Der ,,Heitere Friedhof" (cimitir vesel) von Sápânta

Fotos: Wilhelm Scherz


cimitir = Friedhof ... vesel = lustig, fröhlich, froh, heiter ... Wie passen ausgerechnet diese Worte zusammen, wird sich jeder Europäer wohl fragen und es sind eben nur die Maramureser, jenes rumänische Völkchen einer hartnäckigen Kulturenclave, die darauf eine Antwort haben. Die Antwort freilich ist nicht ein Satz und auch kein Aufsatz, sondern Ausdruck einer allumfassenden Lebensweise, welche mit der Geburt ihren Anfang nimmt und mit dem Tod endet. Gleich welcher Altersphase findet sich der Maramureser stets begleitet von Sitten und Bräuchen, welche immer auch mit der rumänischen Orthodoxie und gar mancher Abergläubigkeit verknüpft scheinen. Hinzu kommt ein hier aussergewöhnlich vorherrschenes Potential an Ironie, welches wohl letztendlich ausschlaggebend für diese künstlerische "Evolution" und auch deren nachfolgende Akzeptanz sein mag.

Die Kirche ...

... welche sich auf dem Friedhof von Sápânta befindet, stammt aus dem Jahre 1886.

Stan Ion Pátras ...

... der alte Meister, welcher von 1935 bis 1977 all die Grabkreuze herstellte und 1977 verstarb, findet natürlich ebenfalls seine Ruhestätte.


In die Maramures gelangt man nur über Bergpässe und beinahe immer begegnet man dabei unmittelbar oder wenig später der Maramureser Volkskunst. Fährt man auf der -19- über den westlich gelegenen Huta Pass (587 m), so sind es nur noch etwas über 20 km bis zum "Heiteren Friedhof" in Sápânta. Fährt man auf der -18-, von Baia Mare kommend, über den 987 m hohen Gutâi-Pass, so folgen im sich anschliesenden Mara-Tal zahlreiche der alten Maramureser Holzkirchen. Fährt man auf der -17 C- über den 825 m hohen Setref-Pass, so gelangt man zur dortigen Cabana Pas Vârful Setref, die dem berühmten Maramureser Volkssänger Pátru Birlea gehört und der dort zumeist auch seinen "Wirtsdienst" verrichtet und wo man auch seine erste Maramureser Nacht verbringen kann. Fährt man auf der -18- über den östlich gelegenen, 1416 m hohen Prislop-Pass, so kommt man an dem Wurzelmuseum (muzeul rádácinilor) des Holzkünstlers Grec Stefan ebenfalls kaum vorbei. ... Wie auch immer, das Objekt volkskünstlicher Begierde beschäftigt sich auf dieser Seite speziell mit dem "Heiteren Friedhof" von Sápânta, obwohl Sápânta auch über andere Besuchsziele verfügt, wie z.B. dem jüdischen Friedhof von Sápânta und der jüngst errichteten Holzkirche traditioneller Bauweise von Mânástirea Sápânta, die momentan wohl das höchste Holzkunstbauwerk der Maramures darstellt. Wer von Baia Mare kommend über den Gutâi-Pass nach Sápânta anreisen will, der fahre zunächst bis Sighetu Marmatiei. Von dort sind es auf der -19- nur noch 18 km bis Sápânta.

Die geschnitzen und anschliessend bemalten Motive der Grabkreuze zeigen das einfache Leben der Menschen in der Maramures in allen Bereichen hier vorherrschender Tradition und Moderne. Das eine und andere Motiv erlebt man "leibhaftig" bereits wenige Meter vor dem Friedhof, wie z.B. arbeitende Frauen an Webstühlen, die an Gutwettertagen draussen auf der Strasse ihre schönen Teppiche und Decken fertigen. Das ganze natürlich mit einem bäuerlich-geschäftstüchtigen Hintergrund! Als Auszug sei hier der Text des rechten, der drei oberen Grabkreuze aufgeführt:

Seit meiner Kindheit
mein Name war
und viele haben mich mit Spitzname "Chirut" gerufen
denn es hat mir die Geige gefallen
Du sollst einmal den Bogen über die Geige ziehen
Wenn ich gehe von diesem Leben, ich werd es nie mehr sehen
Es war meine Geige
und sie war gebaut wie sie mir gefällt
damit ich die Sonntage feiere
und ich sag euch geliebte Freunde
wenn ihr die Gläser zusammenstosst
ihr sollt trinken und feiern, euch wohlfühlen auf ein Glas
Denn auch ihre werdet einmal hier her kommen
... verstorben mit 35 Jahren im Jahre 1985

 

Manch Grabkreuz als "Moralapostel"!

