Südkarpaten im September 2012 / Teil 2

Bericht und Fotos: Wilhelm Scherz


 

Muntii Lotrului

Unsere Tage in Masivul Cozia und Brezoi waren vorbei und nun hiess es den Ranzen geschnürt, für die Bergwanderung über die Muntii Lotrului. ... Da wir uns bereits in Brezoi befanden, lag nichts näher, als sich eine Anmarschroute zum Hauptkamm von hier aus zu suchen. Die Wahl fiel dabei auf den Einstieg bei Valea lui Stan unmittelbar hinter Brezoi. Wir haben es uns nicht leicht gemacht, handelte es sich bei diesen lang gezogenen süd-östlichen Ausläufern doch um die längsten und abgeschiedendsten Aufstiegsrouten in die Muntii Lotrului.


Die Muntii Lotrului (Lautergebirge / Muntii Steflesti), im Westen beginnend bei Pasul  Tartarau (dem direkten Übergang in die Muntii Sureanu), verlaufen in östlicher Richtung und enden nach ca. 53 km Luftlinie unmittelbar am Olt-Fluss. Im Osten wird das Gebirge durch das Frumoasa-Tal - Saua Steflesti - und Sadu-Tal begrenzt, sowie im gesamten südlichen Verlauf durch das Lotru-Tal. Während der Gebirgscharakter im Westen als schlichtes Kammgebirge verläuft, so fächert sich dieser ab dem Voinesita-Gipfel auf. Ein Gebirgskamm verläuft nordöstlich über den Prejba-Rücken in Richtung Talmacel. Ein weiterer Kamm verläuft direkt  in östlicher Richtung über die Bergzüge Sterpul und Coasta Caineni direkt bis zum Olt. Während die nord-südliche Ausdehnung des Lotru-Gebirges im Westen etwa 10 km beträgt, so sind es im Osten zwischen Sadu und Brezoi bis 35 km. 

Im gesamten Gebiet der Muntii Lotrului gibt es auf den Höhen der Berge nur eine einzige Wanderhütte nahe des Vf. Prejba. Ansonsten gibt es hier keinerlei touristische Infrastruktur. Dies, sowie die Tatsache, dass es keinen durchgehenden Wirtschaftsweg auf dem Hauptkamm gibt, garantiert dem Bergwanderer Ruhe und Abgeschiedenheit. Die Gesamtausdehnung des weitgehend kristallinen Gebirges beträgt ca. 1190 km². 



Wir starten

... bei Valea lui Stan. Nur wenige Meter das Tal hinein, zweigt links eine alte Markierung -blaues Band- ab und steigt stetig bergan. Da wir für die komplette Tour über Lotru und Cindrel Lebensmittel mitführen, ist das Gewicht unserer Rucksäcke entsprechend. Wir kommen nur langsam voran - zumal ein sonnig-warmes Klima herrscht. Der Aufstieg führt vorbei an wunderschönen kleinen Sennhütten und auf einer ersten Hochweidefläche bieten sich Weitblicke auf Brezoi und das sich in der Ferne erhebende Cozia-Massiv.

Stana

Wir erreichen die erste Hirtenhütte unterhalb Pleasa Brezoi auf knapp 1200 m. 

Nahe einer weiteren Hirtenhütte

... bei Pietrosita (1285 m) finden wir etwas tiefer gelegen eine Quelle. Hans füllt seine Wasservorräte auf, während ich ja noch 2,5 l Bier im Gepäck habe :-) !!! Wir geniessen die Aussichten auf das Lotru-Tal und die dicht bewaldeten Abhänge der gegenüber aufsteigenden Muntii Capatanii.

Ein Schwenk

... nach rechts und wir blicken auf die Abhänge der Muntii Lotrului. Hier müssen wir rechts abzweigen, um nicht irrtümlicherweise ans Ende des Pietrosita-Plateaus zu gelangen. ... Markierungen finden wir hier keine mehr. 

