Banditen, Spione oder Helden?
Bewaffneter antikommunistischer Widerstand in Rumänien 1948-1962
Ein Buch zur Zeitgeschichte über die Partisanen-Bewegung in Rumänien
von:
Karl-Heinz Brenndörfer
ISBN 978-3-00-015903-9
Zum Vorwort:
Es war Ende April 1953 in Heldsdorf bei Kronstadt in Siebenbürgen (Rumänien). In der Verwandtschaft stand eine Hochzeit bevor. Die Feier sowie deren Vorbereitungen fanden im Elternhaus der Braut statt. Da unsere Familie zu den näheren Angehörigen der Braut zählte, waren wir auch dazu geladen. Für einen zehnjährigen Jungen gab es damals kaum eine größere Freude, als bei einer Hochzeit dabei sein zu dürfen, zumal noch mehrere gleichaltrige Buben aus der Verwandtschaft geladen waren.
Damals, nach den ersten schweren Jahren des Nachkriegs, ging es den Siebenbürger Sachsen schon etwas besser. Die Heimkehrer aus der Deportation in die Sowjetunion hatten sich ins gesellschaftliche und Berufsleben wieder eingegliedert. Die Traktorenwerke in Kronstadt waren in vollem Aufbau. Hier fanden viele aus den umliegenden Dörfern Beschäftigung und Verdienstmöglichkeiten. Dennoch waren die Zeiten nach wie vor schwierig, doch die Familienfeste wurden nicht vernachlässigt.
Der Bräutigam kam aus einem anderen Ort. Bei den Hochzeitsvorbereitungen war auch einer seiner Verwandten aus Kronstadt zugegen. Er war mit einem Motorrad und einem kleinen PKW angereist, die im Hof abgestellt wurden. Zu unserer Freude durften wir auf dem Motorrad sitzen und, wenn jemand vorbeiging, ab und zu die Hupe betätigen, ein einfaches Horn mit Gummiball, den man zusammendrücken musste. Sogar ans Steuer des kleinen, mit einem aufklappbaren Dach aus Zeltplanen versehenen Wagens durften wir uns setzen.
Während der Hochzeit bemerkte ich, wie intensiv sich mein Vater mit dem Besitzer der Fahrzeuge unterhielt. Damals kreisten Gerüchte über Partisanen, die sich im Fogarascher Gebirge aufhalten sollten. Die tollsten Bravourstücke wurden ihnen zugeschrieben und man freute sich, dass es doch noch Leute gab, die sich den nun allmächtigen Kommunisten widersetzten. Genaues wusste niemand darüber, denn das Thema war für die damals dort gesteuerte und zensurierte Presse tabu. Angebliche Heldentatender Partisanen wurden inetliche Varianten weitererzählt. Wie wir heute wissen, war vieles erfunden.
Die politischen Gespräche drehten sich hauptsächlich um das Thema, ob und wann die Amerikaner endlich kommen würden, um uns von den Kommunisten zu befreien. Der kalte Krieg war längst entbrannt. Auf der einen Seite standen die Sowjets mit den militärisch besetzten Satellitenstaaten Osteuropas und Asiens, auf der anderen Seite die westliche freie Welt, angeführt von den USA. Die beiden Machtblöcke hatten sich etabliert. Stalin war zwei Monate zuvor gestorben und in Asien war der Koreakrieg in vollem Gange. Unter diesen Bedingungen war es selbstverständlich, dass sich alle Hoffnungen auf die Amerikaner richteten, doch diese blieben offenbar untätig.
Wochen nach der Hochzeit hörte ich noch, wie mein Vater seine Verwunderung über die gute politische Informiertheit seines Gesprächspartners äußerte.
