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Juliana Fabritius-Dancu

Stattliche Wehrkirchen - berühmter Wein

Bauernburgen von Bogeschdorf bis Bulkesch


Meinen treuen KOMM MIT-Lesern, die mir durch 15 Bände unseres Reiseführers in 100 siebenbürgisch-sächsische Kirchenburgen gefolgt sind, will ich heuer ein besonderes Kleinod des Weinlandes vorstellen, die spätgotische Bogeschdorfer Wehrkirche, wo wertvollste Arbeiten siebenbürgischen Kunsthandwerks für kundige Besucher erlesene Entdeckerfreuden bereithalten. Seine Berühmtheit verdankt der Ort allerdings nicht seinem Kultbau, sondern dem Weinbau - der würzige, schwere "Bogeschdorfer" zählt zu den edelsten Sorten Siebenbürgens.

Über Wölz und Bonnesdorf, wo uns besonders die Chorbasteien der Wehrkirchen interessieren, gelangen wir, zwischen den beiden Kokeln immer westwärts wandernd, in zwei weitere berühmte Weindörfer: nach Jidvei / Seiden, wo die grosse moderne Kellerei den köstlichen Kokeltaler in alle Welt exportiert, und Bulkesch, dessen Rebenernten ebenfalls in die Riesenfässer von Seiden münden. Hier sehen wir eine dritte Variante der fürs Kokeltal so kennzeichnenden Chorbasteien.

Obgleich die Ziele unserer diesjährigen Reiseroute alle im Zwischenkokelgebiet liegen - in "Mesopotamien", dem sächsischen Zweistromland, wie es scherzhaft genannt wird - , hatten sie in der Vergangenheit recht unterschiedliche Rechtsverhältnisse, die sich natürlich auch auf Ausmass und Ausschmückung ihrer Sakral- und Wehrbauten auswirkten. Erst nach 1300 kamen deutsche Siedler ins Zwischenkokelgebiet, um hier in 40 Gemeinden die letzte sächsische Siedlerenclave Siebenbürgens zu bilden. Sie liessen sich auf Komitatsboden nieder, der adligen Grundherren oder Klöstern gehörte, zu denen sie als "Erbpächter" in einem mehr oder minder drückenden Abhängigkeitsverhältnis standen. Nur fünf dieser Dörfer, darunter Bogeschdorf und Wölz, gelang es, sich zu befreien und dem priveligierten, freien Siedlerverband der sächsischen Königsbodengemeinden anzuschliessen.

 

Südostansicht der

Kirchenburg in Bogeschdorf

Obwohl Bágaciu / Bogeschdorf nur 18 km im Norden von Mediasch liegt, hat es keine direkte Verbindung zu diesem alten Vorort der "Zwei Stühle". Wir müssen von Târnáveni aus einem Seitental der Kleinen Kokel 12 km südwärts folgen, um im Mittagslicht, inmitten der Gemeinde, den gelben Sandstein der Kirchenburg gleich einem Märchenkastell vor kobaltblauem Himmel golden erglühen zu sehen. Die erste urkundliche Nachricht über Bogeschdorf, aus 1359, belegt auch das Vorhandensein einer Kirche: demnach ist die im ersten Viertel des 15. Jh. errichtete, zunächst turmlose Saalkirche mit Polygonchor und nördlich anschliessender Sakristei der zweite Kultbau des Ortes. Im Chordachstuhl fanden Bauarbeiter das Datum 1421 in einem Balken eingekerbt - wohl das Vollendungsjahr der Kirche in erster Bauphase. Der hohe, siebengeschossige aus Steinquadern aufgetürmte Glockenturm trat erst nachträglich ans Westende des Saales, ebenso entstanden Ende des 15. Jh. die beiden prachtvollen Sandsteinportale, in je einen der West- und Südfront vorgelagerten Risalit eingebaut. Sie bilden den schönsten bauplastischen Schmuck der Kirche und gliedern sich der Gruppe reichprofilierter, spätgotischer Portale mit feingemeisselten Kapitellfriesen an, die alle Traube und Rebblatt in streng symmetrischer oder naturhaft zwangloser Anordnung verwenden und in den Nachbargemeinden Kirtsch, Durles, Hetzeldorf, Bussd, Eibesdorf stehen, war dort seit jeher der Weinbau hier Hauptbeschäftigung der Bauern.

 

Kapitellfries an der

Nordhälfte des Westportals

Das siebenfach abgetreppte Westportal mit seinen kräftigen Birnstab- und Oktogonalprofilen, die Archivolte von einem Wimperg überhöht, wirkt noch monumentaler als das feingliedriger gemeisselte Südportal. Über beide Kapitelle ziehen sich herrliche auf jeder Portalseite anders gestaltete Friese von Trauben und Weinblättern hin, die einer Mittelachse entwachsen. Auch die Hohlkehlen der Archivolte sind mit Ranken teils symmetrischer Gruppierung der Blätter, teils einer Wellenlinie eingeschrieben, geschmückt. Die Steinplatten in den Bogenfeldern der Archivolte waren einst mit buntfarbiger Malerie bedeckt. Die edlen Formen der hochstrebenden Leibungsprofile unterstreichen den majestätischen Vertikalismus des ganzen Bauwerks, mit seinen durch hohe Strebepfeiler gegliederten Saalwänden und dem steil aufgereckten Westturm.

 

Konsolen der

Gewölbedienste im Chor

Durch einen spitzbogigen Südeingang betreten wir den Chor, dessen Gewölbe noch der ersten Bauphase entstammt. Die ein Rautennetz bildenden Steinrippen steigen von Konsolen auf, an denen Tierfiguren, Drachen, weinlaubumwundene Masken in farblicher Fassung plastisch hervortreten; schlanke, den Chorwänden angeblendete Halbsäulen tragen diese Konsolen. Einfacher sind die Schlusssteine des Chorgewölbes gestaltet, zwei mit Rosetten verziert, nur der mittlere trägt das Relief eines Christuskopfes mit geschlossenen Augen. Ursprünglich war das sehr hohe, schmale Kirchenschiff mit einer flachen Holzdecke versehen, die erst im Zuge der Wehrbarmachung durch ein gemauertes Stichkappen-Tonnengewölbe ersetzt wurde, um der Brandgefahr zu steuern. Der Gewölbescheitel liegt viel tiefer als der ursprüngliche Plafond, aber immer noch 19 m hoch ! Bloss zur Zierde überzieht ein Rautennetz gebrannter Tonrippen das Saalgewölbe. Von halber Handhöhe steigen die Rippen gebündelt auf, um sich am Gewölbeansatz zu entfächern. Eine Rundöffnung im Zentrum des Saalgewölbes wird von einem Holzschild bedeckt, das die Dreifaltigkeit darstellt; das umlaufende Inschriftenband trägt die Jahreszahl 1650.

