Eine geheimnisvolle Abmarschroute aus dem Retezat ...

Vom Vf. Custura über Curmatura Tulisa nach Uric 

Fotos: Wilhelm Scherz

Es war das Jahr 1995 als mich mein Freund Stanciu Venu aus Pui in die Valea Rau Barbat hinauffuhr in Richtung Stana de Rau und an einer Biegung mitten im Tal nach links oben zeigte mit dem Hinweis, dass sich dort auf den Bergen ein Kreuz befindet, welches dem Kampf rumänischer Soldaten im Ersten Weltkrieg gedenkt. Einst soll es dort zu schweren Kämpfen gekommen sein. ... Nun ist es nicht unbedingt so, dass mich kriegerische Ereignisse interessieren, aber eines hat es bewirkt - meine Aufmerksamkeit wurde geweckt. Während meiner sich hier im Männertal anschliessenden Solotour über die Gebirge Retezatul Mic, Godeanu und Cernei studierte ich an den Abenden oft die Wanderkarten und interessierte mich unweigerlich für jenen Gebirgskamm südöstlich der Valea Rau Barbat. ... Abgespeichert war´s für viele Jahre, bis zum Herbst 2009, wo ich eine Tour über die Muntii Godeanu - Retezatul Mic plante und was lag da näher, als den Kamm einfach weiterzugehen und uralte Sehnsüchte zu befriedigen! 

Das obere Foto zeigt Ausblicke vom Vf. Custura Richtung Osten auf jenen Streckenabschnitt, den schon viele Wanderfreunde gesehen aber wohl nie bewandert haben - ganz so wie der Wanderer vor uns, der eigentlich seinen Freund vermißt, welcher vor einiger Zeit zu einen nahen Bergsee abgestiegen ist um Wasser zu holen. Die aufziehenden Wolken über den von mir ersehnten Streckenabschnitt scheinen das Geheimnis dieser Route bis zum letzten Moment verbergen zu wollen. Der Tross der großen Wanderkolonnen, welche hier vorbeiziehen, folgt allsamt der Route Vf. Custura - Custura Papusii - Vf. Papusa ... oder eben in umgekehrter Richtung. 


Cabana Buta

Mein zuverlässiger Wanderfreund Hans-Ulrich Schwerendt und ich hatten uns nach der mehrtägigen Tour über Muntii Godeanu und das Retezatul Mic bei Cabana Buta eine Pause gegönnt. Nach 2 Übernachtungen  in der Cabana war es dann am 20. September endlich soweit, wir starteten mit großem Gepäck bei noch leichtem Bergnebel hinauf zur Saua Plauil Mic (1879 m). Von dort aus ging es weiter Richtung Vf. Custura. 

Freie Sicht auf Peleaga und Papusa!

Auf dem halben Anstieg zum Vf. Custura reißen die Wolken auf ... links im Bild: Vf. Peleaga (2509 m) ... rechts im Bild: Vf. Papusa (2508 m) und Vf. Papusa Mica (2370 m) ...

 

Noch ein letzter Rückblick

... auf unsere von Wolken verhangene Strecke des Retezatul Mic und der Muntii Godeanu. Rechts der Bildmitte verläuft das tiefe Lapusnicu Mare-Tal ... Auf dieser Hauptwanderroute finden wir nagelneue Markierungen vor. Aber das wird sich in Kürze ändern ...

 

Geschafft

Hans pausiert auf dem Vf. Custura (2457 m). 

 

Direkt vom Gipfel aus

... sieht man in einem tiefen Bergkessel einen Teil der Taurile Custurii.

 

Taurile Custurii

Nur ein kleines Stück weiter östlich kann man den gesamten Bergkessel mit den Taurile Custurii einsehen. 

 

Unsere neue "Abmarschroute"

Das Wetter schaut vielversprechend aus und so steht unserem geheimnisvollen Pfad nichts mehr im "Wege"! Früher verlief hier bis Saua Tulisa ebenfalls eine Markierung "rotes Band". Auf der neuen Retezat-Karte von Dimap ist neben dem "roten Band" auch die Markierung "gelbes Kreuz" eingezeichnet, welche in alten Beschreibungen nach Uricani führt. In dem Buch "Die Bergwelt Rumäniens" von Walter Kargel finden wir folgenden Hinweis für diesen Streckenabschnitt: "Uricani - Tulisa-Sattel - Plauil Mic-Sattel - Buta-Hütte ... gelbes Kreuz, rotes Band, ... 11 Stunden". Die Markierung "gelbes Kreuz" war bis Tulisa-Sattel nicht auffindbar, hingegen wir ab und an auf sehr verwitterte Markierungen "rotes Band" stießen. Auf dem Routenverzeichnis der offiziellen Webseite des Retezat-Nationalparks http://retezat.ro/index.php/english/tourism/tourist-trails.html  findet diese Route keine Erwähnung. ...