Im August 1953 kam dann die uns überraschende und niederschmetternde Nachricht, in der Gärtnerei von Erich Tartler in Kronstadt-Bartholomae habe man zwei amerikanische Spione entdeckt und zusammen mit Erich Tartler verhaftet. Die wildesten Gerüchte begannen zu kreisen. In der Gärtnerei habe es ein Gerätehaus gegeben, von dem aus man in einen unterirdischen Bunker habe gelangen können. Aus diesem Bunker hätten die beiden Spione eine Funkverbindung mit dem amerikanischen Geheimdienst aufrechterhalten. Durch Funkmessung sei es dem rumänischen Sicherheitsdienst gelungen sie zu enttarnen. Die Gerüchte wollten nicht abreißen, vor allem weil die Verhaftungswelle weiter um sich griff. Fast alle Personen, die in den letzten Jahren im Hause Tartler verkehrt hatten, wurden festgenommen. Unter den Sachsen des Burzenlandes brodelte die Gerüchteküche. Genaues wusste niemand, weil der Kontakt zu den Verhafteten unmöglich war.
Ab dem 10. Oktober 1953 brachten die Zeitungen, darunter auch die damals in Rumänien erscheinende deutsche Tageszeitung Neuer Weg ausführliche Berichte über den Prozess einer "Gruppe von amerikanischen Spionen", die mittels Fallschirmen über dem Gebiet Rumäniens abgesetzt worden seien. Der Prozess fand vor dem Obersten Militärgericht in Bukarest statt. Obwohl nun schwarz auf weiß zu lesen war, was alles geschehen sein sollte, glaubte man im Verwandtenkreis immer noch nicht daran. Die Berichte hatten eindeutig den Zweck, die Öffentlichkeit zu verhetzen. Es gelang auch tatsächlich, die deutsche (sächsische) Bevölkerung einzuschüchtern und namentlich gegen die Familie Tartler Stimmung zu machen. Man sollte Repressalien gegen die Deutschen fürchten, da die Minderheit angeblich die Beschuldigten unterstützt hatte und deswegen nun Gegenmaßnahmen zu erwarten hatte.
Von 16 Angeklagten wurden bei dem Spionageprozess 13 zu Tode verurteilt. Das Urteil wurde am 31. Oktober in Jilava, dem berüchtigten Gefängnis südlich von Bukarest, vollstreckt. In einer Reihe von Nebenprozessen wurden alle übrigen Verhafteten zu Haftstrafen von 2-15 Jahren verurteilt. Die letzten kamen erst 1964 mit der großen, von Gheorghe Gheorghiu-Dej erlassenen Amnestie für politische Häftlinge frei.
Aus dem Bericht im Neuen Weg hatte man einiges über den Tathergang erfahren können. Was alles jedoch tatsächlich abgelaufen war, die realen Hintergründe und die politischen Zusammenhänge waren daraus nicht ersichtlich. Die Verurteilten wurden ausschließlich als Spione des Westens bezeichnet, dass sie eigentlich zur Unterstützung des antikommunistischen Widerstands in den Gebirgen Rumäniens entsandt worden waren, wurde gänzlich verschwiegen.
Jahre danach hat mich dieses Ereignis mit seinen Hintergründen immer wieder beschäftigt, ohne dass ich Näheres erfahren konnte. Wissensträger, die inzwischen aus der Haft entlassen worden waren, hüllten sich in Schweigen. Wie ich dann später erfahren konnte, wussten sie eigentlich auch nur sehr wenig. Um die Partisanen war es inzwischen ebenfalls ruhig geworden. Außer einigen Hetzfilmen Anfang der 1960-er Jahre gab es keine Hinweise mehr auf jenes Kapitel der rumänischen Geschichte.
Über 20 Jahre später, im Frühjahr 1974, war ich in einem Kronstädter Großbetrieb beschäftigt und in dessen Luftschutzmannschaften für den technischen Zustand der Alarmsysteme (elektrische Sirenen) des Betriebes zuständig. Die Heulsirenen wurden zweimal im Jahr getestet. Dazu musste der Strom abgeschaltet werden und nur die Signalübermittlung blieb aktiv. Zu einem bestimmten Zeitpunkt mussten die vom Zentrum übermittelten Impulse gezählt und danach gemeldet werden. Stimmten die Zahlen überein, war alles in Ordnung, die Sirenen konnten wieder scharf gemacht werden. Obwohl wir die Prozedur schon etliche Male wiederholt hatten, erfolgte weiterhin vor jedem Test eine Einweisung.
