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Birthälm

und die Burgen der Nachbargemeinden

von Juliana Fabritius-Dancu


Wie wir unseren "Komm mit"-Wanderfreunden am Schluss unseres vorjährigen Bauernburgenaufsatzes versprachen, führen wir sie heuer zu den schönsten sächsischen Baudenkmälern des Kokelgebiets, deren Reihe aber auch diesmal noch lange nicht erschöpft ist.

Es ist kein Zufall, dass in Biertan / Birthälm und Mojna / Meschen die grössten Hallenkirchen des Siebenbürgischen Weinlandes stehen - in Mediasch wurde der bei uns Ende des 14. Jh. sich durchsetzende Baugedanke der gotischen Hallenkirche nur in der Südhälfte der Margaretenkirche ausgeführt (während die Nordseite das ursprüngliche niedere basilikale Seitenschiff beibehielt) -, lagen doch diese drei Orte sozusagen von ihrer Gründung an im Kampf um die Vormachtstellung im Gebiete der "Zwei Stühle" (Mediasch und Schelk). Jeder von ihnen trachtete denn auch, sein Ansehen durch einen gewaltigen, prächtig ausgestatteten Sakralbau zu heben - und es fällt tatsächlich auch dem heutigen Kunstkenner schwer, einem von ihnen den absoluten Vorzug zu geben. Die Erhebung von Mediasch zum Vorort der "Zwei Stühle" im Jahre 1552 entschied das jahrhundertelange Ringen und Streben der drei Mächte - obgleich Birthälm damals noch der grösste von ihnen war. 1532 zählte er 345 Wirte, während Mediasch nur 286 aufweisen konnte. Dass Birthälm auch wirtschaftlich stärker gewesen sein muss, beweist die Eintragung im Steuerregister des Jahres 1679, wo Mediasch mit drei "Zahlhäusern" gebucht ist, der "königlich freie Markt Birthälm" jedoch mit viereinhalb, also anderthalbmal mehr Abgaben leisten musste. Seit 1418 besass Birthälm das Wochenmarktsrecht für alle Samstage - in der Kirche stehen heute noch die Gestühle und Fahnen seiner namhaften Handwerkerzünfte.

 

Die Birthälmer Kirchenburg,

von Osten gesehen.

Von der Existenz einer Kirchenburg in Birthälm erfahren wir erstmalig durch eine Urkunde des Jahres 1468: König Mathias befreit den dritten Teil der Birthälmer Bürger von der durch das Andreanum festgelegten Heeresfolge im Kriegsfalle; ein Drittel der wehrhaften Männer darf zur Verteidigung der Kirchenburg im Heimatort verbleiben. Der innere, älteste Mauerring der Burg entstammt aber noch dem Anfang des 15. oder gar dem 14. Jh., er muss bereits die alte Marienkirche umgeben haben, die vormals an Stelle der zu Beginn des 16. Jh. errichteten stolzen Hallenkirche stand, da er zur Verhinderung eines Erdrutsches des die Kirche tragenden Plateaus unerlässlich war, wenngleich der innerste Kern des Bergkegels aus Felsgestein besteht.

Lassen wir eine Ausbuchtung an der Nordseite ausser acht, folgt der innere Bering in fast kreisförmiger Führung der Gestalt des Plateaus, gegen den Innehof zu bloss anderthalb Meter hoch, nach aussen aber 8-10 m senkrecht abfallend und durch Strebepfeiler abgestützt. Die gedeckte Holztreppe, deren 73 Stufen vom Marktplatz zur Nordseite dieses ersten, innersten Burghofes emporklimmen, entstand erst 1795. Vorher führte ein Fahrweg zum Stundenturm, dem viergeschossigen Tortum hinauf. Die in den Pfeilern des äusseren Torbogens noch vorhandenen Gleitrinnen besagen, dass die tonnengewölbte Einfahrt mit einem Fallgitter verschliessbar war. Goldgelb leuchtet der Sandstein des rohen Mauerwerks, das als fünftes Geschoss ein holzverschalter Wehrgang krönt. An den Seitenwänden des kleinen Dachaufsatzes sind die Zifferblätter der aus 1508 stammenden Uhr angebracht, die dem Turm den Namen gab.

Im NO, gegenüber der Sakristei, steht der Mausoleumsturm - so benannt, weil sein Erdgeschoss seit 1913 die Grabsteine und Gedenktafeln hier bestatteter Geistlicher vereinigt. Lebensgrosse Porträtreliefs heben sich von den Grabplatten ins Dämmer des niedrigen, gewölbten Raumes. Der älteste dieser Steine trägt ein Wappenschild mit den initialen I.O. des 1520 gestorbenen Johannes Plebanus, während dessen Amtszeit die Hallenkirche gebaut wurde, in der wir dem gleichen Wappen an mehreren Stellen begegnen werden. An der Südaussenwand steigt eine Wendeltreppe zu den beiden Obergeschossen und dem hölzernen Wehrgang hinauf. Da sie eine Schiessscharte in der Turmwand verdeckt, ist bewiesen, dass dies Treppenhaus später angebaut wurde und man ehemals über Leitern den Turm bestieg.

Folgen wir im Rundgang um die Kirche der Ringmauer weiter nach Süden, stossen wir im Südosten des Chores auf die zweigeschossige Ostbastei, ein Rechteckbau mit steilem Satteldach zwischen den Schmalfronten. Halb vor die Ringmauer vorspringend, ist der Baukörper auf zwei hohe Arkadenbogen über den Abgrund gestellt. Dem Dorfe zu öffnen sich Schiessscharten, Fensterchen und ein Rauchfang gegen den Burghof, die erkennen lassen, dass die Bastei bewohnbar war. In friedlicheren Zeiten ward sie zum Schauplatz des "Ehekrieges" bestimmt und "Gefängnis" genannt, weil man zerstrittene Eheleute hier eingesperrt hielt, die ein einziges Bett, einen Tisch, einen Stuhl, einen Teller so lange gemeinsam benützen mussten, bis sie gelobten, sich zu vertragen, und herausgelassen wurden.

