte übers ganze Gesicht und freute sich. Als Dank umarmte er Haiko mehrmals kräftig, bedachte mich mit Handküssen und trieb, nachdem er uns seine Adresse gegeben und dringend zum Besuch eingeladen hatte, seine Kühe in den Wald.

Auch wir packten unsere Sachen zusammen, und fuhren Richtung Osten. Auf dem Programm standen an diesem Tag die Klöster von Moldawien. In der Stadt Humorului bogen wir nach Norden ab, da das Kloster Humorului etwa 10 km von der Stadt entfernt liegt. Wir kamen an einer Kirche vorbei, in der gerade ein orthodoxer Gottesdienst gefeiert wurde und wir konnten nicht anders und hielten an. Die Kirche war sehr voll und es wurden Kirchenmusik von einem Tonband abgespielt. Haiko fühlte sich nicht wohl dort und drängelte zur Weiterfahrt.

Als wir in Manestirea Humorului ankamen, sahen wir Leute in herrlichen Trachten, die alle in die gleiche Richtung liefen. Zuletzt kam eine Frau, die aus sah, als wäre sie einem russischen Märchenfilm entsprungen. Sie hatte ein buntes Kopftuch auf und eine wunderbare bestickte weiße Pelzweste an. Darunter trug sie eine weiße Leinenbluse. Ein schwarzer Rock mit bunter Schürze und schwarze Schuhe komplettierten die Märchenfrau.

Haiko war genau so wie ich begeistert und als wir in das liebe lächelnde Gesicht der jungen Frau blickten, fragte mich Haiko, was denn "Du bist eine schöne Frau" auf rumänisch hieße. Ich empfahl es mit "Tu Frumos Domna" zu versuchen und genau das sagte Haiko. Die Frau freute sich über das Kompliment.

Als wir das Auto vor dem Kloster parkten, winkte uns die Frau zu, daß ihr folgen sollten. Wir kamen zu einer orthodoxen Kirche, wahrscheinlich der Dorfkirche, die dicht neben dem Kloster gebaut war. Als wir eintraten, waren wir erstaunt. Auch diese Kirche war voll und aber hier trugen fast alle Besucher Trachten. Die Männer trugen unter ihren Westen gestrickte Pullover oder lange Hemden mit gestickten Gürteln. Dazu hatten sie weiße Leinenhosen an. Die schwarzen Hüte lagen ordentlich auf dem Kirchenfensterbrett gestapelt.

Unsere neue Bekannte gehörte zum Kirchenchor, der in einem Seitenchor Aufstellung genommen hatte.

Die Männer, die dem Gottesdienst beiwohnen wollten, hatten an der rechten Seite der Kirche Aufstellung genommen und die Frauen standen links. In der Mitte blieb ein breiter Gang. Die Kirche füllte sich immer mehr und schließlich begann der Pope seinen Gottesdienst . Er hatte einen prächtigen gestickten Mantel an und sang mit tiefer wohlklingenden Stimme seinen Gottesdienst. Dann sang der Chor und ich bekam vor Rührung Gänsehaut. Es war so schön! Voller Inbrunst sangen die Chormitglieder und es lag eine feierliche friedliche Atmosphäre in der Kirche, wie ich sie bisher noch nicht erlebt hatte.

Der Gottesdienst ging mehrere Stunden, aber weder Haiko noch ich hatten das Bedürfnis vorzeitig zu gehen. So erlebten wir zwei Kindstaufen, Haiko wurde in den Gottesdienst einbezogen in dem er sich mit einer großen Kerze vor ein Heiligenbild knien durfte. Wir wurden vom Popen gesegnet, in dem er uns mit einem heiligen Kelch berührte. Als der Gottesdienst beendet war, lud uns die hübsche junge Frau, die Elena hieß, zu sich nach Hause ein.