Nun war wieder eine solche fällig, bei der ich zugegen war. Wir wurden in einem Klubraum versammelt. Auf einem der Tische dort lagen neben anderen Zeitungen auch einige Ausgaben der Zeitschrift Pentru Patrie (Für´s Vaterland), eine Monatszeitschrift, die für den internen Gebrauch (numai pentru uz intern) der Dienstempfänger des rumänischen Innenministeriums bestimmt war, d.h. für die Truppen des Innenministeriums, der Miliz (Polizei), der Securitate und der Militärfeuerwehr. Gelangweilt begann ich in einer der Zeitschriften zu blättern. Plötzlich blieben meine Augen an einem mit bekannten Namen hängen. Nach ein paar Sätzen wusste ich sofort, wovon die Rede war. Ich blätterte weiter und merkte dabei, dass es sich um eine Reportage mit mehreren Folgen handelte. In zwei weiteren Ausgaben waren auch gleich die Fortsetzungen zu finden. Unbemerkt steckte ich die drei Zeitschriften in meine Tasche und ließ sie mitgehen. Durch Bekannte konnte ich mir dann auch die weiteren Folgen beschaffen. Hier wurden nach über 20 Jahren die Ereignisse von 1951-1953 geschildert. Für mich war damit eine Wissenslücke vorerst geschlossen und die Zeitschriften wanderten daheim auf den Dachboden. Vor meiner Aussiedlung 1982 stand dann das große Aufräumen an. Die Zeitschriften fielen mir wieder in die Hände und nichts war einfacher, als sie ins Feuer zu werfen.
Hier im Westen musste ich jedoch bald feststellen, dass die Ereignisse von einst überhaupt nicht bekannt waren. Um so mehr ärgerte es mich die Zeitschriften unüberlegt vernichtet zu haben. Ich begann mich um die Wiederbeschaffung zu bemühen. Dieses war in der Ceausescu-Zeit unmöglich. Ich schrieb an die rumänische Abteilung des Senders Free Europe nach München. Prompt kam die Antwort, dass die Zeitschrift im Westen nicht vorrätig sei.
Mit dem Zusammenbruch des Kommunismus in Rumänien änderte sich vieles auch im Pressewesen des Landes. Anfang 1990 erhielt ich über die Siebenbürgische Bibliothek in Gundelsheim den Hinweis, die Zeitschrift liege im Staatsarchiv Hermannstadt auf. Im Sommer 1990 fuhr ich hin, ging jedoch leer aus - die Information traf nicht zu. Dennoch fand ich an einem Zeitungsstand in Rumänien die jüngste Ausgabe der Zeitschrift. Im Gegensatz zu den meisten anderen Zeitungen, hatte sie ihren Namen nach dem Umsturz von 1989 nicht geändert. Das Profil war bloß ein anderes und es standen sogar die Namen der Redakteure und die Anschrift der Redaktion drin.
Anlässlich einer Rumänienreise im Sommer 1993 besuchte ich die Redaktion in Bukarest und wurde hier sehr freundlich von dem für das Archivwesen zuständigen Oberstleutnant Rotaru empfangen und prompt bedient. Die Zeitschrift gab es hier nach Jahrgängen zu Büchern gebunden. Sofort ließ der Oberstleutnant die gewünschten Seiten für mich kopieren und händigte sie mir aus. Im Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart fand ich dann die Ausgaben auch der Tageszeitung Neuer Weg und konnte mir aus dem Jahrgang 1953 die Beschreibung des Prozesses gegen die Hauptangeklagten herauskopieren.