Hier liegt der junge Mihai, Sohn des Mihai Nacaz. Er fuhr eines Tages wieder mit seinem neuen Auto umher. Den Rat seiner Eltern, vorsichtig und nicht zu schnell zu fahren, beherzigte der junge Mann jedoch nicht und so kam es wie es kommen musste, im Jahre 1993 fand sein Leben bei einem Verkehrsunfall bei Comuna Sarasau ein frühes Ende. Mihai verstarb mit 20 Jahren und appelliert nun an die Menschen, mehr auf die Eltern zu hören.

 

Grabinschrift:

Hier ruhe ich
und heiße Stan Mihai
habe ein Monat gerlernt
um Tischler zu werden
an den Maschinen und Sägewerk
Das war meine Freude
Ich hab nicht lange Freude daran gehabt
der Tod hat mich jung erwischt
an einem Tag im August
und ich hatte ein kurzes Leben
.....?... ........... ..........
das schöne Leben das ich bei Euch hatte
und es war schlecht, daß ich Euch geärgert habe ...

 

Natürlich kommt man in der Maramures um das Thema Alkohol ...

... auch auf dem "Heiteren Friedhof" nicht umhin. Lobet sich der eine, dass er immer den besten Tropfen des Dorfes brannte, so befindet der andere, immer einen guten Tropfen verkauft und nie gepanscht zu haben.

 

Das Grab von "Stetánuta"

Hier ruhe ich
Stetánuta mein Name
Was ich in meinem Leben so liebte
war das ich viel gesponnen und gewebt habe
Mein Mann
Du bist früh gestorben
und hast mich als Witwe hinterlassen
und wir hatten keine Kinder
Das hat mich traurig gemacht
Die Frau unseres Neffen, Ileana
hat sich viel um mich gekümmert
und gar schön hat sie mich für die Beerdigung zubereitet
und das Kreuz mir auf das Grab gestellt
... 86 Jahre gelebt, gestorben 1985


Patricharchat oder Matriarchat ???

Bei den Darstellungen der Verstorbenen und den teilweise ironischen Anmerkungen auf diese, gibt es keine Unterschiede zwischen Frau und Mann. Alle werden gleichermassen in ihrer "Aufgabenteilung" gewürdigt und man weiss dabei wohl zu trennen, dass Sünde und Schande nicht nur zum Sinnbild eines Geschlecht´s stilisiert wird. Die hier beinahe auffällige "Neutralität" gegenüber den Geschlechtern lässt erkennen, wie gross die Achtung vor Mann und Frau ist, gleich welche Aufgaben ihnen zuerkannt wurden.


 

ca. 800 Kreuze ...

... befinden sich auf dem "Heiteren Friedhof" von Sápânta

...

 

...

und hinter den letzten Kreuzen ...

... ist das Areal des Friedhof´s längst erweitert worden.

 

Aus dem Jahre 1941, ...

... einer Zeit unter ungarischer Okkupation, stammt dieses Grabkreuz mit folgender Inschrift:

1941 - Ich habe gelebt 58 Jahre.
Weh mir, ich bin schlecht verstorben
Saulic Ion meine Name
im Garten in Belmezáu
mit den Schafen war ich, welche gegrast
uns nahte sich ein schlechter Ungar
hat mir geschossen in den Kopf
den Kopf vom Körper abgetrennt
und so mich in das Grab gebracht
er sei für immer verflucht ...

 

Ein ganz normales Leben!

Hier liege ich, der Verstorbene
Namens Turda Ion Ciorbu
In meiner Kindheit
kränkelte ich viel, so erging es mir
doch später habe ich viel gearbeitet
und auch viel hab ich geraucht
6 Kinder hab ich gezeugt
und eine Leben geführt mit Gott
...


Das Anwesen des alten und neuen Meisters ...

Im Bild zu sehen: Das Haus des 1977 verstorbenen Meisters Ion Stan Pátras. Es beherbergt heute weitere Werke des alten Künstlers, zu denen manch eine Kuriosität zählt. Links des alten Gebäudes befindet sich das Haus des neuen Meisters. Das Anwesen des alten und neuen Meisters befindet sich unweit des "Heiteren Friedhofs", etwa 500 Meter entfernt.

 

Der Eingang zum Hof ...

ist allein schon sehr interessant!

 

Bevor man den Hof des Meisters betritt ...

... lohnt ein Blick auf den Giebel des Hauses.

 

Der Alte

Stan Ion Pátras. Seine Schaffenszeit erstreckte sich von 1935 bis 1977. Die riesige steinerne Büste befindet sich mitten auf dem Hof. Im Hintergrund sieht man das Haus des neuen Meisters Dumitru Pop.

 

Alte Kreuze ...

... werden zunächst, so sie in vielen Jahren der Verwitterung Schaden genommen haben, zum Hof des Meisters zurückgeführt. Teils werden sie nach und nach restauriert oder gar komplett erneuert.