 

Freskofragment

an der Saalnordwand

Bis zur Reformation, die sich hier erst 1564 durchsetzte, war die Kirche der Jungfrau Maria geweiht, und die überaus hohen Wandflächen schmücken Fresken, die nur noch durch zwei Fragmente belegt sind: an der Saalnordwand lässt eine Orantengruppe in Kostümen des 15. Jh. die hervorragende Qualität dieser Wandmalerei erahnen; an der Chornordwand erscheint eine weissgewandete Heilige in hochrechteckiger Rankenumrahmung. Weiter östlich verläuft in 3 m Höhe eine weisse Uncialinschrift auf rotem Band: ISTAD OPUS PERFECIT JOHANNES PLEBANUS, dem wir folglich die Ausführung der Fresken zuschreiben müssen.

Sakramentnische und Sedilie, in den Chorwänden eingetieft, sind schmucklos, nicht wie in Kirtsch und Eibesdorf mit herrlcihen Steinmetzarbeiten geziert. Dafür besitzt der Chor das wertvollste und kunstreichste Gestühl aller sächsischen Dorfkirchen, aus der Schässburger Werkstatt des berühmten Schnitzers Johannes Reychmuth (erste Hälfte des 16. Jh.). An der Südchorwand lehnt ein viersitziges Gestühl, Baldachin, Rücklehne und Vorderseite des Lesepults reich mit feinverschlungener Flachschnitzerei geschmückt. Unter dem Baldachin verläuft die Versalinschrift: " HOC OPUS PERFECTUM PER ME JOHANNEM REICHMUT MESATORE SCHEGESVARENSEM AD LAUDAM ET HONOREM MARIE VIRGINIS. A. 1533." Die Vorderseite des Pultes am eichenen Gestühl ist mit vier Feldern in Schnitzdekor geschmückt, die Drachen, Basiliken und eine Eule darstellen, zu der dieser seltsame Spruch gehört: "ICH PIN EYN FOGEL UND HEYS DY AYL UND VER MYCH HASSET DEN SCHENT DIE PAYL."

 

Flachschnitzerei

am Chorgestühl

Die Rückenlehnen der Gestühle sind mit zweifarbigen, geometrischen Band-Intarsien verziert, Muster wie wir sie an Hetzeldorfer, Tobsdorfer und Birthälmer Gestühlen der geleichen Werkstatt sahen. Auch das Motiv des hexagonalen Turms und des Sarkophags mit halbgeöffnetem Deckel von der Birthälmer und Bistritzer Sakristeitür ist vertreten. An den Lehnen einiger Sitze finden sich zweifarbig aufgemalte Monogramme in Wappenschildern, die wohl die Inhaber dieser Sitze gelegentlich anbringen liessen. In der Ecke zwischen dem Südeingang des Chors und dem Pfarrgestühl steht ein prachtvoll geschnitzter kelchförmiger Opferstock, auch wohl 16. Jh.

 

Geschnitzter

Opferstock (16. Jh.)

Die Wände des Chorschlusses unter den drei einfachen Spitzbogenfenstern, sind mit überaus wertvollen anatolischen Teppichen behängt - ein Kuriosum siebenbürgischer evangelischer Kirchen! Die türkischen Gebetsteppiche kamen zuerst durch die vielen Kriegszüge der Osmanen nach Siebenbürgen und besonders im 16. Jh., als die Provinz unter Oberhoheit der Pforte stand. Im 17. Jh. waren es vorwiegend die sächsischen Kaufleute, die abendländische Waren im Orient tauschten und Teppiche mit in die Heimat brachten. Auch als Zahlungsmittel für den in Waren zu entrichtenden Zoll wurden sie gerne von den Stadtbeamten angenommen und später oft fremden Fürsten und Standespersonen als Gastgeschenk oder Neujahrsgabe überreicht. Bald bürgerte sich die Sitte des Teppichschenkens auch bei den Patriziern ein, zu festlichen Anlässen gab man vorzugsweise Teppiche, die im Haus als Wandbehang oder Prunkdecke benützt wurden. Was lag näher, als auch die Gestühle der Kirchen damit zu schmücken; die Zünfte wetteiferten darin, die angestammten Kirchenplätze mit den schönsten Teppichen zu belegen. Die reichste Sammlung orientalischer handgeknüpfter Teppiche hat sich in der Kronstädter Schwarzen Kirche mit 120 Exemplaren erhalten, doch auch in manchen Dorfkirchen findet man Kostbarkeiten aus den berühmten Werkstätten von Brussa, Uschak und Ghiordes. In Bogeschdorf sogar einen seltenen "Vogelkopfteppich".

Das Prunkstück im Chor ist aber der spätgotische Flügelaltar, 1518 datiert, einer der schönsten und besterhaltenen der 21 gotischen Flügelaltäre in siebenbürgisch-sächsischen Kirchen, die aus vorreformatorischer Zeit erhalten bleiben. (Weitere sechs Altäre sind in Museumsbesitz, dazu vereinzelte Tafeln und Predellen.) Das überaus zarte Filigrangesprenge des Bogeschdorfer Altars entstammt der gleichen Schreinerwerkstatt wie dasjenige der Bithälmer und Schaaser Altäre, der Rahmen und die drei Schreinsheiligen, Katharina, Maria und Magdalena, mit ihren robusten Gestalten, den puppenhaft hübschen Gesichtern, weisen auf die Schässburger Werkstatt des Johann Stoss hin - ein hier anässiger Sohn des berühmten Bildschnitzers und Malers Veit Stoss -, der 1530 in Schässburg starb. Unter dem Schrein verläuft die Inschrift mit den Namen der Heiligen und dem Datum 1518. Auffallend ist die Ausgewogenheit der Proportionen und Einheit des Gesamtwerks. Als Halbfiguren erscheinen in drei mit goldgepressten Baldachinen überhangenen Bildern auf der Predella der Vir dolorum Maria und Johannes, mit ausgeprägt verinnerlichter Porträtkunst dargestellt. Die Festtagsseite der geöffneten Flügel zeigt vier Szenen des Marienlebens. Die feine Zeichnung, die satten leuchtenden Farben und besonders die zeitgenössischen Kostüme erinnern an Dürer und Cranach; tatsächlich ist die Malerei dem Krakauer Atelier von Hans Dürer und Hans v. Kulmbach zugeschrieben worden.

