Von Süd nach Süd allein durch´s Muntii Vâlcan

Der misslungene Versuch einer Heilung!

Fotos von: Wilhelm Scherz (September 2003)

eMail


 

So entstehen Träume ...

Es war auch ein September im Jahre 2000, als ich mit meinem rumänischen Freund Dorin Revitea für zwei Tage eine Kurzwanderung im Vâlcan-Gebirge machte. Wir planten von Straja aus in Richtung Petrosani zu wandern. Alles lief dabei nach Plan. Nicht geplant war hingegen der abendliche Blick über Straja auf einen schönen Sonnenuntergang. Und geht die Sonne unter, hinter Bergen die man noch nicht bewandert hat, so ist dies zumindest für die rumänischen Karpaten sehr grausam. Der Rumänienvirus schlägt augenblicklich zu und lässt einen auf ewig leiden. ...

 

Ein ewig Infizierter ...

Ein Rumänienvirus ist nicht immer ein gleicher, um dies Aussenstehenden einmal zu erklären. Jedes Gebirge, hat seinen ganz eigenen "Erreger" und da sitze ich nun vor dem Gipfelkreuz des Vf. Straja im Jahre 2000, wohl wissend, dass der spezielle Rumänienvirus "Muntii vâlcanicus" erst dann erfolgreich bekämpft werden kann, wenn eben jene Pfade begangen werden, hinter denen am Vortag eines Septembertages die Sonne untergegangen ist.

 

Es ist so weit

September 2003 - dem Virus "Muntii vâlcanicus" wird endlich der Kampf angesagt und meine Wanderung begann in dem Bergdorf Curpen. Es war ein Sonnabend und es regnete. Nicht einmal ein Forstarbeiter würde heute oben in den Bergen sein und auch die Hirten sind hier schon alle zu Tal gekommen. Aber dem Regen wegen das Virus länger in sich brüten lassen? Nix da und los ging´s. Um 9:30 Uhr in der Frühe verliess ich Curpen und eine Stunde später hatte ich auch das letzte Dorf Vaidei hinter mich gelassen. Fortan also vollkommen allein, alle Sinne auf die Natur fixiert. Gegen 16 Uhr war ich nahe dem Vf. lui Frate und errichtete auf ca. 1400 m im dichten Nebel das Zelt nahe einer Quelle.

 

Die Heilung setzt ein!

Schon zum Abend des vergangenen Tages hatte sich der Regen verzogen und Nebelfetzen stiegen aus den Tälern empor. Der folgende Tag brachte viel Sonnenschein und gute Weitsicht mit sich. Ich stieg zunächst zum Vf. lui Frate (1524 m) hinauf. Im Bild zu sehen: Gipfelblick in nördlicher Richtung auf das Munte Zánoaga. Ein Kammweg (li. im Bild) führt hinüber. Gleich am Fusse des M. Zánoage schlägt man den Weg nach links ein und folgt einem Kamm Richtung Süd-West hinüber zum Vf. Muncel.

 

Blick vom Vf lui Frate ...

... in Richtung Süd-West. Hinter dem grasbewachsenen Kamm in der Bildmitte gehts abwärts ins Valea Susenilor. Ich halte mich indes rechtsseits und wandere hinüber zum M. Zánoaga, und weiter in Richtung Vf. Muncel.

 

Blick vom Vf. Muncel (1553 m) ...

... in Richtung Nord-West. Der Weg hinüber nach "La Table" (1581 m - unbewaldeter Bergkamm in der Bildmitte) verläuft über einen bewaldeten Bergkamm mit knorrig alten Buchenbeständen. Traumhafte Passage!!!

 

Die Irritation!

Bei "La Table" kam ich noch bei Sonnenschein an, während bereits vom M. Zánoaga her dunkle Wolken heraufzogen. Der Nebel nahm mir einige Zeit später die Sicht und ich folgte einem Hirtenpfad bis zu einer Ansammlung von Hirtenhütten und Viehställen. Alles malerische Holzhäuser. Über der Ansiedlung errichtete ich im Regen das Zelt. Ich hielt diesen Ort für jene Ansammlung von Hirtenhütten, welche auf meiner Karte unterhalb des Vf. Sigleu Mare eingezeichnet waren - obwohl ich schon etwas erstaunt darüber war, diesen Punkt schon erreicht zu haben.

 

Vorweg sei´s schon verraten ...