Einige der Partisanen aus den Bergen Rumäniens haben den Zusammenbruch des Kommunismus überlebt. Dank ihrer gibt es heute in Rumänien eine Reihe von Büchern, in denen die Ereignisse von einst geschildert werden. Die damaligen Aktionen werden heute in Rumänien als "bewaffneter antikommunistischer Widerstand" bezeichnet.
In der vorliegenden Dokumentation wird am Beispiel von zwei Gruppen über den Partisanenkampf berichtet. Danach werden ausführlich die Bemühungen der Exilrumänen dokumentiert, in Zusammenarbeit mit westlichen militärischen Geheimdiensten der Jahre 1951-ö1953 die Partisanen zu unterstützen. Es wird auch versucht die globalen politischen Zusammenhänge und Ursachen, die überhaupt erst zu den Aktionen führten, zu untersuchen und die Ursachen des Scheiterns der Unterstützungsmaßnahmen aufzuzeigen. Besonderes Augenmerk wird den Siebenbürger Sachsen gewidmet, die in die Aktionen verwickelt bzw. in den meisten Fällen bloß unschuldig hineingezogen worden waren.
Bei zwei Personen der Zeitgeschichte möchte ich mich besonders bedanken. Dieses sind: 1.) Ion Gavrila Ogoranu, der Führer der Partisanengruppe vom Nordhang des Fogarascher Gebirges, der 27 Jahre im Untergrund in Rumänien gelebt hat und wie durch ein Wunder mit dem Leben davongekommen ist, trotz seiner Verurteilung zum Tode. ... 2.) Mircea Dimitru, der die meisten Fallschirmspringergruppen rekrutierte und in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen und französischen militärischen Geheimdienst ausbildete und betreute.
In zahlreichen persönlichen Gesprächen mit beiden konnte ich viele Details so weit klären, dass die im Folgenden geschilderten Ereignisse den Tatsachen entsprechen. Wo dennoch weiterhin Zweifel bestehen, wird darauf hingewiesen. Endgültig Klarheit wird es erst dann geben, wenn die Archive der Securitate, die nun nach dem Muster der Gauck-Behörde zugänglich sind, aufgearbeitet sind. Wer soll sie aber aufarbeiten, wenn Zeitzeugen und Wissensträger nicht mehr leben? Allein in einer einzigen Dienststelle der Securitate gibt es über die Partisanengruppe des Ion Gavrila 124 vollgestopfte Aktenordner mit insgesamt 49.890 Blättern. Er hat sie monatelang durchgelesen und für die Geschichtsforschung aufgearbeitet bzw. Fehler richtiggestellt. Den Text des noch zu erscheinenden Buches hat er mir auf CD-ROM zur Verfügung gestellt, so konnte ich die gewonnenen Erkenntnisse, vor allem das wertvolle Bildmaterial in diese Dokumentation einfließen lassen. Die Behörde nennt sich CNSAS (Consilul National pentru Studiera Arhivelor Securitatii) was soviel wie Nationalrat zum Studium der Archive der Securitate bedeutet. Im text wird auf diese Quelle hingewiesen.
Aus bestimmten Gründen sind einige Namen der handelnden Personen geändert worden.
Für die freundliche Bereitstellung von Bildmaterial möchte ich mich bei allen bedanken. Zugleich bitte ich um Nachsicht für die Qualität einiger Bilder, die nicht dem heutigen Standard entsprechen. Zu Dank bin ich noch Günter Reiner verpflichtet, der mir bei der Beschaffung der umfangreichen Literatur behilflich war. Im postkommunistischen Rumänien wird zwar viel geschrieben, gedruckt und verkauft, einen geregelten Bücherversand gibt es aber nicht. ... Nicht zuletzt danke ich Hannes Schuster, Hardegsen, für die Durchsicht und Redaktion des Manuskripts.
Karl-Heinz Brenndörfer / Stuttgart, im März 2005
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Die Veröffentlichung des Vorwortes zum Buch "Banditen, Spione oder Helden?" auf der Karpatenwilli-Seite, erfolgt mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors Karl-Heinz Brenndörfer!
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