Im Winter durch Rumänien / Teil 3

Sächsische Kirchenburgen und Socken aus Viscri

Fotos von: Wilhelm Scherz (Januar 2003)

eMail


Es war nun schon der 09.01.2003 und es hiess Abschied nehmen aus der mir all so lieben Maramures mit ihren für Europa beinahe einmaligen bäuerlichen Traditionen und urigen Lebendigkeiten. Ziel des heutigen Tages sollen sächsische Kirchenburgen im ländlichen Raum zwischen Medias und Sighisoara sein und auch der darauf folgende Tag ist jenen Siebenbürger Kulturschätzen gewidmet. Die Entstehung der sächsischen Wehrkirchen und Kirchenburgen hat an sich einen ganz schlichten und nicht gerade rühmlichen Hintergrund. Mit den ersten Siedlern zog auch der Deutsche Ritterorden mit zum Schutze der künftigen Landbevölkerung. Machthaber waren die deutschen Ritter aber nicht und ihre Anwesenheit war an Bedingungen geknüpft, um deren Machtbestreben in Grenzen zu halten. So war es mitunter auch untersagt, steinerne Wehr- und Befestigungsanlagen zu errichten. Mit der Zeit aber verschoben sich Machtinteressen und Gewohnheiten und der Deutsche Ritterorden schien sich über das Gebot der Machthaber hinaus etablieren zu wollen, was zur Folge hatte, dass die Beschützer der Landbevölkerung ausgewiesen wurden und jene kolonisierende Bauern zu ihrem eh schon schweren Los nun auch die Verteidigung ihrer Region selbst zu gewährleisten hatten. Eine sagen wir mal "bautechnologische" Konsequenz war dann die Wehrbarmachung der zumeist im Ortskern befindlichen Kirchen, was der Siebenbürger Region bis heute einen kulturell ganz eigenständigen und optisch prägenden Charakter "verlieh".


 

Die Anreise!

In der Dunkelheit starteten wir bereits mit Georges treuen Dacia. Er war klirrende Kälte (ca. -11°C). Mit dem ersten Schimmer des beginnenden Tageslichtes überfuhren wir den Setref-Pass (825 m). Auf der Strasse hinter Dealu Stefánitei waren die Kinder schon früh auf dem weiten Schulweg nach Romuli unterwegs. Im Bild zu sehen: wir durchfahren den Ort Telciu auf der -17 C-.

 

Schneesturm ...

... kurz vor Aiud. Vom Morgen bis hin zur Mittagzeit verschlechterte sich das Wetter zusehends und ich war mir beinahe nicht mehr sicher, ob der heutige Tag überhaupt noch eine Sicht auf eine der begehrten Wehrkirchen uns gewähren würde.

 

Sturm der Entrüstung

Es war nicht das Wetter, was uns den Besuch der hiesigen, zum Weltkulturerbe zählenden Kirchenburg in Birthälm erschwerte, sondern die Inkompetenz hiesiger Siebenbürger Verantwortlicher. Es war gegen 15:30 Uhr - Hauptbesuchzeit sozusagen - und wir klopften ans Türchen des "Burgwärters". Eine Zigeunerin öffnete uns die Tür und mein Freund George bat auf Rumänisch um Eintritt. Die Zigeunerin wies uns ab, der Burghof sei ja offen, aber die Kirche würde sie nur für eine Reisegruppe öffnen. Wir boten ihr dann auch an, Eintritt für eine ganze Gruppe zu zahlen ... Abweisung ... Tür zu ... War das die Siebenbürger Gastfreundschaft???

 

Aufgang zur Kirchenburg

Nach dem Durchschreiten des Flures im unteren Burghäuschen führt ein überdachter Treppengang hinauf zum Burghof. Der Anblick der Kirchenburg von Birthälm (Biertan) ist schon sehr überwältigend und so sind wir nicht vollends enttäuscht von der hunderte Kilometer währenden Anreise. Als wir vom Bughof wieder hinunterstiegen, klopften wir nochmals bei der Zigeunerin an, weil George sich nach weiterem Informationsmaterial für künftige Touristen erkundigen wollte. Obwohl die Stube nach wir vor "besetzt" war, wurde uns nun überhaupt nicht mehr geöffnet.

 

Birthälm - einstiger Bischofssitz

In einem Raum der zur Burganlage zählenden Wehrtürme befinden sich an den Wänden aufgestellte Steinplatten, auf denen die "Kirchenfürsten" vergangener Jahrhunderte verewigt sind. Der unwissende Besucher hält diese in den Stein gehauenen Persönlichkeiten auf den ersten Blick für Mongolische Herrscher :-))) !