Der geschlossene Altar zeigt auf der Aussenseite der Flügel die Heiligen Georg und Florian mit dem Drachen, die Bischöfe Urban und Nikolaus, Petrus und Paulus, Christophorus und Valentin, Johannes den Täufer und Bartholomäus, Antonius und Leonhardus, Stefan und Laurentius, die Ärzte Cosmas und Damian, die paarweise in schönkomponierten Gruppen auf den acht Tafeln erscheinen. Feinheit der Zeichnung, Farbreichtum und kräftige Hell-Dunkel-Schattierung, reife verinnerlichte Porträtkunst lassen einen deutschen Meister erkennen, der jedenfalls keiner lokalen Schule angehörte, ebenso die prachtvollen Brokate und broschierten Samte der Kostüme in genauer Musterzeichnung. Der erstklassige Erhaltungszustand erklärt sich aus einer Inschrift der Rückseite: die Bilder wurden in den Jahren 1896-1899 erneuert durch Eduard Gerisch, Kustos an der Akademie der bildenden Künste in Wien, das Schnitzwerk und die Vergoldung durch Joseph Vogel, Kunsttischler in Schässburg, und Gustav Spreitzer, Vergolder in Mediasch.

Ende des 15. Jh. errichtete man den Westturm nicht nur als Glockenträger und hohen Ausguck zur Beobachtung des Geländes, sondern bereits mit der Bestimmung eines Bergfrieds. Sein tonnengewölbtes Erdgeschoss bildet eine Vorhalle des Westeingangs, der Einstieg in den Turm ist nur aus dem Kircheninnern, heute von der Orgelempore her möglich. Da zwei Gewölbe die Obergeschosse gegen Brandbefahr schützen, sind diese nur über einzeln begehbare, enge, in der Mauer ausgesparte Treppenstollen zu erklimmen. Die 2 m dicken, aus Bruchsteinquardern gefügten, an die Kanten durch Haustein verstärkten Wände werden in allen Obergeschossen durch Schiessnischen für Handfeuerwaffen durchbrochen. Nur im sechsten Geschoss, der Glockenstube, öffnen sich vier zweigeteilte gotische Schallfenster, deren südliches noch seinen mittelpfosten, die Kleeblattbögen und den Vierpassdurchbruch bewahrt hat; das Ostfenster überragt nun der Giebel des durch die Wehbarmachung erhöhten Saaldaches.

Auch das siebente Geschoss besitzt noch acht kleine und vier grosse Schiessscharten - letztere sind jetzt von den Zifferblättern der Uhr bedeckt. Darüber ist auf Hängeböcken der offene Wehrgang mit Bretterbalustrade vorgekragt, von einem hohem Walmdach mit Rundziegelbelag gekrönt. Die Bodenbretter des Wehgangs konnte man abheben, so dass sich zwischen den Tragbalken Fussscharten öffnen, zur Verteidigung des Mauerfusses im Nahkampf, indem man den feind mit Wurfgeschossen bombardierte.

 

Kirchenburg in Bogeschdorf

von Nordosten mit Torturm

und zweigeschossiger Bastei

Erst 1973 ist der Wehrgang samt seinen eleganten Dach nach einer alten Zeichnung rekonstruiert wirden und verleiht dem Turm seine ursprüngliche Würde. Der alte Wehrgang musste 1867, morsch geworden, abgetragen und mit einem hässlichen oktogonalen Blechhelm ersetzt werden. Diesen löste 1923 ein prismatisches Dach ab, das die vier Wände der Turmgiebel überragte, nun aber ist der ursprüngliche Aspekt wiederhergestellt. Es ist ein grosses Verdienst unserer Dorfgemeinschaften und der Bauabteilung des evangelischen Landeskonsitoriums, dass diese Baudenkmäler nicht nur instand gehalten, sondern fachgerecht restauriert werden, wozu der Staat oft mit grossen Zuschüssen beiträgt.

Die Wehrbarmachung, um 1500, betraf ausser dem Glockenturm auch Chor und Saal. Durch Erhöhung der Chormauern und Aufstocken des Saales mit vorspringenden Längswänden, die auf sieben angeblendeten Strebepfeilerpaaren und zwischen diesen gespannten Rundbögen ruhen, erhielten beide Bauteile gemauerte Wehrgeschosse, die nur über den Westturm zugänglich und daher leicht zu verteidigen waren. Im Schatten der Rundbögen, die wie ein simples Bauornament anmuten, öffnen sich die Gussscharten für die dem Feind im Nahkampf verabreichten tödlichen Güsse von siedendem Pech, Fett und Wasser. 1766, in friedlicheren Zeiten, trug man den Wehrgang wieder ab und setzte den Dachstuhl unmittelbar auf die Stützbögen.

Eine Besonderheit dieser Wehrkirche sind zwei in den Saal gegrabene Brunnen, im Südwest- und Nordosteck, die die Verteidiger dieses "sakralen Wehblocks" mit Wasser versorgten. So bildete die Kirche die letzte Verteidigungslinie, hinter der sich die Belagerten zurückziehen konnten, wenn Angreifer die Ringmauer sprengten oder überkletterten. Um 1500 legte sich ein von drei Basteien verstärkter Mauergürtel (8 m hoch) um den Kultbau, einen geräumigen Burghof einschliessend. An der Bsis von Hosenscharten durchbrochen, trug die Mauer einen gedeckten, auf Hängeböcken in den Burghof ausgekragten Wehrgang. Sowohl der viergeschossigen Torturm im NO als auch die den ovalen Bering im NO, SO und NW schützenden, zweigeschossigen Basteien, springen vor die Mauerflucht vor; im Osten und Norden verdoppelte man die Ringmauer, indem die Aussenecken der Basteien verbunden wurden. Der so entstandene schmale Raum zwischen innerem und äusserem Mauergürtel, Zwinger genannt, beherbergte in Belagerungszeiten die Viehherden der Bauern, der niedrigere äussere Mauerabschnitt sollte zugleich den Bering gegen Artilleriebeschuss schützen.

 

Ostansicht

der Kirchenburg

in Wölz

Um unser nächstes Reiseziel zu erreichen, müssen wir von Bogeschdorf zunächst wieder über Tîrnáveni und dann genau südwärts fahren in Richtung Medias, treffen aber shcon auf halber Strecke in Velt / Wölz ein und finden auch hier die Kirchenburg inmitten eines weiten, freien Marktplatzes liegen. Die Wehrkirche gehört dem für das Kokelgebiet so charakteristischen Typus der gotischen Saalkirche mit mehreren Wehrgeschossen über dem Chor an, dem wir auch in Bonnesdorf und Bulkesch begegnen werden.