... denn dieser Ort mit den verlassenen Hirtenhütten war natürlich nicht jener für den ich ihn hielt, sondern - wie sich am folgenden Tag herausstellte - eine Stelle unterhalb des Vf. Piatra (1509 m). Aber egal, ich genoss zum Abend die Stimmung in dieser einsamen Landschaft, als der Regen aufhörte und der schwindende Nebel die Sicht etwas frei gab. Nahe einer wunderschön hergerichteten Hirtenhütte befindet sich dieser Brunnen.

 

Oberhalb der Hirtenhütten ...

... unterhalb des Vf. Piatra zeichnet sich ein Pfad ab in Richtung Süd. Der Hirtenpfad verläuft zunächst immer oberhalb der Baumgrenze, bis er nach ca. 3 km in den Wald absteigt. Am folgenden Tag glaubte ich noch, dass hier der Abstieg zur Saua Dâlma Cázutá erfolgt. Doch nachdem der Pfad sich etwas tiefer plötzlich extrem nach rechts zog, "schwante" mir etwas. Also ging ich ein Stück zurück und folgte dem aufsteigenden Tal hochwärts. Ein zunächst sichtbarer Pfad entpuppte sich wenig später als Wildpfad und verlor sich im Nichts. Egal, ich erreichte den aufsteigenden Talgrund und gelangte an einen Hirtenpfad, der dem hier fliessenden Bach folgte. ...

 

Einer der schönsten Irrtümer meines Lebens!

... Ich war noch immer am Aufstieg zum Kamm hinauf und gelangte nach etwa einer Stunde wieder auf die Hochweidefläche. Noch etwa 40 Minuten und ich war wieder gänzlich auf dem Kamm, kurz vor dem eigentlichen Vf. Sigleu Mare. Hier gibt es keinen direkten Hirtenpfad, der Kammwanderweg folgt schlicht dem Kammverlauf, wobei der Gipfel des Vf. Sigleu Mare links umgangen wird und dahinter etwas nach rechts herumführt. Dort gelangte ich an einen der wohl schönsten Aussichtspunkte des Vâlcan-Gebirges. Ein schöner Felsvorsprung garantiert beste Ausblicke!

 

Die Früchte meines Irrtums ...

... geniessend, verbrachte ich hier beinahe zwei Stunden. Hätte ich diesen Abschnitt noch am gestrigen Tag gemacht, so wären mir diese Ausblicke wohl völlig entgangen. Der Blick in Richtung Nord-West reicht bis hinüber ins Retezat-Gebirge. Unten im Tal (links im Bild) sieht man den Stausee von Valea de Pesti und dahinter das obere Tal des Jui de Vest mit der kleinen Ortschaft Câmpu lui Neag.

 

Das Weitwinkel getauscht ...

... gegen mein 28-90er Objektiv, vermittelt nun ganz andere "Aussichten"! In der Tiefe sieht man den "Lacul Valea de Pesti" und das darüber befindliche "Motel Valea de Pesti".

 

Der Blick nach West ...

... zeigt das ferne Masivul Oslea des Vâlcan-Gebirges. Bis dahin wären es von hier aus noch zwei Tagesmärsche.

Bilder vom westlichen Abschnitt des Vâlcan-Gebirges.

 

Noch einmal Richtung ...

... Nord-West geschaut. Gegenüber dem oberen Valea Jui de Vest erhebt sich das Kleine Retezat-Gebirge (Retezatul Mic). Deutlich zu sehen: Das gegenüber aufsteigende Valea Buta (rechts im Bild). Der aufragende Berg links vom Valea Buta, ist der 2081 m hohe Vf. Piule. Nahe dem hiesigen Aussichtspunkt gibt es einen absteigenden Hirtenpfad nach rechts, hinunter in Richtung Motel Valea de Pesti und weiter nach Câmpu lui Neag.

 

Das zweite bergbäuerliche Zentrum!

Ich hatte nun lange genug die traumhaften Ausblicke auf dem markanten Felsvorsprung, direkt unterhalb des Sigleu Mare-Gipfels genossen. Links des Aussichtspunktes verläuft ein Hirtenpfad in südlicher Richtung. Auf diesem gelangt man nach 20 min. zu jenem bergbäuerlichen Zentrum, welches auf der Wanderkarte eingezeichnet war. Ca. 18 Holzhütten (Hirtenhütten, Viehställe und auch kombinierte Gebäude) befinden sich hier. Einige etwas zerfallen und andere neu errichtet.