 

Blick von der Kirchenburg ...

... auf Birthälm (Biertan). Das Dorfensemble ist in seinem gesamten Umfang beinahe zu 100 % in einem originalen Zustand.

WICHTIG:

Damit anderen Besuchern künftig nicht das gleiche Unheil widerfährt, sei hier die Telefonnummer von Pfarrer Ulf Ziegler erwähnt, welcher hier auch Gästezimmer anbietet:

0269/842660 oder per Mail bk.med@xnet.ro

 

Kirchenburg in Pelisor (Magarei)

Von Birtan (Birthälm) auf den Weg ins Harbachtal (Valea Hârtibaciu) durchfahren wir zunächst den recht isoliert gelegenen Ort Richis. Auch dieser Ort ist von der Architektur durchweg von sächsischer Baukultur geprägt. Nach Richis kommt dann die Gemeinde Pelisor.

 

Der orthodoxe "Bruder" in Pelisor

Nur wenige hundert Meter gegenüber der Kirchenburg befindet sich die grosse orthodoxe Kirche. Der grosse Turm scheint beinahe ein wenig neugierig hinter den zwei kleineren hervorzuluckern :-))) ! Während die orthodoxe Kirche vom Leben ihrer Gemeinde erfüllt ist, fristet die Wehrkirche der schwindenden Sächsischen Gemeinde nur noch ein "museales" Dasein, welches aber für die Zukunft ein wichtiges Mosaiksteinchen touristischen Potentials darstellt.

 

Die Kirchenburg von Agnetheln

Die Dämmerung bricht bereits herein, da haben wir noch zur rechten Zeit die Kirchenburg in Agnita (Agnetheln) erreicht. Das Foto zeigt die Nordansicht der Anlage mit dem Fassbinder- und Schneiderturm. Während das Stadtbild von Agnita in der Nachkriegszeit sich sehr verändert hat, blieb die Ursprünglichkeit der Kirchenburg weitestgehend erhalten. Auch die Altstadt hat ein belebtes und noch alt-geprägtes Zentrum und ist in jedem Falle eine Reise Wert.

 

Der Fassbinderturm ...

... stellt zugleich das vorgelagerte Eingangsportal der Kirchenburg dar. Im Osten der Anlage befindet sich der Schneider- oder Hottentottenturm, während sich in süd und südwest der Schmiede- und Schusterturm befinden.

Weitere Infos über die Wehrkirche von Agnetheln und anderen Kirchenburgen im Harbachtal !

 

Weiterfahrt nach Sighisoara.

Hinter Agnita brach die Dunkelheit schnell herein und so konnte ich die ebenfalls überwältigende Kirchenburg von Apold (Trappold) nur noch in ihren Umrissen erahnen. So setzten wir unsere Reise über die kleine Landstrasse Richtung Sighisoara fort. In der Dunkelheit plötzlich auftauchende Kühe sind auch hier in Siebenbürgen ebenso normal wie in anderen Regionen Rumäniens :-))) ! In Sighisoara übernachteten wir im Hotel "POENITA" (Str. D. Cantemir, Nr. 24 / Tel.: 0265 772739) welches sehr gemütlich und etwas abgeschieden am Rande der Altstadt von Sighisoara liegt.

 

Kirchenburg von Saschiz (Kreisd)

Auf der -E 60- von Sighisoara kommend, fahren wir in Richtung Brasov. Nach ca. 17 km durchfährt man den Ort Saschiz (Kreis), dessen Wehrkirche schon von weitem unmittelbar rechts neben der Hauptstrasse emporragt.

 

Nahansicht der Kirchenburg ...

... von Saschiz (Kreisd). Weit oben, in der rechten Seite des gorssen Kirchturmes befindet sich eine Nische, in der ein Mann mit einer Glocke eingebracht ist.

 

Hoch oben im Kirchturm steht es, ...

... das Männlein mit der Glocke.

Architektonisch ist dieser Kirchturm dem Stundturm von Sighisoara nachempfunden worden, was in letzter Konsequenz wohl auch dieses kleine Kunstwerk am Bau erklärt.

 

Kirchenburg in Bunesti (Bodendorf)

Von Saschiz aus fahren wir zunächst weiter in Richtung Brasov bis Bunesti. Hier zweigen wir nahe der Wehrkirche nach rechts ab in Richtung Viscri. Auch diese Seitenstrasse von Bunesti zieht sich noch weit hin. Anschliessend führt die Strecke über eine mehr unbefestigte, aber mit PKWs befahrbaren Strasse über offenes und weit einsehbares Hügelland.