 

Stillleben ...

... auf dem Hof des Meisters!

 

Der Neue

Dumitru Pop hat die Nachfolge des 1977 verstorbenen Stan Ion Pátras angetreten und wirkt nun wohl bis zu seinem eigenen Tode hier in alter Tradition.

 

Im Zimmer des Alten

Im Zimmer des alten, verstorbenen Meisters Stan Ion Pátras befinden sich einige alte Einrichtungsgegenstände und vielerlei weitere Kunstwerke mitunter kurioser Art.

 

Nicht nur Grabkreuze ...

... hat Stan Ion Pátras geschnitzt, sondern auch diese wunderschönen Stühle wurden von ihm bearbeitet.

 

An den Wänden ...

... befinden sich viele Portraitarbeiten und die wohl "berühmtesten" mögen die der Ceausescu´s sein.

...

und die Moral von der Geschicht, lass Dich schnitzen vor dem Tode nicht!

...

 

...

Und mit der Politik ...

... ist das Kunstschaffen hier noch nicht am Ende, auch eine Portraitsammlung des einstigen Zentralkomitees der Sozialistischen Partei Rumäniens findet man hier. Ein kurioses Schmankerl für manch einen Historiker!

 

Ein Selbstbildnis ...

... von Stan Ion Pátras, bei seinem allerersten Auftragswerk im Jahre 1935.


Noch einmal zurück zum ,,Heiteren Friedhof"!

Selbst wenn man keine Rumänisch kann, ...

... ist allein die bildliche Darstellungskunst auf den Kreuzen sehr interessant auf aufschlussreich. Freilich aber ist es ideal mit jemanden hier zu verweilen, der den einen und anderen Text mal zu übersetzen instande ist. Wer da z.B. bei Familie Iurca in der Maramures zu Gast ist, wird diesen Vorteil wohl geniessen können. George Iurca kann Übersetzungen in Deutsch, Englisch und Französisch realisieren und anschliessend den Gast zu den real existierenden Traditionen des Landes begleiten.


 

Noch einmal zurück zum Friedhof, ...

... die Schönheiten der Schnitz- und Malkunst bewundernd.

 

Auf diesem Kreuz steht sinngemäss:

Hier ruhe ich
Holdis Toader - mein Name
... habe gelebt auf dieser Erde
viel gearbeitet für das Gemeinwohl
für Notar und Sekretär (Beamte)
und Vorschriften durchgesetzt im Dorf
war vor vielen (Türen ..?) .. im Dorf
und dem Staat habe ich geholfen
all dies muss ich lassen
nach 53 Jahren

Das Bild zeigt die andere Seite ...

... des Mannes, der als Beamter die Bürger wie kleine Kinder mit stets erhobenen Zeigefinger behandelt hat.

 

Ohne Worte!

Noroc!

 

Stan Grigore ...

... Sein Leben galt den Pferden!

 

Die Geige gestrichen und den Schnaps gereicht, ...

... wer bereits einmal die Maramures bereist hat, wird mit diesen Emotionen umzugehen wissen und auch schon ein bischen verstehen, zwischen den Zeilen der Grabinschriften zu lesen :-))) ! Und wer die Maramures noch nicht bereist hat, wird ahnen, dass ihm einiges bisher im Leben entgangen ist ...

... Îmi pare ráu!

 

Es dauert nicht mehr lang, ...

... im Jahre 2004 soll eine eigene Webseite über Sápânta im Netz erscheinen, von der Gemeinde Sápânta initiiert. Wenn es so weit ist, dann wird an dieser Stelle natürlich ein Link darauf zu finden sein!

 

Empfehlung!

Wer nach all den Bildern noch weitere Eindrücke über den "Heiteren Friedhof" von Sápânta wünscht, der sei eingeladen zu einem Bericht von Wolfgang Kohrt:

Friedhof der Fröhlichen Leute

... und ein Bericht von Walther Konschitzky:

Der lustige Friedhof

 

Vor dem Eingang zum Friedhof ...

... sitzt oft diese alte Bäuerin mit ihrem Webstuhl und fertigt die "Cergá", eine der traditionellen dicken Decken aus Schafwolle. Nach der Revolution hatten die Bäuerinnen ihr Sortiment für kurze Zeit umgestellt. Knallige und bunte Farben prägten die oft neuen Muster der Decken. Die Toursiten aber wollten eher das Traditionelle und so dauerte es kaum zwei Jahre, bis die schlauen Bäuerinnen ihr Sortiment der Nachfrage anpassten. So gesehen hat sich hier der Tourismus als Behüter alter Traditionen erwiesen. Möge auch künftig das Bedürfnis der Touristen an den alt-bäuerlichen Kulturen einen grossen Einfluss auf die Bewahrung dieser haben!


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