Zuerst wollte sie uns aber etwas zeigen. Sie führte uns in ein für die Gegend typisches Haus mit einem Holztor. Dort wurden uns von einer Frau Teppiche Decken und bemalte Holzeier vorgeführt bzw. angeboten. Haiko konnte nicht widerstehen und kauft einen Wandteppich. Dann fuhren wir zu Elena nach Hause. Wir waren sofort begeistert von der Gemütlichkeit, Sauberkeit und unkomplizierten Art mit der wir aufgenommen wurden. Elena hatte ja keinen Besuch erwartet und trotzdem war das Haus aufgeräumt und sehr sauber. Das Haus besteht aus 3 Zimmern, die praktisch unbewohnt und voller wunderbarer Ausstellungsstücke sind. An den Wänden hängen selbstgewebte Wandteppiche. In jedem Zimmer gibt es ein Bett mit je 3 meterhohen Stapeln Kopfkissen. In Glasvitrinen werden Kostbarkeiten aufbewahrt werden und wunderschönen Kachelöfen befanden sich in den Zimmerecken. In einem Zimmer, das besonders luftig und hell war, wuchs entlang der Decke aus mehreren Blumentöpfen Efeu.

Das efeuberankte Zimmer

Außerdem gibt es in einen Art Anbau eine kleine Küche, die als einziger Raum von der Familie genutzt wird. Darin befindet sich ein breites Bett, ein Sofa, Tisch, Stühle, Aufwaschtisch, Büffet und ein großer Ofen, der auch gleichzeitig als Herd dient.

Auch hier waren die Wände mit wunderschönen Wandteppichen behangen . Die Küche dient als Wohnzimmer, Schlafzimmer und Kinderzimmer. Außerdem gibt es noch ein Bad, ausgestattet mit Badewanne, und Waschbecken. Das warme Wasser wird mit einem klapprigen Badeofen zubereitet. In Vorfreude auf ein schönes Klo, fragte ich nach einer Toilette, worauf Elena bedauernd mitteilte, dass es keine Toilette gibt, aber im nächsten Jahr eine gebaut wird. Nach einigen Entschuldigungen, bracht sie mir dann vorsichtig bei, dass es üblich ist, den Pferdestall als Toilette zu nutzen.

Kaum waren wir angekommen und hatten mit Begeisterung das Haus besichtigt, stürzte Elena los und machte uns Essen. Sie hatte für ihre Familie schon Essen vorbereitet und zwar eine Hühnersülze. Dazu kochte sie Maisbrei und wir aßen voller Genus, die leckeren Sachen, alles naturell, wie uns Elena immer wieder versicherte.

Während wir aßen, lernten wir Romika kennen, einen 13 jährigen Jungen ohne Schuhe und zerrissenen Sachen. Wir fragten, wer er ist und Elena erzählte uns, dass der Junge für sie arbeitet. Er hätte zu Hause noch 12 Geschwister und der Vater ist tot, so dass der Junge für den Familienunterhalt beitragen muss. Er bekommt von Elenas Familie 30 Mark im Monat und muss dafür der Familie beim Viehhüten, Melken usw. helfen.

Nach dem Essen besahen wir uns den Hof, die Ställe und den Garten. Alles war sauber und liebevoll hergerichtet.

Als hätte Elena unseren Wunsch erahnt, fragte sie uns ob wir nicht eine Nacht in ihrem Haus verbringen wollten. Wir zierten uns nicht und stimmten mit Begeisterung zu. Wir bekamen das schönste Zimmer, nämlich das efeuberankte, als Nachtquartier zugewiesen und freuten uns über die frischen, bequemen und sauber bezogenen Betten.

Die Quartierfrage war geklärt und nun schlug uns Elena vor, den Familienvater zu besuchen. Unterdessen war noch die jüngste Tochter vom Pilze suchen mit einem riesigen Korb giftig aussehender Pilze nach Hause gekommen. Die kleine, 12 Jahre alt, ist ein sehr süßes selbstbewusstes und nettes Mädchen.