 

Anreise nach Viscri

Interessant an der Strasse von Bunesti nach Viscri ist die abwechslungsreiche und weitläufige Landschaft. An klaren Tagen hat man zudem eine gute Sicht auf das ferne Fágáras-Gebirge. Besonders imposant sind die von Misteln besetzten Alleebäume, welche hier vereinzelt stehen. Auf der Landstrasse nehmen wir einen Rumänen mit, welcher in Viscri wohnt und ich frage ihn, wie viele deutsche Familien noch in Viscri verblieben sind und er fragt mich: "sas sau neamt?". Da bin ich dann doch etwas verwundert und er erklärt mir, dass mehrere Deutsche und auch Engländer zugezogen sind. Einheimische Sachsenfamilien gäbe es wohl nur noch 7-8.

 

Kirchenburg von Viscri (Deutsch-Weisskirch)

Man muss es gleich vorweg sagen, Viscri liegt einfach wunderschön abgelegen. Auf den Wiesen und Wäldern ringsum kann man viele Greifvögel beobachten und wenn im Frühjahr erst die Hirten wieder über die weiten Wiesen ziehen, dann bekommt das alles hier noch eine deftige Würze. Auch sonst sind die Menschen hier sehr zuvorkommend. Anders als in Biertan sprach mich eine Zigeunerin auf dem Weg zur Kirchenburg an, ob ich denn die Kirche besichtigen möchte, sie würde mich zur autorisierten Person begleiten.

 

Der Ort ...

... Viscri (Deutsch-Weisskirch) ist in seinem Gesamtensemble vollständig erhalten, wenn auch einige Häuser dem Zerfall preisgegeben sind, so gibt es hier aber keine störenden Neubauten im neuen Stil.

Weitere Infos zur Kirchenburg von Viscri !

 

Restauriert und voller Leben ...

.. ist dieses Bauernhaus in Viscri. Die breite Strasse hinauf zur Kirchenburg, teils gesäumt mit alten Obstbäumen und ihren farblich wechselnden Hausfassaden, lässt die durch Normen verkümmerte Seele manch eines Deutschen Bundesrepublikanischer Breitengrade "gehörig aufatmen" :-))) !

 

Restauriert und ohne Leben ...

... ist diese Hausfassade, hinter der sich kein Haus mehr befindet. Was für ein Leben mag sich hinter diesen Mauern einst verborgen haben? Was bedeuten die liebevoll erhaltenen Inschriften auf der Wand?


 

Kirchenburg in Rotbav (Rothbach)

Auf der weiteren Strecke von Rotbav bis hinüber nach Prejmer (Tartlau) herrscht flaches Land vor. Die hohen Berge hinter der Ebene waren von tiefen Wolken verhüllt und ein kräftiger Wind blies über die von einer dünnen Schneeecke überzogenen Felder.

 

Anger in Rotbav (Rothbach)

Sehr schön anzuschaun, der Anger, welcher von der Hauptstrasse des Ortes vor der Wehrkirche abzweigt.

 

Kirchenburg in Hárman (Honigberg)

Früher war diese Kirchenburg von einem Wassergraben umgeben, aber einen überzeugenden Eindruck von ihrer einstigen Wehrhaftigkeit vermittelt diese Anlage noch heute. Im Jahre 1612 wurden die Honigberger von Truppen des Fürsten Gabriel Báthory belagert. Mit welch einer "Posse" die Honigberger die einstigen Besatzer zum Abzug bewegten, lässt sich im untenstehenden Link nachlesen:

Weitere Infos zur Kirchenburg von Hárman (Honigberg)

 

Kirchenburg in Prejmer (Tartlau)

Prejmer ist die östlichste Grossgemeinde des Burzenlandes und sogar ganz Siebenbürgens. Der lange Säulengang links im Bild nimmt jenen Platz ein, an dem sich bis zur ersten Hälfte des 19. Jh. noch eine Zugbrücke und ein die Burg umlaufender Wassergraben befanden.

 

Letztes Ziel als grösstes Schmankerl

Diese Kirchenburg hatten wir uns etwas genauer zur Besichtigung auserkoren. Und ganz im Kontrast zur Kirchenburg in Biertan, wurden wir hier im Burgwärterstübchen von einer netten alten rumänischen Dame empfangen, die uns freundlich zur Küsterin begleitete. Nicht einmal Eintritt mochte man von uns zu nehmen und auf die vorsichtige Anfrage, ob denn auch die Kirche zugänglich sei, wurde uns freundlich und zuvorkommend der Weg dorthin erklärt.

 

Alle Zeit der Welt hatten wir ...