Eine Biegung

... haben wir verpasst und gelangen zunächst ein Stück bergab in ein beginnendes Waldtal. Von einigen Waldarbeitern erfahren wir, dass wir hier falsch sind. Es ist schon spät  und ich "verliere" mein letztes Bier in mir! Also wieder ein Stück bergauf und einen weit am Berghang geschwungenen Waldweg gefolgt. Die Dämmerung bricht herein und an einer Wasserstelle frischen wir noch unsere Vorräte auf. Wenig später kommen wir aus den Wald heraus und erklimmen im wirklich letzten Tageslicht noch eine steile Bergwiese bis die Dunkelheit hereinbricht. Wie steil wir hier bei Plesa Oii (1188 m) zelten, sahen wir erst am nächsten Morgen! 

Nahe Vf. Pietrosul

Unter uns verläuft das Pascoaia-Tal, gegenüber sieht man weitere, sich unendlich hinziehende Seitenkämme, welche alle nach rechts hinauf zum Hauptkamm des Lotru-Gebirges führen. Unser Weg von Plesa Oii bis Vf. Pietrosul (1441 m) führte mitunter durch einen malerischen Wald uralter knorriger Buchen. Leider waren wir zu sehr mit dem Fortkommen befasst und verzichteten auf unnötige Fotopausen - was ich im Nachhinein sehr bedaure!

Am frühen Nachmittag

... erreichen wir nahe Vf. Robu (1899 m) den Bergrücken Murgas und stossen hier auf eine Markierung -rotes Band-. Diese Strecke beginnt direkt am Olt zwischen den Dörfern Robesti und Balota. Bei Robesti gibt es eine Haltestelle der Bahnstrecke durch das Olttal. ... Wir errichten hier unsere Zelte unter der bereits tief stehenden Sonne. In der Ferne sieht man den Lotru-Hauptkamm. 

Nur noch ein kurzes Stück

... bis zum Hauptkamm. Hier machen wir einige Male halt und essen uns an den üppigen Blaubeerbeständen satt. In der Ferne erhebt sich bereits der Stanisoara-Bergrücken (1971 m). 

Pause

... bei Vf. Pircalabul (1960 m). Im Hintergrund sieht man bereits den Vf. Sterpului.  

Unter einem Felsvorsprung

... auf dem Vf. Sterpului (2147 m) suchen wir Schutz vor Wind und leichten Nieselregen. Ein Wetterwechsel kündigt sich an. In nordwestlicher Richtung, ein klein wenig abseits unserer Route, sah man einen hellen Fleck auf der Hochweide. Ein Blick durch´s Tele klärte auf: Eine neue Hirtenhütte. Ja gibt´s denn so was heute noch?! 

Auf dem Weg

... vom Vf. Sterpului über Cocacii (2008 m) und Voineagul Catanesei (1960 m) nahm der Regen zu und Nebel kam auf. Da sich das Wetter zusehends verschlechterte, fiel unsere Wahl auf die neue Hirtenhütte. Kurz vor Voinesita mussten wir nach rechts schwenken, aber wohin genau in dem dichten Nebel? Wir hatten Glück und stiessen auf eine Schafherde. Die Hirten begleiteten uns ein Stück des Wegs und gingen dann weiter zu ihrer tiefer gelegenen Hütte. Wir indes hatten unser neues Domizil erreicht  und richteten uns häuslich ein. Entsprechend unseres Arbeitsteilungsprinzips machte Hans Feuer und ich holte Wasser von einer nicht weit entfernten Quelle, was im Nebel nicht so ganz einfach war. Hans hingegen hatte direkt vor der neu erbauten Hütte noch reichlich Schnittholzreste. In der Nacht wurde ich wach. Draussen ging ein Schneesturm ab und Hans war damit beschäftigt, in der nicht ganz dichten Hütte seine Zelthülle als Überdach einzurichten. Am nächsten Morgen blickten wir nach draussen und staunten nicht schlecht: Schnee und dicke Nebelsuppe! Es bedurfte keiner Diskussion zwischen uns: Wir blieben hier - hatten wir doch alles um es uns gut gehen zu lassen :-) ...