 

Unterhalb Vf. Valea Marii (2340 m)

Ein erster Rückblick, im Hintergrund der alles überragende Vf. Custura.

 

Die Steinmännchen

... sind die zuverlässigste Orientierungshilfe bei Nebel. Wir aber haben Glück und befinden uns über den Wolken. Dementsprechend machen wir viele Fotopausen und vergessen dabei die Zeit. 

 

Riesige Schotterhänge

... der gegenüber liegenden Abhänge der Culmea Lancita.

 

Nahe Vf. Gruniu (2294 m)

Hier verläuft ein Hirtenpfad bis hinüber zum Vf. Vacarea auf fast gleichbleibender Höhe ...

 

Erneut rasten wir

... kurz vor dem Vf. Vacarea.

 

Nahe des Gipfelkreuzes

... des Vf. Vacarea, welches wir leicht umgehen, um dem absteigenden Kamm in nordöstlicher Richtung zu folgen. Bei schlechter Sicht oder gar Nebel ist spätestens ab diesem Punkt die Orientierung äußerst problematisch, da hier auf Grund des zunächst absteigenden Niveaus kein Kammverlauf mehr auszumachen ist. Zunächst aber gönnen wir uns noch einmal eine kleine Pause und blicken zurück auf unseren bisher zurückgelegten Weg. Während die Südhänge des letzten Kammverlaufs sanft bis in die Täler abfallen, sind die Nordhänge geprägt von Karen und Schotterhängen. 

 

Erste Rast

... auf der Culmea Vacarea. Die Sonne steht bereits tief und jetzt erkennen wir, dass die Culmea Vacarea das Schicksal des Bergwanderers stark beeinflußt :-) ... aus mehreren Gründen: 1. es gibt hier keinen sichtbaren Pfad ... 2. auch die sonst zur Orientierung dienlichen Steinmännchen sind kaum vorhanden ... 3. man läuft hier unter viel Zeitverlust über puren Schotterstein ... 4. bei entsprechender Feuchtigkeit ist die Gefahr hier auszurutschen äußerst hoch (!) ... 5. im tiefer gelegenen Abschnitt des Bergrückens gesellen sich zum Schotter noch zunehmend dichte Krippelkieferbestände, welches es darauf abgesehen haben, den Wanderer das Durchkommen fast unmöglich zu machen. ... Dieser Abschnitt mag vielleicht auch ein Grund dafür sein, dass man diesen einstigen Wanderweg nicht mehr propagiert. 

 

Blick auf den Vf. Vacarea (2238 m) 

... und die hier verlaufende Culmea Vacarea. Jetzt begann für uns der weitere Verlauf bis hinüber Richtung Curmatura Tulisa (unser anvisiertes Tagesziel) etwas hektischer zu werden. Auch hatten wir keine Wasservorräte mehr ... Kurz vor dem Vf. Bilugu Mare (1764 m) waren wir noch zuversichtlich, aber der Bilugu Mare mit seinen jungen, dicht bewachsenen Kieferbeständen machte ein Durchkommen im Gipfelbereich unmöglich. Hans hat linksseits unseres Kammverlaufes auf der Karte einen Pfad gesehen, welcher etwas tiefer gelegen zur Poiana Bilugu Mare führt. Dieser umgeht unseren Gipfel und führt dahinter wieder zum Kamm. Also stiegen wir ein Stück ab ... Kurz vor Curmatura Tulisa, dort, wo ein alter Abholzungsweg den Kamm überquert, legten wir im letzten Abendgrauen die Rucksäcke ab um schleunigst auf Wassersuche zu gehen. Wir folgten dem Abholzungsweg nach Südost absteigend und in der schnell hereinkommenden Dunkelheit hörten wir plötzlich links des Wegs das lang ersehnte Plätschern einer kleinen Quelle. Alles war gut!

 

Morgenstimmung 

... an unserem Nachtlager kurz vor der Curmatura Tulisa. 

 

Ein erster Blick 

... zeigt uns den letzten Abschnitt unserer geheimnisvollen Tour Richtung Uric. Rechts im Bild sieht man den Vf. Tulisa (1792 m), in der Bildmitte den Vf. Baru (1756 m) und ganz links im Bild den Vf. Comarnicu, an dessen östlichen Flanken der letzte Abstieg nach Uric verläuft. 

 

Kurz unterhalb des Vf. Tulisa

... ein neues Gedenkkreuz, welches am 20. Juli 2006 durch Stadtverwaltung Uricani eingeweiht wurde. 

 

Am Kreuz 

... bedeutet hier: ein wunderbarer Campingplatz mit schönen Fernblicken auf das umliegende Bergland. 

 

Das Kreuz 

... und im Hintergrund unser "Schicksalsberg", der Vf. Vacarea mit seinen ausgedehnten Schotterhängen, auf denen wir am Vortag sehr viel Zeit verloren haben :-) ... Am heutigen Tag aber hat es schon etwas positives, es ist jetzt eine Geschichte für´s Leben!

