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Ladenbummel durch Temeswars Vergangenheit

Franz Engelmann


Es gibt Städte, die Museen sind, sozusagen nichts anderes als Denkmäler ihrer eigenen Geschichte, die ängstlich konserviert wird in allen Fachwerkhäusern, Türmen, Bogen und Gewölben, an denen wenigstens dem Aussehen nach nichts geändert wurde seit Jahrhunderten. Natürlich, sie sind interessant, sehens-, studierens- und wohl auch liebenswert. Aber eben es sind Museen, und wenn man sich länger drinnen aufhält, fröstelt man. In Temeswar ist das anders. Diese Stadt, stets regsam und betriebsam, wollte offensichtlich nie Museum sein, und man kann sie, beziehungsweise die, die sie vor einem Vierteljahrtausend vom fernen Wien aus beherrschten, zu Recht, der Pietätlosigkeit und jeden Geschichtsbewusstseins bar zeihen, wenn man daran denkt, wie mit Spitzhacke und Schiesspulver alles wegradiert wurde, was an ihre damals immerhin schon rund fünfhundertjährige Geschichte erinnerte. Schade, jammerschade, denn es muss ein eigenartiges Amalgam gewesen sein aus Orient und Okzident, was uns das westlich gestimmte Mittelalter und die Türken aus dem 16. und 17. Jahrhundert hinterlassen haben. Vorbei ! Es blieb kein Stein davon auf dem anderen und Temeswar wurde eine moderne Stadt, so modern, wie es nicht viele gab im Europa des 18. Jahrhunderts. Als aber dann diese ,,moderne Stadt" abermals an die hundertfünfzig-zweihundert Jahre alt geworden war, da ging's ihr beinahe nochmals so, und diesmal waren es gar keine fremden Machthaber, die sie erneut ihrer Vergangenheit und ihrer Persönlichkeit berauben wollten. Es waren ihre eigenen, vom Fieber der ,,Gründerjahre" erfassten Stadtväter und (Geld-)Magnaten, die mit ihrem Stadtverbauungsplan" von vor achtzig-neunzig Jahren nicht viel weniger radikal vorgehen wollten als im 18. Jahrhundert. Zum Glück wurde nicht viel davon durchgeführt, aber dem wenigen fielen trotzdem zwei der wertvollsten Barockkirchen zum Opfer und an ihre Stelle traten – zufällig wohl ? – zwei Bankhäuser.

Dann kam eine neue Zeit und ein neues Geschichtsverhältnis, das sich auch der inzwischen schon wieder Geschichte gewordenen ,,modernen" Temeswarer Altstadt annahm. Seit Jahren, genauer gesagt mit einigen Unterbrechungen schon seit über zwei Jahrzehnten, wird langsam und beharrlich das Alte konserviert und restauriert, und wenn doch das eine oder das andere unter die Spitzhaue kam, so war's - vom Turm der Siebenbürger Kaserne abgesehen, der eigentlich hätte stehenbleiben sollen - kein pietätloses Niederreissen mehr, sondern nur das schonende Entfernen dessen, was einfach nicht mehr haltbar war. Vor allem aber: das restaurierte Alt-Temeswar sollte kein Museum werden, sondern lebendiges Glied im Stadt-Ganzen. Und alle, restlos alle wiederhergestellten Bauten wurden, unter grösstmöglicher Wahrung der Originalität, lebendigen Zwecken zugeführt, einerlei, ob nun Kulturinstitutionen darin Platz fanden oder Kaufläden und Gaststätten. So können wir Sie denn einladen zu einem richtigen Ladenbummel durch unseren ,,alt-modernen“ Temeswarer Stadtkern, wobei auch noch Zeit und Gelegenheit bleibt für 'nen Morgenkaffee, ein Mittagessen und einen Abendschoppen unter Gewölben, wo einst Kanonen standen und vor nunmehr genau hundertsechsunddreissig Jahren aus feurigen Schlünden das gehackte Blei den angreifenden Feinden entgegenspien: l849 nämlich, als die Festung Temeswar das letzte Mal belagert wurde. Dass wir unseren Rundgang dennoch gerade beim Museum beginnen, soll hier kein Widerspruch sein und wird Sie auch nicht reuen. Denn es ist immerhin sehenswert, das Schloss, das in seinen Grundmauern bis auf das Jahr 1316 zurückreicht, als Karl Robert von Anjou sich hier seinen Königssitz errichtete, und das dann im 15. Jahrhundert die Hunyadis erneut ausbauten. Dass über dem Tor die Jahreszahl MDCCCLVI, also 1856, steht, braucht Sie nicht wunderzunehmen, denn damals wurde es das letzte Mal gründlich umgebaut - zum Artilleriezeughaus nämlich. Und zwischen dem Betrachten der reichhaltigen geschichts- und naturwissenschaftlichen Sammlungen können Sie selbst an den Gebäudeteilen festzustellen versuchen, was ,,neu", also in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, entstanden ist und was in den alten Sandsteinpfeilern etwa - noch aufs ferne Mittelalter zurückgeht.