Wir fuhren also mit dem Lada außerhalb des Dorfes auf unbefestigten sehr unebenen Straßen. Ich saß mit Viorica auf der ausgeräumten Hinterbank und wurde mächtig durchgeschüttelt. Nachdem Haiko schon Angst um sein Auto hatte, erklärte uns Elena, dass wir am Ziel wären. Wir blickten uns um und dachten, dass wir mitten im Paradies sind. Wir sahen rings umher Berge und saftigen Wiesen auf denen einzelne Baumgruppen standen. Um zu Dumitriu zu gelangen, mussten wir einen Berg auf einem Trampelpfad ersteigen. Oben angelangt erblickten wir Stall und eine einfache Unterkunft, in der in der Regel Romika haust. Auf der umzäunten Wiese standen wohlgenährte Kühe, die in der Woche von Romika, dem Hirtenjungen und am Wochenende von Dumitru betreut und gemolken werden. Wir machten uns mit dem Familienvater bekannt und er zeigte uns stolz sein Reich.

Familie Macovei mit Haiko

Elena wollte zum Abschied noch ein bisschen Sahne mit nach Hause nehmen, so dass Dumitru zum " Kühlschrank" ging. Das wollten wir uns nicht entgehen lassen, denn wir konnten uns nicht vorstellen, wo mitten in der Natur ein Kühlschrank stehen sollte. Wir staunten nicht schlecht, als Dumitru zu einem Bach ging und dort aus dem sprudelnden Wasser einen große Milchkanne hervorzog. Mit einem kleinen Töpfchen wurde die Sahne abgeschöpft und nach sorgfältigem Verschließen die Milchkanne wieder in den wilden Gebirgsbach zurück gestellt. Eine herrliche und total "naturelle" Methode, die Milch aufzubewahren.

Nachdem wir uns von dem sehr ruhigen Dumitru verabschiedet hatten, fuhren wir wieder in das Haus , dessen Hausherrin Aurica Haiko am Mittag den Teppich verkauft hatte. Es stellte sich heraus, dass Aurica die Schwiegermutter Elenas ältester Tochter Stelluca ist.

Wir wurden von Stelluca herzlich willkommen geheißen, obwohl wir sicherlich den Sonntagsfrieden störten. Stelluca hatte nämlich vor 3 Wochen einen kleinen Alexander bekommen und nun lagen Vater, Mutter und Baby glücklich und zufrieden auf dem Bett (Die Sonntagsruhe ist heilig) und sahen fern.

Da es in dem Zimmer kaum Stühle gab, wurden für uns welche herbeigeschafft und es gab Schnaps für alle.

Haiko begann eine langwierige Verhandlung mit Aurica, weil er sich entschlossen hatte, eine dieser wunderschönen Pelzwesten anfertigen zu lassen. Zuerst probiert er alle zur Verfügung stehenden Westen an, die alle zu kurz oder sonst irgendwie zu klein waren. Außerdem probierte er die weißen gewebten Leinenhemden und Hosen an.

Da passte bei der endlosen Länge des Haiko Kühnes auch nichts. Aurica schlug vor, für Haiko eine Weste anzufertigen, allerdings nur mit Anzahlung. Der Preis für die Weste wurde auf 500 DM festgelegt (eine Rentnerin bekommt in Rumänien 14 DM Rente im Monat) und eine Vorauszahlung von 100 DM vereinbart. Haiko freute sich.

Unterdessen wurde Elena unruhig und drängte zum Aufbruch. Es stellte sich heraus, dass sie am Abend eine Hochzeitsfeier besuchen wollte. Also wurden wir schnell nach Hause gebracht, Abendbrot für uns vorbereitet und dann machte sich Elena für die Feier fertig. Unterdessen war auch noch die 3. Tochter der Familie eingetroffen. Die 17 jährige Valerica, ein bildhübsches und natürlich schönes Mädchen, putzte sich auch für die Hochzeitsfeier heraus und Haiko wurde gar nicht fertig, das hübsche Mädchen zu loben. Sie hatte sich ein rotes Kostüm und rote Absatzschuhe angezogen und Haiko hatte Bedenken, dass sie mit diesem großstadttauglichen Aufzug heil auf den matschigen Straßen bis zum Tanzsaal kommt. Also fuhr er sie und Elena mit dem Auto.

Der Abend des erlebnisreichen Tages verlief ruhig. Elena hatte uns eine große Flasche roten Wein hingestellt und nachdem wir mit Romika und Viorica mehrere Memori-Matche bestritten hatten, schliefen wir zufrieden mit diesem wieder so schönen Tag in dem efeuberankten Zimmer ein.