Jedes der Baudenkmäler stellt aber ein Unikat mit eigenständigen Baulösungen und Detailgestaltungen dar. Am ähnlichsten ist der Wölzer Wehrchor dem von Baassen (in KOMM MIT ´75 vorgestellt), bloss dass letzterer im Osten platt abschliesst, während der Wölzer Polygonchor seinen dreiseitigen Ostschluss auch in den beiden Wehgeschossen fortsetzt. Auch seine schlanken, nur einmal abgetreppten Strebepfeiler gleichen jenen des Baassner Chors.

 

Sakramentnische

im Chor

von Wölz

Eine weitere Verbindung zwischen den Nachbargemeinden besteht in ihrer ersten urkundlichen Erwähnung 1359 als freie Gemeinden des "Mediascher Stuhls" anlässlich eines Streites um ein Waldgebiet, den die Mediascher Stuhlsversammlung schlichtete. Diesem Datum zufolge besass Wölz sicherlich einen noch älteren Kultbau als die Ende des 14. Jh. errichtete turmlose und zunächst unbefestigte spätgotische Saalkirche. An dem übermässig hochgeführten Triumphbogen zwischen Chor und Saal erkennen wir ein altes Kämpfergesimse, aus abgeschrägter Platte und Glockenleiste bestehend, das auf den alten, ehemals viel niedrigeren Triumphbogen hinweist, der einem früher tiefer ansetzenden Gewölbe entsprochen hat. Dieses war mit einem Rautennetz von Tonrippen überzogen, wie uns ein einziges kleines Rippenfragment verrät, das heute ien Fenster des Treppentürmchens verstopft.

 

Moldauwappen

über der Einfahrt

des Torturmes

Am 3. Oktober 1880 fügte ein Erdbeben dem Chorgewölbe solchen Schaden zu, dass es unverzüglich erneuert werden musste. Damals entstand das heutige viel höher ansetzende Tonnengewölbe mit Stichkappen. Nun stehen die alten Gewölbepilaster, massiv und rechteckig, zwecklos im Saal. Um ihr Überflüssigsein weniger auffallend zu machen, setzte man ihnen simple Stuckornamente auf. Schmucklose, stillos vergrösserte Fenster erhellen Chor und Saal, dessen Nordwand fensterlos blieb. In der breit hinterlagerten Westfront, der schönsten Schauseite der Kirche, lag ein heute vermauertes Westportal, einziger Eingang in den Saal ist heute eine nur durch Mötelputz profilierte Türöffnung in der Saalsüdwand. Neben dem rechteckigen Steintürstock, der durch die Chornordwand in eine tonnengewölbte Sakristei führt, ist eine Sakramentnische in die Chorwand eingetieft, von einem mit holzschnittartigen Kerbornamenten verzierten Tympanon überhöht. Auf dem Eisengitter des die Nische verschliessenden Türchens finden wir gleiche Rosetten wie in Baassen und Bonnesdorf. Ein 1461 gewährter, hundertjähriger Ablass für die bis zur Reformation "Allen Heiligen" geweihte Kirche erbrachte wohl die Mittel zum Beginn der Wehrbarmachung.

In der Südwestecke des Saales baute man ein zylindrisches Treppentürmchen mit aus Ziegel gemauerter Wendeltreppe ein, über die man in den Dachboden gelangte und auf einem Bretterlaufsteg das Saalgewölbe überquerte, um die Chorwehrgeschosse zu erreichen. Auf dem ehemals tiefer gelegenen Gewölbe hatte es wohl auch einen Einstieg ins untere der beiden Wehrgeschosse gegeben, heute führt eine schmale Öffnung nur in das obere der nachträglich aufgestockten Wehrgeschosse, die eine dünne Trennwand über dem Triumphbogen vom Dachboden scheidet und den Verteidigern eine letzte Zuflucht sicherte. Die durch eine Balkenplattform geschiedenen Wehrgeschosse bemassen jeweils sieben kleine Schiessscharten für Handfeuerwaffen, in Brusthöhe der Schützen gelegen, die auf hölzernen Laufstegen Aufstellung nahmen. Eine äussere Verteidigungslinie der Wehrkirche bildete ein einfacher Bering in nahezu ovaler Führung von 5 - 6 m Höhe, nur im Osten von einem tiefen Bachbett als natürliches Hindernis umkrümmt. Mutmasslich war auch hier der obere Mauerteil von Schiessscharten durchbrochen, die von einem innen die Ringmauer umziehenden Wehrgang aus bedient wurden.

Heute ist die Mauer bis auf 2 Meter Höhe abgetragen, nachdem 1873 die Besitzer der im Kirchhof gelegenen Kornkammern zu deren Entfernung eingewilligt hatten. Der so gewonnene Raum wurde für eine Baumschule genutzt und die "Fleischkammer" zum Aufbewahren des Specks neben dem Pfarrhaus neu aufgebaut. Der Südfront der Kirche vorgelagert, springt der Glockenturm halb vor die Ringmauer vor; sein steinerner Unterbau schliesst einen tonnengewölbten Durchlass ein, der vormals wohl mit Fallgatter versperrbar war.

Laut einer Balkeninschrift im zweiten Turmgeschoss wurde der Glockenträger 1601 restauriert, vielleicht erhöht; dass er älter ist, besagten zwei vorreformatorische Glocken´, die grössere mit der Minuskelinschrift versehen: "ihesus christus hilf uns 1441", ein lapidares Stossgebet, das dem verheerenden, wohl schrecklichsten Türkeneinfall von 1438 folgte. Eine kleinere Glocke ist 1529 datiert. Ungeklärt ist die Bestimmung eines im SO zur Gänze vor den Bering vorspringenden rechteckigen Gebäudes, mit hohen, von Schiessscharten durchsetzten Spitzgiebeln an den Schmalseiten, zwischen denen sich ein Satteldach spannt. Das in zwei ungleich grosse Räume geteilte Erdgeschoss ist mit einem Sternnetzgewölbe überzogen gewesen, von welchem heute nur noch die Schildbogen der Ostwand erhalten sind; es könnte als Kapelle gedient haben, während der tonnengewölbte Kellerraum sowie die Wehrvorrichtungen in den Giebeln an wehrhafte Fruchthäuser erinnern, wie wir sie in Trappold und Schönberg sahen. Um 1912 hauste hier der Burghüter mit seiner Familie. Im Vorbeigehen fällt unser Blick auf einige mit Mauerputz schön verzierte Schutzgiebel über zweifenstrigen Hausfronten. Der Weinstock als vorherrschendes Motiv duetet wieder auf die Hauptbeschäftigung der Bauern hin.