Dann geht es nordwärts über die heutige Karl-Marx-Strasse, die ehemalige Schlossgasse, bis zum alten Stadthaus, dann nach rechts durch die 9.-Mai-Strasse, die ehemalige Hauptwach- oder Sparkassengasse zum Vasile-Roaitä-, dem früheren Seminarsplatz, wo nun unser eigentlicher Ladenbummel beginnt. In der Universitätsbuchhandlung. Sie dürfen sich vorher das Angebot im Schaufenster betrachten, vorausgesetzt, dass Sie nicht von der herrlichen Umrahmung desselben – einem prächtig mit Weinlaubgeranke und einer Schlussstein-Maske behauenen Sandsteinportal des ehemaligen Bischofspalais davon abgelenkt werden. Und in den alten Gewölben werden Sie bestimmt was finden, was Sie anspricht, vielleicht sogar einen Stadtführer, falls man sich endlich zu der längst fälligen Neuauflage entschlossen hat.

Hungrig geworden? Nun, dann lädt Sie das Goldene Kücken (Puiul de aur) im ,,Haus zum Stock im Eisen" zum Gabelfrühstück ein, und falls Sie, lieber Gast, zufällig aus Wien oder Umgebung kommen, dann wird Sie der kräftige, über und über benagelte ,,Stock", der an der Hausecke steht, wie ein Gruss von zu Hause anmuten. Ansonsten aber dürfen Sie sich's schmecken lassen unter dem alten Passionsbild an der Gewölbedecke oder dem wesentlich jüngeren Wandgemälde des früh verstorbenen Banater Malers Andreas Ferch, eine feuchtfröhliche Gesellschaft von Handwerksburschen beim Benageln des Stocks im Eisen" darstellend. Zwei Ecken weiter geht es wieder nordwärts zum grössten Überbleibsel der grössten Vauban-Festung, die je auf dem Boden Rumäniens stand, das durch eine glückliche Fügung damals, als die gesamte riesige Wallanlage eingeebnet wurde, fast unberührt stehen blieb: die ehemalige Theresien-Bastion, heute kurz die ,,Bastion" genannt und jedem Temeswarer und auch allen Fremden, die einmal hier waren, ein Begriff ist. Zwar zeugt auch hier eine rüde hineingeschlagene Bresche davon, dass die Bastion bereits zum Niederreissen bestimmt war, aber dann nahm man sich des weitläufigen Bauwerks Anfang der siebziger Jahre liebevoll an: Die für die Stadt unentbehrliche Hauptverkehrsstrasse wurde durch einen fünffachen Tunnel, der nun, zwar nicht ganz stilecht, an ein Festungstor erinnert, durchgeführt, die zahllosen Kasematten unter den wuchtigen Gewölben aber alle wiederhergestellt und nutzbar gemacht.