 

Gegenüber dem Südportal ist am Rande des Bergplateaus der "Katholische Turm" in den Burghof gesetzt. Gleich dem "Marienturm" des Mediascher Kirchenkastells ist sein Erdgeschoss mit gut erhaltenen, wertvollen Fresken ausgemalt und diente ebenfalls als Kapelle, daher die Bezeichnung. Dem mit steinernen Kragsturzbogen überführten Eingang gegenüber sind an der Südwand zwei Szenen unverkennbar abendländischer Prägung gemalt: Mariae Verkündigung und die Anbetung der hl. drei Könige. Hingegen ist das "Jüngste Gericht" an der Westwand nach dem Kompositionsschema der für die rumänische Fresken- und Ikonenmalerei charakteristischen byzantinisch-orthodoxen Fassung des Themas gestaltet. Nur im Zuge, den ein Engel zur Paradiespforte geleitet, schreiten katholische Prälaten und Bürger in weltlichen Gewändern. Auch die Kostüme der Heiligen weisen als Entstehungszeit der Fresken auf abendländische Mode des frühen 15. Jh. hin. Das bemalte Deckengewölbe ist nur in jüngster Zeit durchbrochen worden, die beiden darüberliegenden Wehrgeschosse und der Wehrgang waren über nachziehbare Leitern zugänglich. "Das alte Rathaus", ein dreigeschossiger, mit Pultdach gedeckter Torturm im NW, entstand erst nach Errichtung des zweiten, tiefer unten den Berghang umgürtenden Mauerringes, was die aus Ziegeln gefügten Querwände beweisen, die auf hohen Torbogenarkaden zischen den beiden steinernen Ringmauern gestellt sind.

Am südlichen Torbogen ragen auf einer Seite noch die Steinhaken hervor, auf der anderen ist eine Gleitrinne in die Mauer eingetieft - beide Vorrichtungen dienen zur Befstigung des Fallgitters, das als zweites Tor den Zutritt zum zweiten Burghof versperrte. Dieser umzieht in weitem Kreise den Innenring mit seiner 7-8 m hohen Mauer, gegen die sich von aussen in dichter Folge Strebepfeiler stemmen, um den Seitenschub des eingeschlossenen Erdreichs auszugleichen.

Die Entstehung des zweiten Mauergürtels und des Rathausturmes fällt ins 16. Jh.. Von letzterem bis zu dem am Fusse des Berges aufgestellten dritten Torturms der Burg, dem Speckturm, führt ein enger Schacht zwischen der von sieben Ziegelbogen überspannten Doppelmauer hinunter. Entlang der äusseren Mauer lief in diesem Abschnitt ein Wehrgang, von dem aus die eigentümlich gestalteten Schiessscharten zur Verteidigung der Westfront bedient wurden. In die dickwandigen Nischen sind je zwei eng aneinandergeschobene Steinplatten eingesetzt, deren jede einen halbkreisförmigen Ausschnitt aufweist, der beim Zusammensetzen der Platten ein kreisrundes Schiessloch ergibt. Diese Schiessscharten wechseln mit Pechnasen ab, deren abgestufte Überdachung als plastischer Schmuck die glatte Mauerfläche belebt. Den gesamten Südteil der zweiten Ringmauer umgibt ein Festigungsgürtel weitgespannter Ziegelbogen über Stützpfeilern. Ebenfalls zur Ausgleichung des im Südostsektor besonders starken Seitendrucks der Erdmassen ist auch zwischen Ostbastei und Katholischem Turm am Innenring eine Bogenreihe entlanggeführt. Die beiden in verschiedener Höhe den Berghang säumenden Bogenreihen verleihen der Südostansicht der Burg besonderen malerischen Reiz.

 

Südansicht der

Birthälmer Burg

Eine dritte Wehrmauer umfängt den West-Süd und Ostsektor der Kirchenburg. Zwei quergestellte Trennungsmauern scheiden den eingeschlossenen Raum in drei verschiedene Höfe. Nur durch die Strassenbreite vom Bachbett getrennt, das ein weiteres natürliches Hindernis bildet, wird der Südhof von einem vierten, dreigeschossigen Torturm geschützt.

Im NW-Eck der Burg lag eine weitere Bastei, die mit dem einstigen "Arrest"einen dem Marktplatz zugekehrten Wehrkomplex bildete. Die ehemaligen Kerkerzellen sind 1840 zur Burghüterwohnung ausgebaut, die Bastei ist 1783/84 zum Bau der Mädchenschule abgetragen worden. Grundmauerreste, die vom Westhof quer über die Strasse führen, ebenso im Süden, am Bachufer aufgedeckt wurden, deuten an, dass die Kirchenburg früher noch geräumiger gewesen ist. Eine vor dem Westhof, in der Mitte der "Pech" genannten Strasse liegender, heute zugeschütteter Brunnen war ehemals sicherlich auch von der Ringmauer umschlossen. Trotz ihres dreifacheen Mauergürtels wurde die Burg 1704 im Schutze der Nacht von Kurutzen erstürmt, die Sakristei ausgeplündert, das kostbare Kultgerät und unersetzliche Urkunden verschleppt, die Bischofsgrüfte nach Schätzen durchwühlt.

Birthälm besass die in ihrer ursprünglichen Form weitläufigste und stärkste Burganlage des Weinlandes, der sich auch die zwischen 1490 und 1524 erbaute Hallenkirche anpasst. Unverhätnismässig breit und hoch wirken die drei Hallen, deren Länge der geringen OW-Ausdehnung des Bergplateaus wegen nur 22 m misst, gegenüber dem 18 m langen, schmalen Chor, dessen Umfassungsmauern, bis zur Fensterhöhe, vielleicht noch vom vorhergehenden Kirchenbau beibehalten wurden. Auch liegt sein Rautengewölbe 3 m tiefer als das aus feinen Tonrippen gebildete Sternnetzgewölbe der Hallen, das von drei oktogonalen Pfeilerpaaren getragen wird. Bemerkenswert ist das gänzliche Fehlen der Schlusssteine. Die übermässige Höhe der Hallen trägt ihrer Lage auf dem Bergkegel Rechnung und ist auf die Wirkung des vom Tale her gesehenen Gesamtbildes der Burg bedacht. Fein ausgeführt ist das spätgotische Masswerk der fünf dreigeteilten Fenster im Chor, mit Vierpass- und Fischblasenmotiven über den Kleeblattbögen. In der Nordwand des lichtdurchfluteten Chores öffnet sich die berühmte Sakristeitür im steingemeisselten Türstock, dessen gekreuztes Stabwerk noch der Spätgotik angehört, während das gezahnte Gesimse darüber schon auf den Übergang zum Renaissancestil hinweist. Die mit minuziöser Einlegearbeit verzierte Eichentüre trägt neben dem Wappen des Plebans Johannes die Jahreszahl 1515. Das kunstvollste aber ist ihr riesiges Schloss und die durch eine Kurbel betätigte Hebelvorrichtung, mittels derer sich an drei Seiten breite Eisenbänder gabelartig vor die Türe schieben lassen, das Öffnen vom Chor aus unmöglich machen. Seiner seltenen Vorzüge halber schickte man denn auch dies Prachtstück siebenbürgischen Kunsthandwerks zur Pariser Weltausstellung von 1900. Die mit einem Rippengewölbe überspannte Sakristei besitzt ein Obergeschoss, zu dem an der Ostwand eine Wendeltreppe im aussen angebauten Treppentürmchen emporführt, obgleich es nie als Kultraum benützt worden sein kann, wie das roh zutage tretende, nicht mit Fussboden belegte Gewölbe erkennen lässt.