Hans als Feuermacher

... entwickelte eine neue Form des Schwedenfeuer-Prinzips. In die vorhandene Glut stellte er drei Rundhölzer hochkant zusammen und dann war unser kleiner und effizienter Brennofen fertig! Mein kleiner Weltempfänger diente der musikalischen Umrahmung, während Hans als Agitprop-Funktionär aus der Hermannstädter Zeitung vorlas ... und das alles garniert mit unserer mitgeführten Tuica! Ein ganz normaler Tag in den Muntii Lotrului! 

:-)

Am nächsten Morgen

... schauten wir erneut nach draussen: Sonnenschein pur und der gefallene Schnee war - bis auf die Bergkämme - bereits wieder geschmolzen. Eiligst wurde gepackt und wenig später pausierten wir schon auf dem Vf. Voinesita (1848 m) für einen letzten Rückblick auf unseren "Schicksalsberg", den Vf. Sterpului. 

Auch gegenüber

... ist der ferne Kamm des Negovanul Mare (2135 m) noch vollständig mit Schnee bedeckt. Auf den Weg dorthin müssen wir zunächst über weite bewaldete Bergsättel auf ein tieferes Niveau absteigen. ...

Nahe Plaiul Glabucetului 

... stossen wir auf ein Camp von Pilz.- und Beerensammlern. Sie leben hier den gesamten Sommer und Herbst über in ihren improvisierten Unterkünften. 

Aufstieg

... zum Negovanul Mare. Am Nachmittag ist auch hier der Schnee komplett geschmolzen. Das bedeutete für mich als Wasserholer nach dem Zeltaufbau eine Quelle zu suchen. ...

100 Höhenmeter tiefer,

... nahe einer kleinen Schäferhütte wurde ich fündig und füllte unsere Wassersäcke auf. Die hiesigen Schäfer sind bereits mit ihren Jungschafen abgezogen. Nur tagsüber steigen die Hirten mit den Altschafen noch über die Hochweide. Ihre Hütte ist tiefer am Waldrand gelegen. 

In der Abendsonne

... zieht grosse Hektik ein, denn bei dem Fotolicht und der Weitsicht knipsten sich der Hans und meine Wenigkeit die Finger wund ...

:-)

In der Ferne

... erhebt sich majestätisch das schneebedeckte Fagaras-Gebirge

Und auch unser Schicksalsberg,

... der Vf. Sterpului (re. i. B.) zeigt sich durch´s Tele in der Ferne im schönsten Abendlicht!

Und dann

... ganz  grosses Theater: Der Sonneuntergang!

Das Finale

... da kommen wahre Glücksgefühle auf! Die alles entscheidende Frage aber lautet: Wie wird das Wetter am nächsten Tag?

...

Antwort:

... SUPER!

Das Fagaras

... im Gegenlicht ... so ganz anders als am letzten Abend! 

Wir setzen unseren Weg fort

... über den Balindru-Bergrücken ... In der Ferne sieht man bereits den höchsten Gipfel der Muntii Lotrului, den Vf. Steflesti (Bildmitte rechts). 

Und immer wieder

... blicken wir durch´s Tele zurück auf das ferne Fagaras-Gebirge. 

Hinter Contu Mare 

... schliesst sich ein schöner Pfad durch Krippelkiefern über Saua Steflesti an ...