 

Montag, 23.09.96

Ich hatte in diesem wunderbaren frisch bezogenen und liebevoll hergerichteten Bett wunderbar geschlafen. Zuerst machte mich auf den Weg zur Toilette, die, wie ich ja nun gelernt hatte, in der freien Natur oder im Pferdestall war. Ich wurde von den großen Schweinen begrüßt, die in ihrem Verschlag grunzten. Dann besah ich mir die Gegend und fand alles sehr schön: Saftiges Gras und das im September, viele Blumen, die Berge und natürlich die herrliche Luft. Hier würde ich so gern einen Urlaub mit der ganzen Familie verbringen, in dieser Ruhe und Harmonie.

Die Morgenwäsche in Elenas Bad mit Wanne und warmen Wasser schon sehr komfortabel.

Elena war schon fleißig am Schaffen. Der Ofen war schon geheizt und auf dem Tisch baute sie die Speisen für unser Frühstück auf. Sehr zu meiner Verwunderung köchelte auch ein großer Topf mit Pilzen auf der Flamme, der offensichtlich zum Frühstück zubereitet wurde.

Haiko kam von seiner Morgentoilette zurück und erzählte, dass er die Stalltoilette benutzen wollte, aber die schon war besetzt. Dort stand nämlich ein Pferd.

Aus frischer Milch bereitete er dieses Mal seine Haferflockensuppe und freute sich sehr über die heiße Suppe mit Milch, von der Kuh die nebenan im Stall stand.

Elena rannte und schwitzte um uns das Frühstück zu zubereiten. Es gab Pilze mit Knoblauch und Maisbrei. Das ist zwar ein ungewöhnliches Frühstück, aber lecker.

Nach dem Frühstück packten wir das Auto und machten uns, nach einer herzlichen Verabschiedung von Elena und ihrer Familie, Richtung Westen auf den Heimweg. Leider war das Wetter nicht so schön. Es regnete in Strömen und so konnte man von den schönen Gebirgen, liebevoll gepflegten Dörfern kaum etwas sehen.

In den Reiseführern waren als die Mamuren als Besonderheit für den Norden Rumäniens bezeichnet wurden.

Als wir durch Sapinta, wo sich der berühmte " lustige Friedhof" befindet fuhren, regnete es besonders stark, so dass wir gar nicht ausstiegen. Im Schneckentempo fuhren wir bis kurz vor Oradea, wo wir unser Nachtlager in einem Walnußhain aufschlugen. Das Auto konnte nur mit Gummistiefeln verlassen werden.

 

Dienstag,24.09.96

Dieser Morgen zeigte sich von einer etwas besseren Seite als der verregnete Abend. Der Himmel war zwar trüb, aber es regnete nicht. Trotzdem konnten wir uns nur mit Gummistiefeln waschen und als wir nach 2 ½ Stunden Vorbereitungszeit auf den Weg machten, hatten wir Schwierigkeiten wieder auf die Straße zu gelangen, ohne im Schlamm stecken zu bleiben.

Das sollte nun also unser letzter Tag in Rumänien sein. Nachdem wir die ganze Zeit sparsam mit unserem Geld umgegangen waren, wollten wir in Oradea einkaufen.

In Rumänien ist für unsere Verhältnisse alles billig. Da ich keine Lust hatte mit einem Mann, der sich ja nur für solche Sachen interessiert die für mich uninteressant sind, durch die Stadt zu ziehen, schlug ich Haiko vor, dass wir uns trennen und jeder seiner Wege zieht. Haiko sah mich ganz ungläubig an und glaubte kaum, was er gehört hatte.