 

Schloss der Birthälmer

Sakristeitür

Einen weiteren Anhaltspunkt zur Datierung des Sakralbaus bilden die über dem von gotischen Stabwerk umrahmten, zweitürigen Westportal angebrachten Wappenschilder Wladislaus II., 1490-1516 und Johann Zapolyas, des siebenbürgischen Wojewoden. Über diesem Haupteingang sind noch zwei Schlusssteine der alten Marienkirche in Gestlat der Schwurhand - des Mediascher Stuhlswappens - und des Halbmonds mit Sternen eingesetzt. Die einander gegenübergestellten Portale des Nord- und Südeinganges sind bereits ganz in Renaissanceformen verziert: rechteckige, mit einem rankengeschmückten Ornamentband eingefasste Türstöcke, von mehrfach abgetreppten Gesimsen überhöht. Am Westende beider Längskirchenwände steigen in oktogonalen Türmchen Wendetreppen zu den Emporen und dem Kirchendachboden empor.

Zu den wertvollsten Steinmetzarbeiten des Interieurs gehört vor allem die Kanzel am ersten Südpfeiler, dessen Umwandung neben spätgotischem Masswerk auch drei Szenen in Hochrelief zeigt: Ölberggebet, Kreuzigung und als bedeutendste "Die Prophezeiung´Simons". In den porträtähnlich gestalteten, verinnerlichten Zügen des Propheten vermutet man das Bildnis des Plebans Johannes, der auch als Stifter der Arbeit verzeichnet ist. Dem Steinmetz Ulrich aus Brasov, der 1523 in Birthälm belegt ist, wird das Werk mutmasslich zugesprochen; er wäre hier als Übermittler von Stilcharakteristiken polnischer Werke der Veit-Stoss-Schule anzusehen - wie etwa der neutral gehaltene, rauhgemeisselte Hintergrund ohne jedes Landschaftselement. Im Chor steht ein kelchförmiges Taufbecken, um dessen Cuppa sich ein Lilienfries schlingt, den wir in ähnlicher Ausführung vom Kirtscher Portalrisalit her kennen und an der Vorhalle des Hermannstädter Südportals wiederfinden. Analogien, die nicht ohne Bedeutung sind, sondern Verbindungen zwischen den Bauten ahnen lassen.

Der Birthälmer Chor beherbergt nicht allein den grössten siebenbürgischen Flügelaltar mit 28 vorreformatorischen Bildtafeln, sondern auch den - nächst dem Mediascher Altar - schönsten und wertvollsten. Der Mittelteil, die 12 Tafeln des Marienlebens der geöffneten Festtagsseite und die Heiligenfiguren mit den runden gesichtern voll Anmut auf der Aussenseite der Flügel, stammt von einem Schüler des "Schottenmeisters", des berühmtesten Wiener Malers der zweiten Hälfte des 15. Jh. - wie Prof. H. Krasser in seiner eingehenden Studie nachwies. Das Vollendungsjahr 1483 ist auf dem aufgeschlagenen Buch geschrieben, das einer der Priester in der Tempelszene hochhält (mittlere Tafel der geöffneten rechten Seite, unten). Nach der Erhöhung und Neueinwölbung des Chores passte man den Altar den neuen Raumverhältnissen an, indem man ihm die Predella und eine Bekrönung hinzufügte, die aus 1515 von zwei verschiedenen Malern stammen. Das Aufsatztriptychon mit einer allegorischen Kreuzigung als Mittelbild gehört noch der Gotik an, während die "Heilige Sippe" auf den sieben Tafeln der ebenfalls mit beweglichen Flügeln ausgestatteten Predella in reiche Renaissancegewänder gekleidet ist. Auf den Seitenzwickeln der Predella begegnen wir zum drittenmal den Initialen des Plebans Johannes neben der Jahreszahl 1515.

Einem anderen Schüler der Werkstatt des Schottenmeisters ist der Mediascher und Grossprobstdorfer Altar (heute Brukenthalmuseum) zugesprochen. Das sehr ähnliche Gespränge am Bogeschdorfer und Schaaser Altar, die, 1518 und 1520 datiert, zeitlich zu dem Rahmen des Birthälmer Altars passen, weist die drei Stücke als eine aus der gleichen Werkstatt hervorgegangene Gruppe aus. Intarsien mit dem Turm- und Sarkophagmotiv und herrliche Flachreliefschnitzereien schmücken die Gestühle des Schässburger Meisters Johannes Reychmut im Chor und Langhaus, Datierungen von 1514 bis 1524 aufweisend. Zahlreiche Zunftgestühle mit insignien und Wappen, Zunft- und Bruderschaftsfahnen, kostbare anatolische Teppiche - darunter einige mit dem berühmten Vogelkopfmotiv - bereichern den eindrucksvollen Innenraum.

 

Blick in den äusseren Burghof,

auf den Speckturm und die

verstärkte Bogenreihe des zweiten

Mauergürtels.

Birthälm bildete nicht nur als grösster Marktflecken der Gegend, sondern auch räumlich den Mittelpunkt jener umliegenden Gemeinden, die wir heuer besuchen wollen. 10 km südlich, im gleichen Seitental der Grossen Kokel bachaufwärts, liegt Richis / Reichesdorf, das diese Bezeichnung ebensogut dem Reichtum seiner Bewohner verdanken könnte als dem althochdeutschen Personennamen "Richwin" - von der sie sich tatsächlich herleitet -, denn es wetteiferte seit altersher in wirtschaftlicher Hinsicht mit Birthälm, obgleich seine Einwohnerzahl nicht einmal halb so gross war! 1532 - also 80 Jahre nach der Erbauung seiner so prächtig ausgestatteten Kirche - zählte Reichesdorf 152 Wirte, gegenüberBirthälm, das damals mit 345 Höfen im Ortsverzeichnis der "Zwei Stühle" eingetragen war. Auch hier wie im ganzen Kokelgebiet bildete der Weinbau die Haupteinnahmequelle, was uns schon die sanftgeneigten Südhänge der Hügelkette sagen, die das enge Tal begleiten. Ausgedehnte Laubwälder mit reichem Wildbestand krönen die Bergkuppen, Rehe, Hasen, die vor dem Auto über den Weg setzen, sind keine Seltenheit. Scheuer sind schon die unzähligen Wildschweine; die kommen erst hervor, wenn auf den Feldern im Tale das "türkische Korn" reift - wie man hier den Mais nennt.