Und dann 

... geht es wieder bergauf über weite Hochweideflächen zum Vf. Steflesti (2242 m / höchster Gipfel der Muntii Lotrului), wo wir auf eine Gruppe von Tagesausflüglern stossen. Sie sind über die Valea Balindru ein weites Stück die Forststrasse hinaufgekommen. Nach einem Gruppenfoto trennen sich unsere Wege wieder. Das waren übrigens die einzigen Bergwanderer auf der gesamten Strecke durch die Muntii Lotrului! Die Markierung -rotes Band- umgeht den Vf. Steflesti auf kürzesten Weg in Richtung Vf. Cristesti, so dass die meisten Bergwanderer - ohne es zu wissen - den höchsten Gipfel der Muntii Lotrului "verfehlen"!!!

:-)

Ausblicke

... unterhalb des Vf. Steflesti auf die dominanten Felszacken des Vf. Cristesti (2202 m). 

Rückblick

... vom Vf. Cristesti auf den Vf. Steflesti.

Vf. Cristesti

... bietet wunderschöne Rundblicke und lädt zum Verweilen ein ... Und man bedenke, dass man sich hier inmitten von vier Gebirgen in Ost-West-Ausdehnung befindet. Im Norden beginnend durch die Muntii Cindrel, dann folgen im Süden die Muntii Lotrului. Noch weiter südlich verlaufen die Bergzüge der Muntii Latoritei und am Ende folgt der südlichste Gebirgszug der Gebirge Parang und Capatanii. Würde man z.B. eine gerade Linie zwischen Poiana Sibiului (auf den nördlichsten Höhen der Muntii Cindrel gelegen) und Novaci (südlicher Ort an  Fusse der Muntii Parang) ziehen, so wären das 72 km in der Breite aller von Ost nach West hier verlaufender Gebirgszüge. Und wir sind hier genau mittendrin!

Ausblicke vom Vf. Cristesti

... gen Südwest auf den langen Bergrücken der Piatra Alba. Charakteristisch sind die nach Nordwest sanft abfallenden Berghänge, während die südöstlichen Flanken durch steile Kare geprägt sind. ... In der Ferne verlaufen die hohen Bergkämme des Parang-Gebirges.

Geschafft!

... Nach dem Zeltaufbau auf der Piatra Alba wird Schnee für´s Kaffeewasser eingeschmolzen. Anschliessend mache ich mich noch einmal auf mit kleinem Gepäck ...

... und beobachte

... wie Hans sein Zelt auf dem 2178 m hohen Gipfel der Piatra Alba errichtet!  ... 

Und wieder

... naht ein schöner Abend ...

Wir geniessen 

... die letzten Sonnestrahlen auf dem letzten hohen Gipfel unserer Wanderung über das Lotru-Gebirge. 

Am nächsten Tag

... folgt die letzte Etappe über die Muntii Lotrului. Wir blicken noch einmal zurück auf den Vf. Cristesti (li. i. Bild) und der Piatra Alba (re. i. Bild). Wir folgenden der hier allmählich absteigenden Hochweide Richtung West/Südwest. 

An einer Brandfläche

... nahe Larga Bangii blicken wir hinüber auf die Berge der Muntii Cindrel. ... Am nächsten  Tag wird es soweit sein ... Cindrel wir kommen!

Die letzte Hochweidefläche

... nahe Vf. Tampa (1801 m). Im hinteren Abschnitt beginnt ein Waldweg hinunter in die Valea Tartarau.

Hier an der -67 C-

... endete unser Abstieg über die Valea Tartarau. Per Autostop ging es dann bis zur Cabana Oasa, wo wir für eine Nacht Quartier bezogen. Zum Abendbrot bekamen wir vom Küchenchef auch noch eine gute Tuica gereicht - welche bei mir vollständig orale Anwendung fand und Hans teilweise damit seine geschundenen Füsse einrieb. Soviel sei vorab verraten: Die Behandlungsmethode hatte Erfolg! Unsere zurückgelegte Gesamtstrecke über die Muntii Lotrului betrug ca. 70 km. 

Südkarpaten im September 2012 / Teil 3 ... Von Lacul Oasa über die Muntii Cindrel nach Paltinis ...


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