Er fand das sehr mutig, dass ich auf seinen Begleitschutz verzichten wollte. Dazu kam, dass er sich nicht so gut rumänisch verständigen kann. Er kennt nämlich nur 2 Wörter in ausländisch, nämlich "spasibo" und "dobre". "Spasibo" heißt auf russisch danke und "dobre" auf polnisch gut. Haiko verwandt diese Wörter sehr variabel und vielfältig. Mit leichten Murren ging Haiko also zum Auto und um sich seine Uhr zu holen. Ich machte mich voller Freude auf den Weg ins Stadtzentrum. Zuerst musste ich in eine Geldwechselstube. Diese gibt es in den Stadtzentren überall und das Tauschen kannt unproblematisch und ohne Gebühren erfolgen. Nach 2 Stunden kam ich voll bepackt mit einem riesigen Kochtopf, einer roten Milchkanne, einigen Porzellanfiguren und diversen Kleinkram am Auto an. Das Einkaufen hatte mir Spaß gemacht. Allerdings hatte man in dem großen Kaufhaus der Stadt versucht, mich in linke Geschäfte zu verwickeln. Als ich am Porzellanstand mit der Verkäuferin verhandelte, stellte sich ein junger Mann neben mich und fragte, ob ich Deutsche bin. Dann war er ganz schnell verschwunden. Nach 2 Minuten kam ein anderer Mann zu mir und erzählte mir auf Deutsch, das er unbedingt diesen 200 DM Schein gewechselt haben möchte. Da ich dem Frieden nicht traute, sagte ich, dass ich so etwas nicht mache, da ich Angst habe, dass das Geld gefälscht ist. Da zog der Tauscher ab. Unterdessen warnte mich auch eine Verkäuferin. Bis ich das Kaufhaus verlassen hatte sprachen mich noch 7 Männer an, die ich erst höflich und dann immer genervter abwies. Ich hatte auch Sorge, dass sich Haiko auf die Tauscherei eingelassen haben könnte, aber er erzählte mir später, dass ihn niemand angesprochen hat. Vielleicht sah er nicht so "deutsch" aus ?

Nachdem wir unsere Lei erfolgreich an den Mann bzw. die Frau gebracht hatten, fuhren wir zufrieden in Richtung Grenze. Die zu erwartende Ausreiseschlange blieb aus und auch eine ausführliche Kontrolle blieb uns erspart. Wir mussten nur den Kofferraum öffnen und Haiko zeigte dem Zöllner unsere gekauften Porzellanfiguren.

Mit ein bisschen Wehmut verabschiedeten wir uns von unserem Urlaubsland.

Tschüss Rumänien - Land - der Gegensätze, Land - der Nostalgie, Land - der unmöglichen Möglichkeiten, Land - der Kindheitserinnerungen des Haiko Kühnes, Land - in dem man keine Minute der Autofahrt verpassen möchte, weil man wie durch einen Reisebericht fährt.

Nach so viel Rumänien, mit seiner Vielseitigkeit, kann man von der Rückfahrt nicht viel berichten.

Gerade Straßen mit schnellen Autos. Nirgends fehlen Gullideckel und man muss keinem unbeleuchteten Pferdefuhrwerk ausweichen. Für den Beifahrer die beste Gelegenheit die Augen zu schließen und die Abenteuerreise noch einmal Revue passieren zu lassen. So viele schöne Erlebnisse. So nette Menschen und viele neue und gute Alte Freunde und noch so viele interessante Dinge, die man in Rumänien noch nicht gesehen hat, die man aber unbedingt erkunden möchte.

Die letzte Nacht unserer Reise verbrachten wir auf einem Autoparkplatz in Österreich. Alles gepflegt und sauber, aber auch laut und eng. Trotz fließendem Wasser fehlte uns das rauschende Maisfeld beim Waschen und das Zirpen der Grillen vorm Einschlafen.

 

Mittwoch, 25.09.1996 und Schluss

Wir fuhren nach Hause! Von unterwegs vereinbarte ich per Telefon eine Uhrzeit mit Thomas, wann er mich in Engelsdorf abholen kann. Ich freute mich sehr, nach so langer Zeit wieder seine Stimme zu hören und konnte nun gar nicht zu schnell zu ihm und unseren Kindern kommen.

Kurz vor Leipzig gerieten wir in einen Stau, den einzigen auf unserer langen Reise, so dass Thomas in Engelsdorf lange auf mich warten musste. Haiko versuchte nach allen Regeln des Insiders den Stau zu umfahren, und ersparte uns so bestimmt einige Stunden Warterei.

Zu Hause wurde ich freudig und neugierig begrüßt.

Gudrun Pauksch / Torgau

gudrungudrun@gmx.de


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