Die Reichesdorfer Kirchenburg liegt zu ebener Erde inmitten des Dorfes, daher umgab ein entsprechend hoher, einfacher Mauerring mit einem westlich vor die Kirche gestellten Tor- und Glockenturm die dreischiffige Basilika. Im SO an der in ein malerisches Seitental mündenden Strasse ragt der einzige noch erhaltene Wehrturm auf, mit dekorativ gestalteten Gusslöchern und Schiessscharten unter seinem Pultdach, an der hocherhobenen Stirnfront. Er stand gewiss über einem ehemaligen Eingang in die Burg, wie auch die zugemauerte Rundbogenöffnung seiner in die Ringmauer einbezogenen Nordfront andeutet. Führt im Norden die Wehrmauer sehr nah an der Kirche entlang, ist der Südteil des Burghofs so geräumig, dass hier "das alte Rathaus", ein Wohnturm und Bergfried PLatz fand, wo in Belagerungszeiten der Pfarrer hauste, im Frieden Schule gehalten wurde. 1907 fungierte es noch im Grundbuch und verschwand wohl 1910 mitsamt dem Nordostabschnitt der Ringmauer. Ihr südlicher Teil, zwischen dem einzig stehenden Wehrturme und dem Glockenträger im Westen, wurde 1888 bis auf 2 m Höhe abgetragen - man brauchte die Steine eben zum Neubau der Schule.

 

Letzter Wehrturm der Burg

in Richis / Reichesdorf

Man verstand sich den Erfordernissen des Tages anzupassen: Waren Türken und Tataren im Anzug, so musste im 15. Jh. zum Schutze des Leibes und Lebens die Burg gebaut werden; als man sie in den friedlicheren Zeiten des 19. Jh. entbehren konnte, wurde manch altehrwürdiger Zeuge der blutigen und wechselvollen Geschichte Seibenbürgens dem Fortschritt geopfert. Man baute aus dem Abbruchmaterial der Wehrmauern und -türme die neue grössere Schule, den Gemeindesaal. Wo die alten Türme stehenbleiben durften, hatten sie meist auch eine praktische Funktion übernommen: Nirgend reift der zu Recht so berühmte Speck so herrlich aus wie in dem kühlen, luftigen, vielhundertjährigen Steingemäuer. Hier erscheint aber der Verlust der einst mit Wehrgang und Schiessscharten versehenen Mauer nicht so schmerzlich; liegt nun die Basilika mit ihren kaltweiss getünchten Wänden und den hochroten Pultdächern der Seitenschiffe weithin sichtbar vor dem mit dunklen Föhren bestandenen Friedhofshügel.

 

Hauptchor und Nebenchöre

der Basilika von

Richis / Reichesdorf

1451 steht als Vollendungsjahr des Baudenkmals in einer Inschrift über dem Triumphbogen und auf der die Schwurhand eines Mittelschiffschlusssteins umgebenden Philaktere. Begonnen wurde der Bau jedoch schon in der zweiten Hälfte des 14. Jh. wie sämtliche, noch der Hochgotik angehörenden Stilelemente beweisen. Seine Eigentümlichkeit in der Reihe sächsischer Basiliken bilden die beiden, den Hauptchor flankierenden Nebenchöre, in Fortsetzung der Seitenschiffe, mit denen sie anfangs in Verbindung standen. Ihr Vorhandensein erinnert an den Anlageplan der Michaelskirche in Cluj-Napoca. Noch während der spätgotischen Bauperiode wurden die Nebenchöre von den Seitenschiffen durch Trennungswände geschieden, wie der rechteckige oben mit einem Kragsturzbogen abschliessende Steintürstock in der Querwand des Südchors beweist. Eine Sakramentnische in der Südwand dieses Raumes deutet auf seine Verwendung als Kapelle hin, während im Nordchor eine piscina - eine Ausgussnische für den übriggebliebenen Abendmahlswein, der in der Mauer versickert - darauf schliessen lässt, dass der Raum schon in vorreformatorischer Zeit als Sakristei diente. Dies beweist auch der spitzbogige, gotische Steintürstock des Sakristeieingangs in der Nordwand des Hauptchors. Die darin eingesetzte Lindenholztüre mit der gleichen kunstvollen Einlegearbeit wie jene an der Birthälmer Sakristeitür ist nur um ein Jahr später datiert als diese und hat unter der Jahreszahl das Reichesdorfer Wappen aufgemalt: den mit dem Schnabel einen Fisch aus dem Wasser ziehenden Reiher. Auch das Schloss gleicht in etwas bescheidener Ausführung jenem von Birthälm, an den freistehenden Ende mit den gleichen Drachenköpfen verziert.

Fünf Paar Arkadenbögen verbinden Mittel- und Seitenschiffe, vier davon schliessen spitzbogig ab, das fünfte an den Triumphbogen anschliessende Paar ist beinahe halbrund geschlossen und entspricht einem nahezu quadratischen Gewölbejoch, das dazu bestimmt war, einen Turm zu tragen, der aber nie ausgeführt wurde. Darauf weisen auch die massiven oktogonalen Pfeiler hin, die das Joch tragen, sie sind durch breite Wandvorlagen und bis auf den Boden herabgezogene Gurtbögen verstärkt. Alle drei Schiffe sowie Haupt- und nebenchöre tragen Kreuzgewölbe, deren steinerne Diagonalrippen sich in runden, reliefgeschückten Schlusssteinen treffen, während die Gurtbögen Wappenschilder tragen: Kein zweiter ländlicher Sakralbau Siebenbürgens ist so reich an kunstvoll gemeisselten Schlusssteinen verschiedenster Thematik und Komposition. Die des Langhauses und der Nebenchöre haben auch farbliche Fassung, während die Schlusssteine des Chores unbemalt bleiben. Der von Blattwerk umgebene, seine Jungen mit dem Blute seiner Brust nährende Pelikan, über dem rechteckigen Joch des Chores, gehört mit der Bewegtheit seiner naturalistisch gestalteten Formen der Hochgotik an, wogegen das figurale Relief über dem Chorabschluss, in der streng symmetrischen, straffen Linienführung paralleler Gewandfalten noch rein romanisch anmutet. Von vegetalen zu zoomorphen und figürlichen Kompositionen, von symbolhafter Interpretation zu rein dekorativer Auffassung , zeugen die 25 Schlusssteine der Basilika vom Ideenreichtum und Formenschatz sächsischer Steinmetzen.

 
Pfeilergesimse und Rippenkonsole im Nordwestteil der Basilika.   Schlussstein mit Peikanmotiv, aus dem Chor.