Über den berg sind es wohl keine 5 Kilometer, die Wölz von Boian / Bonnesdorf trennen, dennoch hatten die Nachbargemeinden, ihrer unterschiedlichen Rechtslage zufolge, sehr verschiedene Schicksale. Gegenüber dem Freibauernhof Wölz mussten die Bewohner von Bonnesdorf, einer untertänigen Gemeinde des Kokelburger Komitats, Frondienste leisten. Bereits 1395 ist Bonnesdorf als Besitzung von Cetatea de Baltá / Kokelburg genannt, wo ein Kastellan die königliche Burg befehligte. Bonnesdorf war ein "königliches Dorf", bis es 1447 dem Vizewoiwoden Nikolaus von Salzburg vergabt wurde, der es aber schon 15 Jahre später gegen eine andere Besitzung eintauschte. Als König Johann Zápolya die Kokelburg dem moldauischen Fürsten Petru Rares verlieh - sie war bereits 1489 Stefan dem Grossen durch König Mathias Corvinus vergabt worden -, wurde auch Bonnesdorf ein moldauisches Lehen. Daran erinnern die Wappen der Moldau mit dem Auerochsenkopf über der Einfahrt des Torturms und über dem Nordportal der Kirche, die zum Dank dafür angebracht sein sollen, das die Sachsen Petru Rares in seinen Kämpfen beigestanden haben.

 

Kirchenburg

in Bonnesdorf

von Nordosten

1748 gehörte ein Teil des Ortes dem Grafen Nikolaus Bethlen, der andere verblieb Eigentum von Kokelburg bis zur Aufhebung der Leibeigenschaft. Bonnesdorf muss eine volkreiche sächsische Gemeinde gewesen sein, wie die ungewöhnlich grossen Ausmasse von Kirche und Burghof besagen, deren Dimensionen stets den Erfordernissen der Bevölkerung angepasst waren. Da in einer Urkunde aus 1309 unter den Vertretern der sächsischen Dekanate auch Pleban - Thoedoricus de villa Bonneti angeführt ist (der Ortsname soll vom althochdeutschen Personennamen Bonno herrühren), gab es damals schon eine Kirche - somit ist die heutige Wehrkirche der zweite Kultbau. Ungewöhnlicherweise verfügen wir für diesen über genaue Datierungen: 1402 gilt als Vollendungsjahr der turmlosen Saalkirche in ursprünglicher Form, wobei zuerst der hohe, geräumige polygonale Chor, mit einem Kreuzgewölbe gedeckt, entstanden sein soll, der flachgedeckte Saal danach angebaut wurde. 1506 war als zweite "alte Zahl" über dem Triumphbogen angeschrieben und bezieht sich auf die Umgestaltung des Sakralbaus zur Wehrkirche.

Um dem Chor sein starkes Wehrgeschoss aufzusetzen, verzichtete man auf den dreiseitigen Ostschluss zugunsten einer flachen Ostwand (wie in Baassen); aller Chorwände wurden erhöht, ein neues starkes Tonnengewölbe wurde aufgeführt, mit einem Rautennetz von Tonrippen verziert. Zwicshen den dreifach abgetreppten Strebepfeilern, die den Chor umstellen, spannen sich zehn vor die Mauerflucht vorgeschobene Ziegelbögen, deren je zwei auf einer gemeinsamen Konsole aufruhen. Jeder Bogen erhielt im Scheitelpunkt noch eine Konsole zur Stütze der schweren Schildmauer des Wehrgeschosses, die auf den Bögen ruht. Zwischen Pfeilern und Konsolen öffnen sich hinter den vorgekragten Bögen die Gussscharten für eine "kochend heisse Begrüssung" der den Bau umzingelnden Feinde. Über jeden Bogen ist die Schildmauer von einer Schiessscharte durchbrochen, deren Abmessungen für Handfeuerwaffen berechnet worden ist. Elegant und gleichsam die Schwere des Bauwerks mit hochreissend, wirkt der Schwung des steilen Chorwalmdaches, das seinen kleinen Dachreiter erst um 1900 erhielt.

Genau wie in Wölz führt auch hier der Zugang zum Chorwehrgeschoss über eien schmale Wendeltreppe des zylindrischen Türmchens im SW-Eck des Saales. Ein Bretterlaufsteg überquert überquert den Dachboden über dem Scheitel des Saalgewölbes, das auch zu diesem Zeitpunkt gegen Brandgefahr über dem Saal errichtet wurde, als Ersatz der hölzernen Flachdecke. Je drei kräftige Pilaster der Saallängswände dienten zur Stütze dieses Gewölbes; an der Aussenfront entsprechen ihnen viermal abgetreppte Strebepfeiler, deren Breite der Massivität des gesamten Bauwerks Rechnung tragen.

 

Der Torturm

vom Burghof

her gesehen

Das Chorwehrgeschoss erfüllte auch in dieser Kirchenburg die Rolle des Bergfrieds, der letzten Zuflucht der Belagerten, die bedeutendere Abwehrkraft beruhte aber auf dem einfachen, nahezu kreisförmigen Bering, der einen geräumigen Burghof einschloss. Unterhalb der 7 Meter hohen Mauerkrone umgab ihn hofseitig ein gedeckter Wehrgang, von dem aus die Schiessscharten und nach aussen vorspringende, kästchenartige Gusserker bedient wurden. Unterhalb des Wehrgangs war die Ringmauer von den Vorratskammern der Bauern umgeben, die, mit einem Pultdach gedeckt, den Bering als Rückwand benützten. Erst vor einigen Jahren sind die letzten dieser Kammern abgetragen worden. Auch nach dem Schwinden der Feindgefahr hielt die Dorfgemeinschaft die Feldfrucht und Speckvorräte in der Kirchenburg brandsicher aufbewahrt, während sich in den Dörfern oft gewaltige Brände ausbreiteten, da die Wirtschaftsgebäude vielfach strohgedeckte Holzbauten waren. Nur an einer noch unfertigen Stelle des heute innen und aussen beworfenen Berings verriet uns das alte Mauerwerk, das da noch roh zutage trat, mit den Einsatzlöchern der Tragebalken und der Dachschräge, das ehemalige Vorhandensein der Kammern.