... zur Erkundung der Kirchenburg von Tartlau. Erst im 16.-17. Jahrhundert wurde diese Vorburg (Rathaushof) angebaut. Somit erweiterte sich die Zahl der Vorratskammern auf 267.


 

Wer gerad die Brille nicht dabei hat, hier ins Saubere, noch einmal der deutsche Text:

... Im 13. Jh. erfolgte in diesem Teil Siebenbürgens (Transilvaniens), dem Burzenland, die Ansiedlung der Sachsen, die Erbauer dieses bauhistorischen Denkmals. In mittelalterlichen Urkunden erscheint die Gemeinde unter verschiedenen Benennungen: Tartilleri (1240), Tartula, Villa Tartulan, Prasmar (1301), Oppidum Ürassmar, Tortalen (1377), Tortelaw (1420), Tartlau (1755). Nach 1421, dem ersten Türkeneinfall in Siebenbürgen, errichteten die Sachsen den ersten Mauerbering der Burg um den Sakralbau (die Kirche). Der Ringmauer, die um die Kirche errichtet wurde, werden im 16. Jh. an der Innenseite in vier Geschossen 272 Vorrats- und Wohnkammern, die über ein wohldurchdachtes System von Holzplattformen und Treppen errreichbar sind, angebaut. Im 16.-17. Jh. wird an der Südseite der "Bäckerhof" hinzugefügt.


 

Der innere Burghof

Wir umgehen zunächst die Kirche rechtsseits. Im hinteren Bereich des Mauergürtels heisst es aufgepasst, denn dort befindet sich auch einer der wenigen unteren Zugänge zu dem die Burg umlaufenden Wehrgang.

 

Die Burgkirche ...

... ist vollständig umgeben von dem schützenden Mauergürtel, auf dessen Innenseiten sich die zahlreichen Vorratskammern befinden.

 

Die Vorrats- und Wohnkammern

Viergeschossig umgeben die Kammern den gesamten Mauergürtel des inneren Burghofs.

Weitere Infos zur Kirchenburg von Prejmer (Tartlau)

 

Der Wehrgang

In zehn Meter Höhe verläuft der knapp zwei Meter breite Wehrgang um die gesamte Wehranlage. Nur wenig Tageslicht fällt durch schmale Schlitze und Schiessscharten in den Gang, der auch für die heutigen Besucher vollständig begehbar ist.

 

Die Kirche im Innern ...

... besitzt bis auf das Deckengewölbe nur wenige schmückende Details.

 

Zugang ...

... zu einer der insgesamt 267 Vorrats- und Wohnkammern.

Im Jahre 1960 begannen umfangreiche Restaurierungsarbeiten an der gesamten Kirchenburg, welche über 10 Jahre andauerten.

 

Pferdefuhrwerk in Prejmer

Die Leistungsfähigkeit eines Pferdefuhrwerkes zeigt sich nicht in Zugstärke und Schnelligkeit, wohl aber im beliebigen "Ausbau" der Ladekapazität!

:-)))

 

Ölfelder bei Plopesti

Das Prahova-Tal haben wir hinter und gelassen. Fortan geht´s nur noch über flaches Land bis Otopeni, wo der George und ich unser letztes gemeinsames Quartier im "Hostel Gabriela" (Str. Margaritarului Vila A 104 / Otopeni / Tel.: 021/2362053) nahe dem Internationalen Flughafen Otopeni beziehen.

 

Zum Abschied erst ...

... blinzelt mich die Sonne an und zeigt mir klar, wohin die nächste Reise nach Rumänien führt: "Sus sus sus la Muntii sus" (Hoch hoch hoch in die Berge hoch) !!! Und jetzt erst versuche ich mir vorzustellen, um welch vielfach schöner der Anblick der besuchten Wehrkirchen und lieblichen Sachsendörfer im Sonnenlichte erst erscheinen würde.

Seufzzz :-)

Es ist der 11.01.2003 und ich besteige den Flieger Bucuresti/Otopeni - Berlin/Tegel. Eine erlebnisreiche Woche mit vielen Eindrücken hat sich in mein doch so kleines Menschenleben eingebrannt und das verdanke ich niemand anderem sonst, als diesem wunderbaren Land und den Menschen mit ihren doch so unterschiedlichen Kulturen.

Multumesc foarte mult România !

Rumänien: Zu allen Jahreszeiten eine Tour mit einem der kleinsten rumänischen Reiseunternehmen!


Copyright © by Wilhelm Scherz · Alle Rechte vorbehalten · All rights reserved

zurück zu:

Rumänien-Fotos

eMail