Es scheint, als hätten die Reichesdorfer, die ihrer Basilika im Äusseren nicht die imponierende Wirkung des Birthälmer Monumentalbaus verleihen konnten, letzteren wenigstens in der Innenausstattung übertreffen wollen - was ihnen zweifellos gelungen ist! Vielfalt und Reichhaltigkeit der Schlusssteine wiederholt sich auch in den Konsolen, von denen die Dienste der Gewölberippen aufsteigen. Pfeiler und Gurtbögen sind an den Kämpferpunkten von Kapitellfriesen und Gesimsen umgeben, in denen spätgotisches Blattwerk mit Masken und Tierformen abwechselt, alle der Natur abgelauscht, von höchster Bewegtheit, die dennoch nicht unruhig wirkt! Jeder Bewegung entspricht sogleich eine Gegenbewegung, die wellenartig oder züngelnden Flammen gleich, das ganze Kapitellfries durchläuft. Brombeerblattranken, Weinreben, Sonnenblumenketten, tiefausgelappte, weichwellige Blätter, welkendem Laube gleich, winden sich die Pfeiler, die Kapitelle des Westportals - alle dem gleichen Dekorationsgedanken unterworfen, der sich zur Aufgabe stellt, dem starren Stein die Bewegung des wirklichen Lebens mitzuteilen. So faszinierend reichhaltig ist dieser plastische Schmuck, dass er stunden-, ja tagelang vom Blick des Beschauers nachgezeichnet werden kann, ohne ihn zu ermüden. Es geht eine unerhörte Dynamik von diesen steinernen Ornamenten aus, die uns etwas vom Lebensgefühl jener Zeit nahebringen, den einzigartigen Elan nachempfinden lassen, der die Schöpfer dieser Plastik beseelte.

 

Schlussstein des Südseitenschiffs;

Wappenschild mit Steinmetzzeichen

Mehrere Meister waren hier am Werk, einer von ihnen war unzweifelhaft auch in Hermannstadt tätig; hier wie dort gibt es eine steinerne Kanzel, deren schier indentischer "Predigtstuhl" in der Reichesdorfer Sakristei und der "Ferula" der Hermannstädter Stadtpfarrkirche steht, während die Baldachine beider Kanzeln unversehrt heute noch jeweils am zweiten Pfeiler der Nordseite im Mittelschiff angebracht sind. Bisher war die Hermannstädter Kanzel als einzige in Siebenbürgen bekannt, deren Baldachin erahlten ist; ihr Reichesdorfer gegenstück - ja man könnte ruhig Duplikat sagen - ist eine Entdeckung unserer vorjährigen Forschungsreise. Da die Kanzeln nicht nach Fertigstellung des Baus eingefügt werden konnten, bietet das Vollendungsjahr 1451 für Reichesdorf ein Datum ante quem für die Herstellungszeit beider Stücke. Wertvollste Steinmetzarbeit ist auch die Umrahmung der Sakramentnische im Chor, in dessen Ziergiebel sich das symbolische Pelikanmotiv wiederholt, Gleichnis der Selbstaufopferung.

Das bedeutendste Werk besitzt Reichesdorf aber im Hauptportfal der Basilika, dessen reichgegliederte Archivolte, von feinen Fialen flankiert, in einem Risalit der Westfront vorgelagert ist. Die ungemein akkurate des ganzen Gewändes, der Kapitellfriese, der eigenartigen in betontem Relief hervortretenden Kreuzigungsgruppe des Bogenfeldes weisen die Arbeit einem einzigen Meister zu, den wir uns aus Böhmen oder Polen zugewandert denken müssen, da er den Dekorationsstil der Prager Parler-Bauhütte nach Siebenbürgen übermittelte. Das Neuartige, Bedeutende des Lünettenreliefs besteht in der deutlichen Tendenz, die Szene so realistisch wie nur möglich zu schildern, auch hier die äussere und innere Bewegung des Lebens in Haltung, Gestik, Mimik sichtbar zu machen. Das Geschehen soll so packend erzählt sein, dass der Beschauer sich gegenwärtig an den Ort der Handlung versetzt fühlt. Es ist dies ein von Böhmen ausgehender Stil, der auch eine Reihe von Werken siebenbürgischer Plastik geprägt hat. Besonders schön ist die Gewandbearbeitung. Die Vertikalachse der Komposition bildet das Kruzifix; der schmerzlich bewegten Gruppe trauernder Frauen, zu der auch Johannes gehört, ist auf der anderen Seite des Kreuzes eine Gruppe von drei in ihrer aufrechten Haltung unbeteiligt erscheinenden Reitern gegenübergestellt, zur Wahrung der Kompositionssymmetrie und der Betonung des Kontrastes: Schmerz - Gleichgültigkeit.

 

Westfront der Basilika von

Richis / Reichesdorf

Nicht unerwähnt dürfen drei übereinanderliegende Emporen im Westende des Mittelschiffs bleiben. Die ursprüngliche ist die Mittlere, wie der Schlussstein ihres Gewölbes beweisst, der jenen des Mittelschiffs gleicht. Darüber errichtete man 1735 das hölzerne "Purscheglater". Beide Emporen sind über die ausgetretenen Steinstufen der im Treppentürmchen am Südwestende der Kirche aufsteigenden Wendeltreppe zugänglich. Ende des 18. Jh. wurde die dritte Empore unterhalb der ersten eingebaut, zur Aufstellung des "pneumatischen organums" aus 1788. Damals dachte man bereits nur noch praktisch; die Störung der harmonischen Raumverhältnisse war den Besitzern der neuen Orgel gleichgültig. Allerdings wirkt ihr Prospekt mit edler Barokschnitzerei in grün-goldener Farbfassung ausserordentlich vornehm. Reichesdorf besitzt die am reichsten mit architektonischer PLastik ausgestattete sächsische Dorfkirche.

Bloss 2,5 km sind´s von Birthälm nach Grosskopisch / Copsa Mare, ein gemütlicher Spaziergang über den Berg durch alten Eichenwald. Hier befinden wir uns in einem der berühmten Jagdreviere Siebenbürgens, wo vorwiegend Wildschweine und Rotwild hausen. Im Grosskopischer Tal gelangt man bachaufwärts zu einer schmucken Jagdhütte, wo auch Leute aufgenommen werden, die nicht dem edlen Weidwerk huldigen.

 

Nordansicht der Bauernburg von

Copsa Mare / Grosskopisch

Von altersher (also noch geraume Weite vor der ersten urkundlichen Erwähnung aus 1283), war "Capus" / Grosskopisch eine freie Gemeinde der "Zwei Stühle" im Mediascher Kapitel, und gar eine reiche! Es besass den ausgedehntesten Hattert Umgegend, die sich von der Grossen Kokel bis zum Harbachtal erstreckte, zugleich auch die grössten Weingärten. Wie überall im Weinland, wo die Kirche an den Osthang der das Tal begrenzenden Hügelkette gebaut ist, musste auch in Grosskopisch der am höchsten gelegene, östliche Teil der Kirche, der Chor, zur Verteidigung ausgebaut werden und überragt oft den Westturm. (Ähnlich hatten wir es auch in Bussad, "Komm mit 74", angetroffen.)