Beginnen wir unseren Rundgang an der zweigeschossigen Westseite wieder mit einem Museumsbesuch: mit der Volkskundeabteilung des Banater Museums, dessen Hauptsitz wir ja schon drüben im Schloss kennengelernt haben, denn durchaus sehenswert als eine kraftvolle Leistungsschau der Gegenwart ist die grosse ständige Ausstellung der Wirtschaft des Kreises Temesch; im Hof der grossangelegte Ausleihdienst der Kreisbibliothek und die besonders sehenswerte Abteilung für alte und rare Bücher, in deren Sammlung auch eine Ausgabe eines Werks des berühmten mittelalterlichen späthumanistischen Kanzelredners Perbart von Temeswar ist, die nur um ein paar Jährchen zu jung ist, um noch das Prädikat eines Wiegendrucks zu tragen. Und wenn Sie des Schauens müde sind, dann bitten wir Sie zu einem Kaffee in die kleine Festungsbar, oder zu 'nem Bier oder 'nem Wein drüben in der grossen Kellerei, wo Sie dann auch gleich 'nen Tisch bestellen können für das gediegene Wildbret- oder Fischnachtmahl des Hauses. Und zwischendurch dürfen Sie auch mal beim Antiquariat vorbeischauen. Sie finden bestimmt ein kaufenswertes Buch, auch deutschsprachige sind in der Regel in einer Auswahl von an die tausend Bänden auf Lager. Durch die Palanka-Strasse - ihr Name erinnert an ein Stück Alt-Temeswar zum Domplatz, wo das Altstadterneuerungsprogramm in voller Entfaltung ist und ein Grossteil der alten Barockbauten, einschliesslich natürlich der Dom, schon wieder in alter oder auch neuer Pracht dastehen. Wenn Sie wiederkommen, dürfen Sie, wenn sich die Restaurierungsarbeiten nicht unerwartet verzögern, bereits die neueingerichtete Banater Pinakothek in dem Palais besuchen, wo vor einem Vierteljahrtausend der Banater Landesadministrationspräsident residierte. Einkaufen können Sie aber jetzt schon in den stilvoll eingerichteten alten Gewölben der schmucken Bürgerhäuser an der Nordfront: echte ,,Guban"- Schuhe, ein duftes Blumengewinde oder schräg gegenüber auch Kosmetika.

Noch ein kurzer Abstecher nach Norden, wo mitten zwischen Hochhäusern ein winziger Festungsrest steht, das einzige Überbleibsel nicht des Haupt-, sondern des nur teilweise kasemattierten ersten Aussenwalls. Temeswars bildende Künstler haben sich hier eingerichtet mit einer kleinen Kunstgewerbewerkstätte, und kaufen können Sie Raumschmuck und, falls Ihr Hobby in diese Richtung geht, Malbedarf und ähnliches. Ein weiter Bogen westwärts auf der Strasse, die im grossen ganzen dem Verlauf der ehemaligen ,,Wallgasse", also entlang der Festung, folgt, bis hinüber zu dem (Markt-)Platz, dessen Name an das 700-Jahr-Jubiläum Temeswars erinnert, wo wir ein Stückchen der ehemaligen ,,Eugeny-Bastion" finden. Den Namen hat sie natürlich nach Prinz Eugen von Savoyen, der ja die Türken aus der Stadt geworfen hatte. Dies war sozusagen das ,,Versuchskaninchen" der Temeswarer Festungsrestauratoren und wurde, zusammen mit einem heute als Lagerraum dienenden Pulvermagazin aus dem 18. Jahrhundert, als erstes neugestaltet, ehe man sich an die grosse Bastion heranwagte. Auch hier finden Sie eine urige Gaststätte, womöglich noch stimmungsvoller als die derben in der Bastion, und wenn die Sonne es besonders gut meint, können Sie Ihr Bier sogar direkt im Festungsgraben trinken.

War es nicht ein netter kleiner Laden- und Gaststättenbummel durch Temeswars Vergangenheit? Und wenn Sie sich Zeit lassen, werden Sie noch mehr der gemütlichen alten Gewölbe entdecken. Und im nächsten Jahr noch mehr. Doch wir wollen nicht vorgreifen.


Dieser Artikel wurde mit ausdrücklicher Genehmigung durch die "Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien" (ADZ - Nachfolgezeitung und Rechtsnachfolger des "Neuen Weg") der Karpatenwilli-Homepage zur Verfügung gestellt!

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