Für einen Nachmittag bin ich hier der "Bürgermeister", weil zugleich hier niemand weiter ist ... :-))) ! Die kleine Ansiedlung (auf ca. 1450 m gelegen) welche nur in den Sommermonaten bewirtschaftet ist, war bereits von Mensch und Vieh verlassen. Schöne Ausblicke hat man hier auf den westlichen Abschnitt des Vâlcan-Gebirges, als auch auf Teile des Retezat und Kleinen Retezat. Nach dem Zeltaufbau machte ich mich zunächst auf die Suche nach einer Wasserstelle. Die Quelle befindet sich ca. 200 Meter südöstlich der Häuser auf der Hochweidefläche, direkt unterhalb des Sigleu Mare-Gipfels.


 

Nach ausgiebiger Kaffeepause ...

... machte ich mich daran, die Hütten zu inspizieren. Ich hab schon so viele Hirtenhütten in den vergangenen Jahren in weiten Teilen der rumänischen Karpaten besucht, so dass jetzt und hier der Heilungserfolg meiner "Muntii vâlcanicus"-Infektion einen herben Rückschlag erlitt. Im Kopf gingen wirre Bilder um, vermengt mit den hiesigen Realitäten: Hundegebell und lustige Hirten, Schafe, Pferde, Schweine und Hühner, abendliche Feuer brennen in den alten Hütten, ein merkwürdiger Trunk geht um, die Nacht ist um den Schlaf gebracht, weil alles Erlebte einem nun auch in den Träumen begegnet, man wacht auf und erlebt das was eben noch Träume waren, ... HILFE !

 

Und weil sie so schön sind, ...

... die kleinen alten Hirtenhütten, hier noch eine vor dem Hereinbrechen der Dunkelheit.

 

Und weil sie so schön sind, ...

... die abendlichen Ausblicke, hier noch mein Zeltplatz nahe der alten Hütten mit Blick gen Westen, auf den sich fortsetzenden Abschnitt des Vâlcan-Gebirges. Der Berg gegenüber ist der 1760 m hohe Vf. Arcanu. Unten im Tal verläuft die Forststrasse, welche Valea de Pesti mit dem Valea Sohodol verbindet. Man steigt von hier (ca. 1450 m) bis auf 1152 m zur Saua Dâlma Cázutá hinab, um - so man dem Kammweg folgen will - dort wieder in Richtung Munte Arcanu aufzusteigen. Mein Weg war das für den folgenden Tag aber nur zu einem Teil, denn ab Saua Dâlma Câzutá führte dieser in das Valea Sohodol.

 

Und doch ging es noch einmal hinauf ...

... in Richtung Munte Arcanu. Über das Valea Bâlta machte ich mit dem Michael Horn aus Offenburg noch eine Tagestour bis hinauf zum Fusse des Munte Arcanu. Im Bild zu sehen: Blick aus südlicher Richtung auf das Munte Arcanu. Ein Forstweg führt von Bâlta aus über das Bâlta-Tal hinauf. Am Ende des Valea Bâlta steigt der Forstweg in Serpentinen steil an bis zu einer Militärstation. Dort zweigt eine absteigende Forststrasse nach Gropu cu Apá bergab und ein zweiter Weg steigt links an zum Munte Arcanu. Laufzeit Bâlta - Munte Arcanu: ca. 5-7 Stunden.

 

Und dann treffen wir doch ...

... noch die allerletzten Hirten im Vâlcan-Gebirge, welche ihre Hirtenhütte kurz unterhalb des Vf. Arcanu haben. Aber auch sie ziehen in einigen Tagen ab.

 

Ein letzter Blick ...

... auf das Munte Arcanu und wir treten den Rückmarsch nach Bâlta an. Links des Arcanu-Gipfels schliesst sich eine Kammverbindung an, auf welcher man direkt zum Oslea-Massiv gelangt.

Weitere Bilder vom westlichsten Abschnitt des Vâlcan-Gebirges!

Fazit: Der Virus des "Muntii vâlcanicus" hat mich nun schlimmer befallen als je zuvor, weil einen wieder so neues Zeugs, Ziele, Pläne, Sehnsüchte umsäuseln, die diese Region betreffen. Aber ich will davon hier natürlich nicht berichten, um andere zu schützen. In jedem Falle weiss ich, dass ich unbedingt wieder ... und auf jeden Fall ... da es unumgänglich ist ... La revedere România und schöne Grüsse an alle Rumänieninfizierten!

Karte: Muntii Vâlcan (Vâlcan-Gebirge) HIER


Copyright © by Wilhelm Scherz · Alle Rechte vorbehalten · All rights reserved

zurück zu:

Rumänien-Fotos

eMail