 

Diese Inschrift

... erinnert an die Kämpfe, welche vor 90 Jahren in der Stadt Uricani stattgefunden haben. Auf der anderen Seite befindet sich eine weitere Tafel mit Gedenken an den Offizier Gheorghe Tatarescu (1886-1957) ... Premierminister von Rumänien ... Er kämpfte einst für die Vereinigung der Nation ... 20.8.2002

 

Nur ein kleines Stück tiefer

... befindet sich das alte Metallkreuz, von dem mir einst Herr Staciu erzählt hat. 

 

Blick vom Vf. Tulisa

... auf das Zentralgebiet des Retezat-Gebirges. Auf dem recht kurzen Anstieg vom Kreuz zum Vf. Tulisa befindet sich direkt am Weg eine Quelle! Auf dem weiteren Weg von Vf. Tulisa in Richtung Uric gibt es keinerlei Wandermarkierungen ... jedoch ist die Orientierung per Karte relativ einfach. Auf ganz alten Wanderkarten führte hier einst die Markierung "rotes Band" weiter bis Vulcan und das "gelbe Band" hinunter nach Uricani.

 

Ausblicke vom Vf. Tulisa 

... auf das ferne Valcan-Gebirge. 

 

Auf dem Weg

... Richtung Vf. Baru (1756 m) befindet sich östlich ein weit ausladendes Plateau.

 

Den Vf. Comarnicu (1442 m)

... umgeht man östlich und schließlich eröffnen sich einen  erste Ausblicke auf das ferne Sureanu-Gebirge. Und wir genießen die Gelegenheit für einen ausgiebigen Blaubeerschmaus! 

 

Schöne Sicht durch´s Tele

... auf den Ort Baru und das dahinter zwischen steilen Kalkwänden verlaufende Strei-Tal. 

 

Kleine Waldarbeiterhütte 

... am Fuße des Vf. Comarnicu. Hier folgen wir einem schmalen Pfad, welcher in die Waldzone führt. 

 

Der Abstieg 

... durch nicht enden wollende Wälder war beinahe schon etwas mühsam ...

 

... und schließlich waren wir unten 

... aber noch nicht am Ziel. Noch ca. 2 km Fußweg über ausgedehnte Weideflächen mussten wir bis Uric zurücklegen. 

 

Uric

Wir sind am Ziel!

 

"Hana" und "Hans"

... unser erster Haltepunkt in dem kleinen Bergdorf Uric. Hans steht auf dem Balkon vom Bufet "Hana"und schaltet wieder sein Handy ein, während ich endlich zu meinem ersten frischen Bere Ursus komme! Insdes warten wir darauf, dass uns - wer soll´s auch anders sein - Herr Stanciu von hier mit dem Auto abholt. Freunde warteten auf uns schon in Pui, mit denen wir nächstens Tags das "Paradies" in den Muntii Sureanu besuchen wollten!

Bufet Hana ... wenn man es so will ist es ein sehr bedeutender Punkt: Bufet Hana ist für ganz mutige Langstreckenwanderer der letzte Versorgungsposten vor einer ununterbrochenen Bergkammwanderung (abgesehen von einem Abstieg nach Cabana Buta) über ca. 6-7 Tage bis hinüber nach Baile Herculane!!! Eine Traumstrecke, bei der lediglich der kurze Abschnitt zwischen Vf. Custura und Saua Plaiul Mic touristisch frequentiert wird, ansonsten aber eine fantastische Abgeschiedenheit bietet, bei der man lediglich in den Sommermonaten auf Hirten, sowie im Herbst auf die Sammler von Blaubeeren trifft. ... Über Google Earth ausgemessen, beträgt die Luftlinie zwischen Uric und Baile Herculane 84 km. Aber nun kommt´s (für Leute die feste Maße benötigen um mit einer Sache etwas anfangen zu können :-) ...) ... wenn man einmal den Kammverlauf ausmisst, dann beträgt die Gesamtstrecke beinahe exakt 100 km! Ist das nicht eine Verlockung? 100 km ununterbrochener direkter Kammverlauf mit ganz unterschiedlichen Landschaftstypen, angefangen von Waldzone über Hochweide, Schotterflächen mit Krippelkiefern, alpines Gelände, Karstgelände, und und und ... und wer sich genauer für die Abschnitte im Godeanu-Gebirge interessiert, kommt noch auf ganz andere hoch interessante Aspekte .... aber dafür müsste man schon wieder abseits des Kammvelaufes ausschweifen und dann bräuchte man 15-20 Tage für die Tour ... :-) ... 

Das kleine Bergdorf Uric erreicht man per Auto über die -E 79- bis Pui. Dort Abzweig nach rechts auf die Nebenstraße nach Rau Barbat - Hobita - Uric. Anreise mit dem Zug über die Bahnstrecke Deva / Simeria - Petrosani bis Pui und dann Auto.- oder Pferdewagenstop nach Uric ... siehe Karte ... Drum bun!

 

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