 

Nordportal

der Wehrkirche

in Bonnesdorf

Genau im Norden springt auch hier, wie in Wölz, ein Torturm massig und 18 Meter hoch vor den Bering vor, der zugleich als Glcokenträger und Wehrturm dient, wie sein ausgekragter Wehrgang mit holzverschalter Brüstung besagt. An den die Toreinfahrt flankierenden Pfeilern sind die Gleitrinnen des Fallgatters zugemauert worden, die tonnengewölbte Toreinfahrt konnte auch hier versperrt werden. Heute führt an der Südwand eine hölzerne Stiege hinauf ins zweite Turmgeschoss, wo der Einstieg zu den Obergeschossen liegt, die ehemals nur über eine nachziehbare Leiter zu erklimmen waren. Über der Toreinfahrt prangt das Moldauwappen mit dem Auerochsenkopf, das wir auch über dem Nordportal erblickten; der an Dorfkirchen seltene Kielbogenabschluss dieses überhaupt elegant profilierten Portals verweist diese schöne Steinmetzarbeit in die Zeit um 1500, ebenso wie das 4 Meter hohe, sorgfältig gemeisselte Sakramenthäuschen im Chor, dessen Gesamtsilhouette an jenes von Grossprobstdorf erinnert, durch einzelne Detaillösungen der Ornamentik aber der Gruppe Wurmloch-Eibesdorf-Baassen zugehört.

 

Moldauwappen

über dem Nordportal

der Wehrkirche

Von den Fresken des einst vollständig ausgemalten Chors hat sich ein jüngst freigelegtes Fragment erhalten, das über 8 Quadratmeter zwei übereinandergestellte Bildebenen zeigt, durch einen roten Streifen waagerecht geteilt. Der obere Bildstreifen zeigt den dornigen Baum mit einigen daran aufgespiessten Vertretern der 10000 Märtyrer - eine Szene, die auch der heute im Brukenthalmuseum befindliche Grossprobstdorfer Altar schildert. Die Szene des unteren Streifens zeigt vier gekrönte Frauengestalten in einem Burggemach, durch dessen Fensteröffnungen eine Landschaft sichtbar wird, mit einer zinnengekrönten Burgmauer am Horizont. Ein Mönch in weissem Chorhemd, mit Heiligenschein, Buch und Reisestab in Händen, steht ausserhalb ders Gemachs. Strenge schwarze Konturen bestimmen in genauer Zeichnung die Gestalten, die flächige Farbe ist in Tönen von Ocker, Weinrot, Rostbraun und kontrastantem Giftgrün gehalten. Schön muss in vorreformatorischer Zeit das Freskenensemble des vollständig ausgemalten Chors gewirkt haben. Auf der grösseren, heute noch im Turm hängenden Glocke mit dem Datum 1477 steht als Inschrift ein in Siebenbürgen weitverbreitetes Stossgebet "O rex gloriae veni cum pace" - das 15. Jahrhundert verzeichnet acht grosse Türkeneinfälle im Land -, auf der kleineren Glocke steht "verbum domini manet in aeternum 1644".

 

Sakramenthäuschen,

um 1500

In ihrer architektonischen Geschlossenheit, mit unheimlich schweren, wuchtigen Formen, jedoch von schön ausgewogenen Proportionen, ist die Kirchenburg von Bonnesdorf eine der imposantesten und dank mehrfacher Restaurierungen tadellos erhalten.

Um Seiden und Bulkesch zu erreichen, verlassen wir Bonnesdorf in NW-Richtung, der Landstrasse folgend, die in die Nationalstrasse 13 A mündet. Diese durchquert Jidvei / Seiden und führt sogar an seiner ehemaligen Kirchenburg vorbei. Wir nennen diese beiden, ihres köstlichen Weines wegen oft gepriesene Dörfer auch deshalb in einem Atem, weil sie, historisch gleichsam verschwistert, die gleiche Rechtslage und gleichen Schicksale hatten.

Erstmalig wird Seiden als "Sido" (ahd. Personenname) in dem bekannten Zehnstreit zwischen den sächsischen Dekanaten und dem Weissenburger Bischof 1309 genannt, besser gesagt sein Pleban (Pfarrer) Johannes von Sido - so bestand dazumal schon eine Kirche im Ort. 1319 waren "Sithwe et Bolkach" (Seiden und Bulkesch) als untertänige Gemeinden im Besitz der mächtigen Gräfenfamilie von Talmesch. 1324 schenkt der erbenlose Nikolaus von Talmesch die Dörfer seiner Schwester Katharina von Heltau, die ihren Besitz zurückerhält. 1364 streiten vor dem Woiwodalgericht um den Besitz von Syve et Bolkach Johann von Heltau, der sie von seinem Grossvater Conrad von Talmesch geerbt haben will, aber auch Magister Konya und sein Bruder Michael, Bischof von Erlau, da ihr Vater, Woiwode Thomas, sie von König Karl geschenkt bekam.

Johann von Heltau verzichtet und bekommt zum Ausgleich Gesäss und Martinsdorf. 1366 lässt sich Peter von Bogath durch den Woiwoden von Siebenbürgen in den Besitz der zwei Dörfer einführen. 1391 streiten vor dem Woiwodalgericht die Familien Konya und Herschek von Bogath um die beiden Dörfer. 1395 besitzen der Woiwode Frank nd sein Bruder Konya Sithwe und Bukas. 1424 löste König Sigismund (der Luxemburger) die Hermannstädter Probstei auf nud schenkte ihren sämtlichen Güter der Stadt Hermannstadt, eigentlich der dortigen Marienkirche, die nun aber von der Stadt verwaltet wird. Unter vielen anderen Gütern werden auch Balkach et Sythwa aufgezählt, mit dem Vermerk, dass sie einst Nicolaus de Solga gehört hätten, diesem jedoch wegen Untreue entzogen worden seien.

Solcherart gelangten die Dörfer Seiden und Bulkesch in den Besitz der Stadt Hermannstadt - 1434 werden sie als "Untertanen der Marienkirche von Hermannstadt" bezeichnet -, die Einnahmen aus diesen Dörfern kommen vorwiegend der Kirche zugute. Doch wohnen nur zwei Drittel der Sachsen dieser Gemeinden auf dem Gebiet der königlichen Schenkung, das letzte Drittel wohnt auf Adelsgrund, der weiterhin stetig seine Besitzer wechselt, weswegen oft prozessiert wird. 1438 beansprucht sie Peter von Bogath. 1451 erwirbt Gubernator Johann von Hunyad Besitzanteile in Seiden und Bulkesch. 1453 erhalten die beiden Dörfer die Blutsgerichtsbarkeit, das heisst, die auf ihrer Gemarkung festgenommenen Mörder u.a. Verbrecher können sie mit dem Schwert (jus gladi) hinrichten. Seltsamerweise erhalten sie dieses Privileg von König Ladislaus postum, dank seiner besonderen Verehrung für die Jungfrau Maria !