 

Chor mit Wehrgeschoss von

Copsa Mare / Grosskopisch

Ostansicht

Die ursprünglich dreischiffige Pfeilerbasilika, deren Westturm von den Seitenschiffen flankiert war, ist wieder eines jener Baudenkmäler, dessen Entwicklung und heutige Gestalt einschneidend vom Lauf der Geschichte beeinflusst wurde. Der in wirtschaftlichem Aufstieg begriffene Ort erfreute sich seit 1455 des Jahrmarktrechts am Bartholomäustag und durfte alle Montag Wochenmarkt halten. Als die Birthälmer ihre "Gralsburg" zu bauen begannen, wollten die Grosskopischer wohl nicht hinter ihnen "zurückstehen", und so beschloss man, die eigene Kirche auch zu vergrössern, und begann mit der Errichtung eines neuen, weit geräumigeren Chores, den man weiter nach Osten, zwei Meter in den Berg hinein vorrückte - das Fundament reicht zusätzlich vier Meter tiefer! -, um genügend Platz für ein verlängertes Langhaus zu gewinnen. Es ist eine getreue, wenn auch bescheidenere Kopie des Birthälmer Chores, mit vier, hier allerdings nur zweigeteilten Spitzbogenfenstern, die gleiches und sehr ähnliches Masswerk zeigen wie die Birthälmer Vorbilder. Auch die Sakristei ist mit dem gleichen, feinnervigen Rautengewölbe gedeckt, hat auch hier ein Obergeschoss, zu dem im SW-Eck eine Wendeltreppe im runden Türmchen aufsteigt. Auf dem steinernen Renaissancetürstock steht unter dem gezahnten Gesimse: PLAS (plebanus) LAZAR D.D. 1519 PREERAT (ist vorgestanden). 1515 war laut Sakristeitürjahreszahl der Birthälmer Chor vollendet. Wir sehen beide Chöre als Werke der gleichen Bauhütte an, zumal sie zeitlich und räumlich so nahe beieinanderliegen.

1526 setzte die Schlacht von Mohacs der grossangelegten Bautätigkeit ein Ende. Auch Siebenbürgen unter türkischer Oberhoheit musste beträchtliche Abgaben leisten; man sah von der geplanten Vergrösserung des Kopischer Langhauses ab; nun stand aber der neue Chor drei meter vom alten Langhaus entfernt. Um beide Bauteile zu verbinden, setzte man an den auch wesentlich verbreiterten Chor, in Verlängerung der alten Seitenschiffe, zwei schmale Baukörper mit quergestelltem Tonnengewölbe an. Freilich ragte nun der neue steinerne Triumphbogen über die alte, flache Mittelschiffdecke hinaus in den Dachstuhl und erscheint vom Schiff aus gesehen wie abgeschnitten. Zur besseren Verteidigung der Kirche setzte man bei der Wehrbarmachung ein Geschoss mit Schiessscharten über das Mittelschiff, brach die beiden Seitenschiffe ab, vermauerte ihre gegen das Hauptschiff geöffneten Arkaden sowie jene der Turmvorhalle. Man verkleinerte das Westportal, setzte dem Turm den hölzernen "Überlader" (Wehrgang) auf und sein heutiges Pyramidendach. Nun standen nach Entfernung der Seitenschiffe die beiden Verbindungsbauten zwischen Chor und Schiff wie die Arme eines Kreuzschiffs vor - für ein solches wurden sie früher auch fälschlich angesehen. Seitlich der Turmwestfassade liess man Reste der Seitenschiffmauern stehen, die pfeilerartig den Turm stützen.

Plan der Basilika von Copsa Mare / Grosskopisch

1795/99 ersetzte ein Tonnengewölbe mit Stichkappen die Holzdecke über dem Mittelschiff, dessen alte Obergaden und Deckenbalken über dem Ziegelgewölbe mit Dachstuhl noch sichtbar sind. 1802 erlitt der Bau Erdbebenschäden, die aber erst 1830 behoben wurden, als man, der wachsenden Einwohnerzahl Rechnung tragend, die Osthälfte der Seitenschiffe wieder aufbaute und die Arkaden zum Mittelschiff öffnete. Im Westteil wurden sie aber nicht wieder den Turm entlanggeführt, war doch eine Westempore für die Orgel eingebaut worden, die solches verhinderte. Es ist interessant, die Rätsel, die der Kirchenbau beim ersten Anblick aufgibt, durch näheres "logisches" Betrachten zu lösen.

Anfang des 16. Jh. legte man auch den nahezu rechteckigen, hohen Mauergürtel aus Bruchstein um die Kirche. Im NO springt noch ein zweigeschossiger Wehrturm mit Pultdach und Pechnasen vor die Mauer vor, im SW stand ein gleicher. Die Einfahrt lag in der Westfront, was die noch vorhandenen Gleitrinnen eines Falltores deutlich machen. Die Westbastei ist zur Burghüterwohnung ausgebaut. In zusammenhängender Kette umstanden die Vorratskammern der Bauern den Burghof, als Rückwand die Ringmauer benützend. Heute sind sie sämtlich abgetragen - man kann Speck und Korn ruhig zu Hause halten.

Ebenfalls im Grosskopischer Tal liegt, wenige Kilometer nordwärts, die Gemeinde Waldhütten / Valchid, die ihr erstes Auftauchen im Licht der Geschichte der Plünderung Rauthals / Roandola und Neudorfs / Noul Sasesc durch sächsische Gräfen verdankt: 1345 verhörte man die Waldhüttner in diesem Prozess. "Wald-Hütten", mögen es wohl damals gewesen sein - heute ist der Wald zurückgetreten, hat die Berghänge dem Acker- und Weinbau überlassen und säumt nur noch die Gipfel der Höhenzüge. Die "Hütten" sind einer stattlichen Ziegelarchitektur gewichen, fränkische Spitzgiebel oder Krüppelwalmdächer wechseln mit runden Torbogen im Strassenzuge ab. Eine Burg wie aus einem Märchenbilderbuch liegt mitten im Dorf, im NW so eng von Hügeln umstanden, dass man unschwer von oben in den Burghof hineinsehen kann - doch damals herrschte noch allenthalben der Wald - man sah die hohen Mauern wohl erst, wenn man im Tale dicht davorstand.

 

Nordwestansicht der Bauernburg von

Valchid / Waldhütten

Ein Ablassbrief, den Papst Bonifatius 1390 der "Pfarrkirche der Apostel Andreas in Valtudia Transsilvaniensis diocesis" erteilte, meinte vielleicht noch nicht die heutige turmlose spätgotische Saalkirche. Mit ihrem unendlich steilen Satteldach über dem geschwärzten, spitzen Westgiebel, mit ihren von dreifach abgetreppten Strebepfeilern umstandenen weissgekalkten Wänden wirkt sie wie ein gotischer Reliquienschrein, der von vier Wehrtürmen umringt, die einander in den zwischen ihnen gespannten Mauern wie reigentanzende Kinder die Hände zu reichen scheinen. Der Bau lässt sich schwer den Denkmälern der Umgebung eingliedern. Die auf der Südchorwand angeschriebene Jahreszahl 1507 mag sich auf die Einwölbung des Chores mit einem Rautennetz von schlanken Tonrippen beziehen. Der Saal trug bis zum 19. Jh. die in dieser Gegend übliche flache Balkendecke.

