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"Rádácinari" sind nur Männer

Klaus Fabritius und Gheorghe Brátescu


Ein Besuch bei den Kräutersammlern von Poienii de Jos

Während einer Wanderung durch das Karstgebiet in den Westkarpaten, auf dem Wege zur Bärenhöhle bei Chiscáu, oder zum Padis führt die Trasse auch an Poienii de Jos vorbei, einem Dorf, dessen Einwohner seit Generationen einen ausgefallenen Beruf ausüben. Sie sammeln Wurzeln und Kräuter und sind in ganz Rumänien als die "rádácinari" (Wunzelhändler) bekannt.

 

Grosse Sterndolde (Astrantia major).

Der Wurzeltee wird gegen Magenleiden empfohlen.

Das Dorf liegt an der Steinigen Kreisch (Crisul Pietros), einem Bach, der in die Schwarze Kreisch (Crisul Negru) mündet. Die Anfahrt erfolgt auf der Nationalstrasse DN 76 über Beius oder Stadt Dr. Petru Groza. Vom Strassenabschnitt, der diese beiden Städte verbindet, zweigt man etwa auf halbem Weg (9 km von Beius) von der Asphaltstrasse in Richtung Pietroasa ab, folgt der Strasse noch 6 km, um dann nach links abzubiegen und nach 1 km ins Dorf zu gelangen.

Vermutlich haben die Berglandschaft und der karge Boden, der für die Landwirtschaft kaum geeignet ist und nur karge Ernten abwirft, die Einwohner dazu bewogen, ihre Existenz mit dem Sammeln und Verkaufen von Heilkräutern zu bestreiten. Dokumente besagen nämlich, dass diese Beschäftigung bereits auf mehr als zwei Jahrhunderte zurückreicht, dürfte aber sicher noch viel älter sein.

 

Links: Aronstab (Arum maculatum). Frische Blätter oder Wurzeln werden auf Wunden aufgelegt.

Rechts: Engelwurz (Angelica archangelica). Der Tee aus Wurzeln wirkt appetitanregend.

Unter den Dorfbewohnern gibt es Männer, denn nur diese sammeln die Heilkräuter, die über 200 verschiedene heilbringende Pflanzenarten kennen. Der Ausschluss der Frauen von der Sammeltätigkeit geht auf eine jahrhundertealte Überlieferung zurück, wonach nur Männer magisch-religiöse Riten ausüben durften, und Heilpflanzensammeln gehört dazu. Und weil nur die Männer die heilwirkenden Kräuter kennen, ist es dabei geblieben.

 

Echtes Tausendgüldenkraut (Centaurium umbellatum).

In Schnaps mazerierte Stengel und Blütenwerden gegen Grippe mepfohlen.

Die Tradition hat auch die Sammelzeit überliefert. Verschiedene Pflanzen werden nur im Frühjahr und Herbst und an bestimmten Tagen des Jahres gesammelt, da die verschiedenen Pflanzenteile angeblich dann den höchsten Gehalt an "Heilkräften" erreichen. Pharmakologische Untersuchungen haben im allgeineinen bestätigt, dass der empirisch überlieferte Sammelzeitpunkt mit dem grösstem Gehalt an heilenden Wirkstoffen (ätherische Öle, Essenzen, Alkaloide usw.) übereinstimmt. Bemerkenswert ist auch, dass verschiedene Pflanzen nur vor Sonnenaufgang beziehungsweise nach Sonnenuntergang gesammelt werden dürfen. Dem Sammeln folgt das Trocknen der Kräuter. Es wird langsam an schattigen Stellen und nie an der prallen Sonne getrocknet, da das schnelle Trocknen die heilende Wirkung der Kräuter mindert. Dieser Arbeitsgang wird ausschliesslich von Frauen durchgeführt. Danach werden die Kräuter gesondert in Säcken verpackt und aufbewahrt.

 

Wacholder (Juniperus communis).

Tee aus den Nadeln wird gegen Nierensteine empfohlen.

Mit dieser Ware zogen dann die Männer von Markt zu Markt. Es gab kaum einen traditionellen Jahrmarkt, auch im weiteren Umkreis, auf dem die "Wurzelhändler" aus Poienii de Jos nicht anzutreffen waren. Ihre Wanderfahrten überschritten oft die Grenzen Siebenbürgens und führten sie sogar bis nach Ungarn und Österreich. Zu Beginn unseres Jahrhunderts lebten noch annähernd 100 Familien des Dorfes von dieser Beschäftigung.

 

Wilde Malve (Malva silvestris).

Frische Blätter werden auf Wunden oder Abszesse aufgelegt.

Der Ethnograph Valeriu Buturá berichtete in den dreissiger Jahren, dass die Kräutersammler aus Poienii de Jos auf allen wichtigen Jahrmärkten Rumäniens ihre Ware feilboten, sie führten stets 40 bis 50 kg sorgfältig in Säcken verpackte Heilkräuter mit sich. Die "Wurzelhändler" stellten keine Salben, Sirupe oder andere Heilpräparate her, sondern verkauften nur die Wurzeln, Blätter, Blüten odet Früchte der Heilpflanzen und berieten den Käufer auch über deren Verwendung.

Auch heute wird dieses Handwerk noch von etwa 55 Familien des Dorfes ausgeübt. Die traditionsgebundene Arbeitsteilung in der Familie wurde im allgemeinen beibehalten. So sind es auch heut die Männer, die sammeln und reisen, die Frauen befassen sich mit dem Trocknen und Aufbewahren der Kräuter und Wurzeln.

 

Keulen-Bärlapp (Lycopodium clavatum).

Stengeltee gegen Leberleiden und zum Abgewöhnen des Rauchens.

Auffallend jedoch, dass sich die Wurzelhändler nicht mehr mit den traditionell überlieferten Kenntnissen begnügen. Eine Umfrage der Ethnologin Maria Bocse ergab beispielsweise, dass sich deren Wortschatz der wissenschaftlichen Medizin angepasst hat. Wenn sie den Kunden über die Verwendung der Kräuter beraten, benützen sie Wörter wie Epidemie, Diabetes, Bronchitis, Gastritis usw., die ihren Eltern sicherlich unbekannt waren. Ausserdem werden auch wie in der modernen Heilpflanzenkunde verschiedene Mischungen von Heilkräutern angeboten.

 

Schwarzes Bilsenkraut (Hyoscyamus niger).

Im Wasser gekochte Wurzeln werden zum Inhalieren gegen Zahnweh benützt.

Sollte dem Wanderer die Zeit für einen Besuch des Dorfes der Wurzelhändler nicht ausreichen, begegnet er ihnen mit Sicherheit auf den Märkten von Oradea, Cluj-Napoca, Sibiu, Temeswar, ja sogar in Bukarest, oder in den Städten der Moldau, Suceava und Jassy, als Träger einer jahrtausendealten "Heilweisheit".

 

Links: Schwalbenwurz (Cynanchum vincetoxinum). Die in Schnaps mazerierte oder gerostete Wurzel wird gegen Bruch (Hernie) empfohlen.

Rechts: Weisse Zaunrübe (Bryonia albe). Der Wurzelstock wird gegen Rheumatismus verwendet (in Schnaps oder Alkohol mazeriert).


Dieser Artikel wurde mit ausdrücklicher Genehmigung durch die "Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien" (ADZ - Nachfolgezeitung und Rechtsnachfolger des "Neuen Weg") der Karpatenwilli-Homepage zur Verfügung gestellt!

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