1469 bestätigt König Mathias ein altes Recht der beiden Dörfer, sich in allen Rechtsangelegenheiten nach den Sachsen der Hermannstädter Provinz der Sieben Stühle zu richten. 1721 ist die Familie Bethlen Besitzer der auf Adelsgrund liegenden Teile der beiden Dörfer, die aber immer noch der Gerichtsbarkeit der Hermannstädter Provinz unterstehen. Der Landtag von 1810/11 erklärt die alte Rechtslage der Gemeinden für weiterhin gültig, doch müssten sie nun der auf Komitatsboden geltenden Gesetzgebung folgen und nicht mehr dem auf Königsboden gültigen Eigenlandrecht.

 

Kirchenburg

in Seiden

Diese ausführliche Darlegung des sozialen und rechtlichen Status der beiden uns interessierenden Dörfer will ein Streiflicht auf die verzwickten Rechtsverhältnisse der Vergangenheit Siebenbürgens werfen, die sich natürlich auch auf die Wirtschaftslage der Bauern auswirkten. Auch auf deren Möglichkeiten, einen mehr oder minder grossen kunstreich verzierten Kultbau zu errichten. Burgmauern mussten aber auch die untertänigen Gemeinden um ihre Kirchen aufrichten, um sich der häufigen Einfälle der Türken und Tataren u.a. Feinde der blühenden Provinz zu erwehren. So besass auch Seiden seine Burg mit doppeltem Bering, inmitten des Ortes gelegen, und geschickt in eine weite Krümmung der Kleinen Kokel geschmiegt, deren Steilufer ein natürliches Hindernis bildeten und die Burgmauern durch die Tiefe des Grabens höher erscheinen liessen. Am inneren Bering waren hofseitig die Vorratskammern der Bauern angebaut (ähnlich wie in Reussmarkt). 1808 wurden beide Beringe bis auf einen kleinen Rest der Aussenmauer im Süden abgetragen und aus dem Abbruchmaterial eine neue geräumige Schule gebaut. Damals dachten die Sachsen eben vor allem praktisch, der Denkmalschutz war noch nicht in Kraft getreten.

Mit den Ringmauern fiel auch ein alter Wehrturm im Norden, den ein Foto aus 1889 noch mit einer breiten Toreinfahrt und einem Stübchen darüber festhält - nun auch verschwunden, wie auch das "Alte Rathaus" der Burg. Einzig der Torturm, in dessen Einfahrt sich ein Tonnengewölbe zwischen zwei starken Bögen spannt, ist stehengeblieben. 1804 hat man den Turm renoviert, auf 45 Meter erhöht, ihm den spitzen Pyramidenhelm aufgesetzt, all seine Schiessscharten zugemauert. Die der Gemeinde zugewandte Nordfront des Turms besitzt zwei übereinander angebrachte Uhren. 1765 hat Johann Barth, Bauer aus Seiden, eine Turmuhr gebastelt, die auch einen Zeiger für die 12 Monate hatte. Die Burg wird um 1500 entstanden sein. 1540 hatte der Hermannstädter Magistrat Senator Waal nach Seiden zur Inspektion der am Turm vorgenommenen Reparaturen geschickt, worüber Protokolle existieren.

Von der alten, dem 14.Jh. entstammenden Kirche existiert heute bloss noch der Unterbau des Chores. Er hat seinen dreiseitigen Ostschluss gegen eine flache Ostwand vertauscht, trägt heute ein Kugelkalottengewölbe des 18 .Jh., bewahrt ein einziges rundbogig geschlossenes Fenster im Süden. 1797 wurde ein laggestreckter Saal neu angebaut, asymmetrisch gestaltet, durch eine am Triumphbogen angesetzte Wand, die von einer Doppelreihe von Flachbögen durchbrochen ist und solcherart ein Seitenschiff in der Nordhälfte des Saales schafft. Dieser trägt ein "böhmisches" Gewölbe - fünf Quertonnen auf Gurtbögen, eine weitere deckt die Empore des "Seitenschiffs".

Dieses bescheidene, dem sozialen Status der Geminde angemessene Kirchlein besass einen der wertvollsten siebenbürgischen Flügelaltäre, 1508 von Vincentius Cibiniensis (Vinzent dem Hermannstädter) gemalt, ein bodenständiger Maler, dem geschickt die Anfänge unserer Renaissance mit gotischer Tradition verband, von dessen Hand uns nur wenige Meisterwerke erhalten blieben.

Im 17. Jh. hat Seiden dieses Kunstwerk an die Gemeinde Taterloch weitergegeben - vielleicht wurde an der Kirche damals repariert? Der heutige Barockaltar aus 1795 zeigt als Hauptbild eine Kreuzigung - eine volkstümliche Malerei -, die einem anatomisch korrekt gezeichneten Kruzifixus Maria links in der Tracht einer Bäuerin dieser Gegend auftreten lässt: mit weisser Schürze über dem gereihten Rock, einer dunklen Jacke, in roten Stiefeln; mit einem Zipfel ihres weissen Kopftuchs wischt sie sich, in der Art der Bäuerinnen, die tränenden Augen. Hingegen trägt Maria Magdalena auf der rechten Seite einen roten Mantel über altertümlichem Gewand. Von den Glocken, mit bemerkenswert schönen Inschriften, erwähnen wir bloss die 1858 umgossene, auf der stand: "Deo soli gloria Sigismund Stundenmacher 1559", und die noch vorhandene Feuerglocke (50 cm hoch): "Gloria in excelsis Deo et in terra pax hominibus 1681".