 

Westportal der Saalkirche von

Valchid / Waldhütten

Die Nordseite ist lichtlos, die Spitzbogen der schmalen Südfenster haben ihr Masswerk verloren, nur das Ostfenster des Chores und das im Westgiebel gelegene haben noch steingemeisselte Kleeblattbogen mit Vierpässen darüber. Das alles bietet keinen Anhaltspunkt zur Datierung. Doch da steht in der schmalen Westfront ein Portal, dessen vollendete Eleganz und schwungvolle Linienführung uns sehr bekannt anmutet: ein hochgezogener, in einer Kreuzblume auslaufender Kielbogen, von zwei schlanken Fialen flankiert - das Dekorationsschema des Westportals (1448) der Hermannstädter Stadtpfarrkirche! Allerdings - am Waldhüttener Portal kreuzen sich die runden Profilstäbe des Gewändes im Bogenscheitel, während sie sich drüben zum einfachen Spitzbogen schliessen. Unter dem Scheitelpunkt hängt ein steinernes Wappenschild mit einem Steinmetzzeichen - oder sollte es die Jahreszahl 1441 darstellen? - wissen wir doch, dass der gotische Vierer wie der halbe Achter aussah! Wir nehmen letztres an - ein Meisterzeichen durfte nicht so augenfällig, ja protzig, angebracht werden! Die Beziehung zur Hermannstädter Bauhütte aus der Mitte des 15. Jh. wird an mehreren Monumenten der nächsten Umgebung offenbar: Reichesdorf, Meschen, Hetzeldorf. Wie immer - glücklich der Meister, dem es gegeben war, mit solcher Gebärde die Jahrhunderte zu überdauern! Umso erstaunlicher, ja erschütternd wirkt der anmutige Schwung, der harmonische Fluss der Lichter und Schatten zwischen dem zarten Stabwerk dieses Türrahmens, als es so unerwartet auf der mächtigen, eintönig-grauschwarzen Steinfläche der Westfront hervortritt, rings nur vom hohen, rotbraunen Sandsteinmauerwerk der Wehrbauten umgeben.

 

Tortürmchen über dem

Fussgängereingang der

Waldhüttner Burg

Vom Anfang des 16. Jh. stammt die Kirchenburg, deren 8-10 m hohe, einfache Wehrmauer ein perffektes Rechteck bilden würde, wäre nicht im SW ein Eck abgeschnitten - die Mauer hineingerückt - um sich dem Lauf des Wassergrabens anzupassen - heute ein bescheidenes Rinnsal, ehemals ein beachtliches Hindernis vor dem Feind. Während sonst bei rechteckiger Führung der Wehrmauer die Türme meist die vier Ecken verstärken, stehen sie hier genau im Zentrum der vier Seiten, vor die Mauer vorspringend, nach innen zu bloss 20 cm hineingerückt; die Erdgeschosse sind meist gewölbt, die oberen Stockwerke durch Balkenplattformen getrennt, mit Schiessscharten bewährt. Der mächtige Ostturm and er Strasse wacht über die Toreinfahrt. Zwischen zwei starken Bogen mit 2,5 m dicken Mauern spannt sich ein Kreuzgewölbe. Der Einstieg zu den Wehrgeschossen erfolgt heute durch einen seitlichen Aufgang, vormals nur durch die Öffnung in der Westfront, über den Wehrgang, der den ganzen Mauergürtel umzog und auch an den Türmen entlang geführt war.

Ungeheure Steinmassen sind zum Bau dieser Burg herbeigefahren worden. Sicher stammen sie aus dem "Lapesch" (Lapus) genannten Tal, um das die Nachbargemeinden Grosskopisch, Malmkrog, Neudorf, mehrere Jahrhunderte stritten, und das bald der einen, bald der anderen zugesprochen oder zwischen ihnen geteilt wurde. Jedenfalls brachte man dorther für alle Monumentalbauten der Umgebung den rotbraunen Sandstein. Im Gegensatz zum sechsgeschossigen Ostturm, den ein holzverschalter Wehrgang krönt, sind Nor- und Westturm nur fünfgeschossig - den Südturm brachte das Erdbeben von 1916 zum Einsturz; er war der einzige, dessen Obergeschoss ein Kranz von Gusslöchern umgab. Das kleine Türmchen über dem Fussgängereingang im SW steht unmittelbar vor dem Bach. Über dem gewölbten Durchlass ist in der Westwand immer noch die "Feste Rolle" angebracht, über die das Seil lief, das die vor den Turm über den bach gelegte Brücke hochzog und vor den Eingang stellte. Sinnreich steht unter dem rot und blau bemalten Traufengesimse die Inschrift: "Gehet ein durch die enge Pforte, denn die Pforte ist enge und der Weg ist schmal, der zum Leben führet."

Gräbt man im NO-Eck der Waldhüttner Burg auch nur einen Spatenstich tief, stösst man auf Gebeine und Schädel, die hier in ein Massengrab gelegt worden sein mögen. Solche Bestattungsstätten innerhalb sächsischer Kirchenburgen lassen meist auf eine Seuche, häufiger noch auf ein Massaker schliessen, dem eine grössere Menschenmenge zum Opfer fiel. Ein solches mag auch im Mai des Jahes 1605 stattgefunden haben, als während des Bürgerkrieges Truppen des siebenbürgischen Fürsten Stefan Botschkai, eines Gegeners des Hauses Habsburg, nicht nur Waldhütten, sondern auch Grosskopisch, Reichesdorf, Scharosch niederbrannten und die Kirchenburgen ausplünderten.