 

Südostansicht

der Kirchenburg

in Bulkesch

Um in den Nachbarort Bálcaciu / Bulkesch zu gelangen, folgen wir noch kurz ein Stück der 13 A, um nach etwa 3 km scharf nach Süden abzubiegen. Die überaus malerische Bulkescher Kirchenburg liegt auf einer Bergnase hoch über der Gemeinde, woher breitgefasste Treppenstufen den sanften Hang zur Kirche aufsteigen. Die sonntäglich gewandete Gemeinde hier emporkommen zu sehen, versetzt einen zurück ins Mittelalter: weisse "Knüpftücher", Hemden und Schürzen von gestärktem Leinen, schwarze Röcke und Leibchen, darüber der "krause Mantol", mit Schulterbändern am Rücken festgebunden; die Männer in kurzen Pelzröcken oder langen Mänteln, die, farbig bestickt und mit rosa Leder gesäumt und verziert, fröhlich-festlich wirken; schwarze runde Hüte mit seitlich aufgebogenen breiten Krempen auf dem Haupt, so kommen sie langsam daher, seit hunderten von Jahren; seit 1547 tragen sie das Lutherische Gesangbuch in der Hand, wenn Sonntag um 10 die Glocken "zusammenläuten".

 

Wehrchor

in Bulkesch

Wie in Seiden hatte auch die Bulkescher Kirchenburg einen doppelten Bering. Der äussere ist vollständig erhalten, umzieht in weitgespanntem Kreis die Wehrkirche, mit sechs vorspringenden, mit schrägen Pultdächern versehenen Wehrtürmen. Die innere Ringmauer trug man zu Beginn des 19. Jh. ab, um aus dem unheimlich vielen Ziegelmauerwerk die Seitenschiffe einer neuen Kirche zu bauen, die 1807-1910 entstand. Es sind drei gleichhohe Schiffe, mit einem Tonnengewölbe auf Gurtbögen gedeckt, hell und geräumig, die Seitenschiffe haben Emporen und die Sitzplätze reichen für über 1000 Menschen. So volkreich war die zu Beginn des 19. Jahrhunderts blühende Gemeinde, die vorwiegend dem Weinbau ihren Wohlstand verdankt.

 

Vorspringender Pultdachturm,

nachträglich gegen

den Burghof zu verlängert

1856 baute man noch einen schlanken Glockenträger ans Westende des Saales, der im Osten den alten, unverändert beibehaltenen Chor anschliesst. Es ist ein dreigeschossiger Wehrchor, wie wir diesen Typ aus Baassen und Wölz kennen, doch ist hier der dreiseitige Ostschluss beibehalten worden, als man die mehrfach abgetreppten Eckstrebepfeiler hochführte, um als viertes Geschoss darüber den vorgekragten Wehrgang zu setzen. Von einigen Hängeböcken zwischen den Pfeilern abgestützt, ist er heute ganz mit Brettern verschalt. In den Wänden der drei Wehrgeschosse öffnen sich kleine Schlüsselscharten für Flinten, innen zu Nischen ausgeweitet, die den Büchsen als Auflager dienten. An die Osthälfte der Chornordwand grnezt die Sakristei, die hier auch drei Geschosse trägt, mit Eingängen an der Westeite. Davor spannten sich Balkenplattformen, die den Einstieg ermöglichten, Wohnräume für die Verteidiger, zum Teil auch beheizbar. Das Pultdach der Sakristeigeschosse ist bis zur Saalostwand verlängert.

 

Wehrgeschoss

über der Sakristei,

an der Chornordseite

Ein Kuriosum ist die Asymmetrie des Chorschlusses mit südlicher Achsenneigung. Zu diesem Wehrchor müssen wir uns die alte Kirche auch mit einem Wehrgeschoss über dem Saal denken, das vom westlich angrenzenden Glockenturm her zugänglich war. Zu dieser innersten Verteidigungslinie gehörten also noch ein innerer, eng um die Kirche gelegter Bering, im Osten durch einen Stundturm verstärkt - der einen Wehrgang trug und darüber ein Pyramidendach mit daraufgesetzter Galerie (ähnlich den Türmen in Radeln und Arkeden oder jenen des Burzenlands). An der Geländeform und durch Grabungen geförderten Grundmauerresten lässt sich der Verlauf des inneren Ringmauergürtels gut feststellen. Der äussere Bering schliesst heute einen sehr geräumigen Burghof ein; im Osten, wo das Gelände abschüssig ist, stützen Strebepfeiler die Burgmauer ab. Von ursprünglich sechs Mauertürmen springen heute noch fünf vor die Mauerflucht vor, tragen schräge Pultdächer und wurden im 19. Jh. alle gegen den Burghof zu verlängert.

 

Reste der innen

an der Ringmauer

angebauten Vorratskammern

Diese Zweigeschossigen Schalentürme (ursprünglich gegen den Burghof zu offen) dienten als Weinkeller, deren Eingänge übereinander in der Hofseite lagen. Dazwischen gab es die Vorratskammern der Bauern, an die Ringmauer angebaut und mit einem Pultdach versehen. Ein Wehrgang umgab die unterschiedlich (4-6 m) hohe Mauer, die Schlüsselscharten liegen in kleinen eingetieften Nischen der Ringmauer. Im Burghof steht ein grosser Brunnen mit kunstvoll geschnitztem Schöpfrad unter seinem Schindeldächlein.

 

Überbaute Einfahrt

der Kirchenburg

In der Südfront liegt die Einfahrt, ein hoher tonnengewölbter Tunnel, mit einer Burghüterstube überbaut, daneben, ostwärts anschliessend, eine Arrestzelle und einige weitere Kammern. Der mit steilem Satteldach gedeckte Rechteckbau erinnert ganz an die Einfahrt der nahen Schönberger Burg, die wir im nächsten Jahr besuchen wollen. In den an der Stirnseite dreigeschossigen Mauertürmen erkennen wir die mit einem Eichenrahmen gefassten, mit einem Drehbolzen verschliessbaren Maulscharten, in allen drei vorspringenden Turmwänden. Die beworfene Mauer leuchtet ockergelb in der Morgensonne, das Gebäude der Einfahrt ist hellblau getüncht, wie viele der Bauernhäuser; auch eine Sonnenuhr ist unter der Traufe angebracht. So entstand die Burg zu Beginn des 16 Jh. und hat viel von ihrer echten Atmosphäre bewahrt.

 

Hofseite des

Einfahrtsgebäudes

Man sollte die Weindörfer im Herbst besuchen, auch wenn die Bauern dann kaum Zeit haben, einem Rede und Antwort zu stehen. Doch ist der Himmel nur im Oktober emailblau, die Farben nie kräftiger leuchtend als in der schön schräg einfallenden Herbstsonne, und im Burggarten hängen die Pflaumenbäume voller graublauer Früchte. Wenn man sich Zeit lässt, der Stille der Jahrhunderte zu lauschen, fallen einem die reifen Nüsse ungeschüttelt in den Schoss.


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