Folgen wir von Scharosch der Asphaltstrasse westwärts bis zum nächsten südlich abbiegenden Landweg, finden wir im Nachbartal das kleine Tobsdorf / Dupus, das sich 1268 noch "Tobiasdorf" und 1359 ville Tobiae schrieb, seinen Namen also einem Schutzpatron verdankt. Auch von Birthälm aus ist es zu Fuss in einem Spaziergang über den Berg zu erreichen. Eine sieben Meter hohe Ringmauer umgab im Fünfeck die inmitten des Dorfes stehende Kirche; 1901 hat man sie abgetragen, um mit dem Baumaterial die alte, baufällige Schule zu ersetzen. Nun bietet sich die kleine turmlose Saalkirche dem Blicke frei dar. Von Osten gesehen meinen wir die Zwillingsschwester der Klosdorfer Wehrkirche (Komm mit 72, S.10) vor uns zu haben: Chor und Saal von gleicher Breite, von Strebepfeilern umstellt, zwischen denen sich flache Bögen spannen, die das Wehrgeschoss tragen und in ihrem Schatten die Gussscharten verbergen. Charakteristisch auch der steinerne Wulst, der als Gesimse das mit Schlüsselschiessscharten versehene Wehrgeschoss umzieht. Ein einziger Dachstuhl deckt den einheitlich hohen Bau. Die Klosdorfer Wehrkirche wurde laut inschrift 1524 von Maurermeister Stephanus Ungar aus Schässburg vollendet. Und tatsächlich: An der Westwand, hinter der Orgel, steht auch in Tobsdorf: "1524 Renovatu ac fortificatum / hoc Templum / Alemon(y)u(s) parti(e)m past(orem)..."

Von NW betrachtet, gleicht die Tobsdorfer Wehrkirche jener in Bussd / Boz bei Mühlbach / Sebes (Komm mit-Besitzer schlagen nach: Band 1971, S.191) - hier wie dort ist die Westwand ganz eben und ungegliedert, trägt einen Spitzgiebel. Im NW-Eck führt ein Treppentürmchen mit Wendeltreppe ins Wehrgeschoss hinauf - interessant, denn am Bussder Chorgewölbe steht: "Alte Zahl 1523" angeschrieben! Wir schreiben alle drei Wehrbauten dem gleichen Architekten zu, dem ersten in Siebenbürgen übrigens, der sein Werk namentlich unterzeichnete. Wie aber bei aller Ähnlichkeit doch jede siebenbürgische Wehrkirche ihre Eigenheit besitzt, steht in Tobsdorf dicht an der glatten Westwand ein winziger, hübscher Glockenträger angebaut, 1902 errichtet, nachdem der alte, höhere Turm 1725 umgefallen war. Drei vorreformatorische Glocken hängen noch da - sie bezeugen, dass es vor der heutigen auch eine ältere Kirche gegeben haben muss. Die Grosse trägt die wohlbekannte Invocation: "o rex gloriae Ihesu Christe veni cum pace"; die Mittlere ist 1491 datiert, ebenso die Kleine, auf der zwischen zwei Schnurornamenten zu lesen ist: "tempore domini Josephii magister Caspar fecit" - also hat ein Meister Kaspar sie während der Amtszeit von Pfarrer Joseph gegossen.

 

Dupus / Tobsdorf

Wehrkirche von SW gesehen

Während der Chor sein Stichkappengewölbe mit einem Sternnetz aus Tonrippen behielt, wurden letztere am Saalgewölbe abgeschlagen, ihre Spuren aber mit Farbe nachgezogen. Das Kircheninnere hat einige Schmuckstücke aufzuweisen! Das ist die Sakramentnische in der Nordchorwand, mit der sauber gemeisselten Umrahmung des gleichen Meisters, der jene ganz ähnlichen in Wurmloch, in Eibesdorf (1491), in Baassen (1504) schuf: der gleiche Kielbogen mit dem Schmerzensmann darin wölbt sich über der Nische (Baassener Sakramentnische: Komm mit 75, S. 176). Kleine Abweichungen gibt es auch hier, die seitlichen Säulen tragen in Tobsdorf Blattkapitelle, im Gegensatz zu den aus Rebranken gebildeten in den anderen Kirchen. Auf der Eichentüre der Sakristei steht 1610 eingekerbt, damals wohl baute man diesen raum an die Nordchorwand. Den rechteckigen Renaissancetürstock, von geraden Stäben umrahmt, die am unteren Ende nach innen zu abbiegen, finden wir in gleicher Ausführung auch an der Scharoscher Sakristei. Prachtvolles Gestühl mit den für die Werkstatt des Meister Johannes Reychmut kennzeichnenden Intarsien, 1537 datiert, steht im Chor; auf der Westempore ein entzückendes Orgelprospekt, bäuerliche Barockschnitzerei in festlich-fröhlicher Farbfassung: Gold, Silber, Blau und Rot. Das ganze Werk ist von unvergleichlichem Schwung und Elan beseelt, der sich einem unwillkürlich mitteilt, an den triumphierenden Jubel Händelscher concerti grossi erinnernd. Eine ornamentale Inschrift besagt: "Erbaut durch Georg Wachsmann, 1731". (In Reussen steht ein Altar, dessen barocken Rahmen der gleiche Meister schuf.)

Das Glanzstück aber ist der 1522 datierte Doppelflügelaltar, der die Hand vier verschiedener Meister erkennen lässt. Am schönsten: die Grablegung der Predulla, unverkennbar von italienischer Renaissance beeinflusst, wie schon die perspektivisch gesehenen Heiligenscheine beweisen. Bei geschlossenem Schrein zeigt die Werktagsseite acht Passionsbilder eines in Böhmen oder Süddeutschland geschulten Meisters; Hochinteressant sind hier die in den Landschafthintergrund gestellten Kirchenburgen, die mit Mauern und Türmen bewehrten Standsilhouetten. Im Auferstehungsbild meinen wir die Birthälmer Burg zu erkennen! Weniger wertvoll, durch Übermalung beeinträchtigt, sind die Bilder der geöffneten innenseite - einmalig hierzulande aber durch die Gegenüberstellung von Alt- und Neutestamentarischen Szenen. Der Schrein enthält ein geschnitztes Kruzifix. Ein vierter Meister schuf den Rahmen und setzte die heterogenen Teile zusammen. Die spätgotische Flügelbemalung erinnert in der Manier an die Bilder des Altars von Tartlau / Prejmer. Jedenfalls ist der Tobsdorfer Altar ein wenig bekanntes Meisterwerk, das noch seiner kunstgeschichtlichen Wertung harrt.

Orte, Bauten, Dinge haben gleich den Lebewesen ihr Schicksal; selten ein glückliches - meist nicht das ihnen zugedachte, sondern ein von Zufällen bestimmtes. Zum Schutz und Trutz von den Bauern errichtet, haben die siebenbürgischen Wehrbauten manch blutigen Kampf gesehen. Heute blühen im Schutze der Mauern friedlich besonnte Gärten, der Stolz des Burghüters, der immer noch seines Amtes waltet, wenn er auch nicht mehr mit dem Ruf der Sturmglocke das Herannahen des Feindes meldet, sondern freundlich die Touristen empfängt, die hier einem Stück lebendigen Mittelalters begegnen, treten sie ins kühle Dämmer der Basilika, oder steigen in die Türme hinauf - man muss nur lernen, die Vergangenheit an den Steinen abzulesen.

Aquarelle und Zeichnungen: die Verfasserin

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